Das Böse im Guten – Derivate in Stiftungsfonds

Viele Stiftungen misstrauen Derivaten, dabei werden sie in Zukunft nicht nur als Absicherungsinstrumente, sondern auch als Renditequellen genutzt werden (müssen). Eine Einordnung.

Von Elmar Peine

Derivate haben nicht den besten Ruf. Im Zusammenhang mit Börsen verbinden viele mit ihnen unmoralische Spekulationsangriffe, versteckte Kosten und große Risiken. Gerade im werteorientierten Stiftungssektor und gerade in einer Phase, in der mit der Nachhaltigkeit auf die (vermeintlichen) Wirkungen der Kapitalanlage immer stärker geachtet wird, ist der Einsatz von Derivaten kein Thema, mit dem Fondsgesellschaften und ihre Manager hausieren gehen. Selbst wenn die Futures, Optionen oder Zertifikate zur Verbesserung der Portfoliostruktur oder zur Senkung von Risiken und Schwankungen oder zur Begrenzung von Maximalverlusten eingesetzt werden, verschweigt man das lieber, solange nicht bewusst nachgefragt wird. Man fürchtet die Vorurteile der Kundschaft.  

Vor einigen Wochen machten wir eine kleine Umfrage bei den Fondsmanagern der von uns empfohlenen 52 Stiftungsfonds. Leider beteiligten sich nur 28 Häuser. Nur für fünf Fondsmanager haben Derivate gar keine Bedeutung. Dazu gehört die Commerzbank (Stiftungsfonds Rendite E), die Kroos Vermögensverwaltung (Stiftungsfonds Westfalen) oder etwa Frank Wettlauffer (Smart and fair Fonds). Auch Achim Lange (Hamburger Stiftungsfonds) gehört zu den Puristen, für die Derivate (langfristig) eher teures Beiwerk sind. Wenn sie zur Sicherung eingesetzt werden, so die Argumente der Skeptiker, kosten die Vehikel Rendite. Besser sei, die Fonds etwas stärker schwanken zu lassen und dafür an den guten Marktphasen voll und von Anfang an beteiligt zu sein.

Die Befürworter des Einsatzes von Derivaten argumentieren, dass man mit ihnen nicht nur einfach und sehr schnell ohne unerwünschte Nebeneffekte Sicherungslinien und Verlustbegrenzer in die Vermögensstruktur einziehen kann. Mit Derivaten kann man auch die gewünschten Engagements in Fremdwährungen, die Zinsstruktur der Anleihen, das Aktienrisiko und andere Eigenschaften des Depots sehr fein steuern. Der DWS Stiftungsfonds etwa kauft Derivate „für die Steuerung des Aktienexposures, des Rentenexposures, der Durationsteuerung und des Währungsmanagements (…). Die Marktbewegung im März 2020 hat uns gezeigt, dass der Einsatz von CDS (Kreditausfallversicherungen – E.P.) wichtig war, um Risiken zu begrenzen“, sagt im schönen Fondsmanager-Deutsch DWS-Mann Markus Diebel.

Auch die Allianz, für die Derivate ebenfalls eine „hohe Bedeutung“ haben, setzt für ihren Stiftungsfonds Nachhaltig Index-Futures zur Absicherung ein. Ebenso Invescos Fonds für Stiftungen. Die GLS ist bei ihrem Klimafonds ähnlich wie die Pax-Bank und Salytic nach eigenen Angaben zurückhaltend. Man setzt nur „gelegentlich“ Optionen und Futures oder andere Termingeschäfte zur Absicherung ein.   

Bernhard Matthes, Manager des BKC-Treuhand Portfolios, nutzt „Aktienindex Futures zur Variation der Ziel-Aktienquote, um nicht den physischen Bestand anfassen zu müssen. Dabei geht es um Transaktionskosten und den Erhalt des Dividendenbeitrags im Falle einer Absenkung der Aktienquote.“ Das heißt, wenn die BKC sinkende Kurse befürchtet, „wettet“ man mit einem Derivat darauf, um bei tatsächlich sinkenden Kursen eine Kompensation für die Verluste des eigenen (physischen) Aktienbestandes zu haben. Die BKC könnte auch Teile ihres Aktien-Bestandes verkaufen, damit würden aber Transaktionskosten entstehen und außerdem würden die Kurse der Aktien durch die Verkäufe nach unten gedrückt (market impact), wodurch die Erlöse gemindert würden. Und wenn dann zurückgekauft wird, fallen die Kosten und Nachteile nochmals an.    

Ganz klar: Die Absicherung gegen höhere Verluste ist noch immer das vorherrschende Motiv für den Einsatz von Derivaten im Fondsmanagement gerade für Stiftungen. Zwei Ansätze kommen dabei zum Tragen: Entweder man „wettet“ (mit Futures) auf ein Sinken der Kurse und bekommt einen verlustmindernden Posten, wenn die Kurse tatsächlich sinken. Steigen die Kurse, mindert man mit so einer „Wette“ allerdings den Gewinn. Oder: Man erkauft sich mit einer (Put-Option) die Möglichkeit, Aktien zu einem festgesetzten Preis zu verkaufen. Sinken die Kurse dann bis zum Stichtag deutlich, kann man die Option „ausüben“, um damit zu einem besseren Kurs als dem gegenwärtigen zu verkaufen. Mit einer Option sind Fonds also gegen unerwünschte Preisausschläge versichert. Diese Einsätze von Derivaten finden insbesondere in den Depots von Profianlegern, die oftmals sehr enge Risikoparameter einhalten müssen, Anwendung.   

Insbesondere Optionen ermöglichen Fonds aber auch andere Möglichkeiten, denn statt eine Option zu kaufen und damit die Rolle des Versicherungsnehmers einzunehmen, kann ein Fonds auch Optionen verkaufen und damit quasi zur Versicherung werden. Der Fonds versichert andere Marktteilnehmer via Option gegen unerwünschte Preisausschläge und kassiert dafür eine Prämie. Wenn der „Versicherungsfall“ eintritt, kann es allerdings zu größeren Verlusten kommen, wenn sich der Fonds „zu weit aus dem Fenster gelehnt“ oder nicht rückversichert hat.

Spätestens, wenn Derivate zur Renditemehrung eingesetzt werden, fallen gerne Begriffe wie  Casino-Kapitalismus und ähnliches, um zu insinuieren, dass hier das Prinzip „Linke Tasche Rechte Tasche“ gilt, also Gewinne auf der einen Seite Verluste der anderen bedingen, also keine systematische Renditequelle vorhanden ist. Das lässt sich aber mit Blick auf die Optionsgeschäfte nicht aufrechterhalten. Der Verkauf von Optionen gegen eine Prämie, das Versicherungsgeschäft also, ist, systematisch betrachtet, die Produktion des knappen Gutes Sicherheit, für die Vermögende eine über den Risikoausgleich hinausgehende Prämie zahlen. Es ist ganz eindeutig: Die Prämie ist eine systematische Renditequelle. Welche Bedeutung sie haben kann, zeigt sich an spezialisierten Fonds wie etwa dem Optoflex von Feri, der vergleichsweise hohe und gleichbleibende (ordentliche) Erträge erwirtschaftet und mittlerweile ein Vermögen von über 1,5 Milliarden Euro aufweist.

Auch für immer mehr Manager von Stiftungsfonds spielt das Gewinnerzielungsmotiv beim Einsatz von Derivaten eine Rolle.     

Hochgerechnet dürfte rund ein Viertel der Stiftungsfonds Derivate auch oder sogar ausschließlich nutzen, um Rendite zu erwirtschaften. Beim Kepler Ethik Mix Ausgewogen will man mit Derivaten „mehr als nur absichern“, so Gernot Hauzenberger, einer der Fondsmanager. Ähnlich äußerte sich die Wave AG für den Hannoversche Mediuminvest.  Guido Barthels vom TBF Global will „mit unserem Einsatz von Derivaten Geld zu verdienen …“

Stefan Rädler von der Deutsche Oppenheim, dem größten deutschen Family Office, wird noch konkreter: „Derivate werden beim FOS Rendite und Nachhaltigkeit vor allem im Portfoliokontext eingesetzt. Hierbei geht es sowohl um die Absicherung von Risiken (Zins-, Währungs- und Marktrisiken), aber eben auch um den opportunistischen Einsatz von Optionen vor Allem in Abhängigkeit von der Volatilität. Dies kann der Erwerbsvorbereitung ebenso dienen, wie der reinen Prämiengenerierung.“

Die Deka gibt sogar ein Renditeziel für den Einsatz von Derivaten in ihren beiden Stiftungsfonds (Deka-Institutionell Stiftungen I; Deka Stiftungen Balance) an. 0,5 Prozent Rendite sollen die Derivate-Aktivitäten in beiden Fonds jeweils pro Jahr bringen.

Der Berliner Fondsmanager Andreas Heinrich (HuH Stiftungsfonds) ist da ambitionierter. Er strebt einen Renditebeitrag von rund einem Prozent pro Monat durch den Kauf von Optionen an. Exklusiv für Renditewerk hat er sein Vorgehen beschrieben (Zum Artikel).

Eine ähnliche Strategie für den renditeorientierten Einsatz von Derivaten wie Heinrich wendet der Flossbach von Storch Foundation defensive SI an. Das mehrfach von RenditeWerk zum Stiftungsfonds des Jahres gekürte Vehikel weist eine überzeugende Wertentwicklung auf und hat allein in den vergangenen fünf Jahren dreimal seinen Vergleichsindex geschlagen. Fondsmanager Elmar Peters verkauft Call- und Put-Optionen, das heißt, er versichert gegen steigende und fallende Kurse, verzichtet in stürmischen Auf- und Ab-Märkten auf Rendite, sammelt dafür aber in „normalen“ Börsenzeiten die Extrapunkte ein, die den Unterschied ausmachen.        

Einige Manager von Stiftungsfonds schielen jetzt auch auf Rendite durch Futures. Der Selection Rendite plus der Münchener Boutique Selection wendet ein Eichhörnchen-Model an, mit dem (auch durch Futures) laufend Teile der Bucherträge realisiert werden, dabei helfen auch Futures. Wie das geht, haben die Fondsmanager Jörg Scholl, vormals Gründungsgeschäftsführer von Hauck und Aufhäuser Asset Management und DWS-Fondsmanager sowie sein Kollege Claus Weber RenditeWerk verraten (Zum Artikel). 

Derivate sind sehr flexibel und sie binden wenig Kapital. Da sich die Geschäfte auf die Zukunft beziehen, müssen die Fonds nur Sicherheiten (Margin) bieten, um im Zweifel zahlen zu können. Wenn Call-Optionen (etwa auf BASF-Aktien) verkauft werden, denen (BASF-) Aktien im Bestand gegenüberstehen, ist so gut wie kein Kapital für die Optionen gebunden. Auch bei Put-Optionen muss nur ein kleiner Teil als Margin vorgehalten werden. Das bedeutet, die Rendite aus dem derivativen Engagement kommt immer on top, sie ersetzt oder verdrängt keine anderen Renditequellen wie Dividenden oder Mieten.

Der Trend der vergangenen Jahre und die Akzeptanz im Stiftungssektor zeigen klar: Die Renditequelle Prämien wird bedeutsamer. Dafür spricht zum einen die Zinsflaute und das Verlangen nach Alternativen. Zum anderen sorgen gesetzliche Planken dafür, dass Anleger keine Schocks zu fürchten haben. Die zumeist verwendete (OGAW)-Richtlinie deckelt den spekulativen Derivateeinsatz auf das Zweifache des Marktrisikos, das heißt, ein Aktienfonds darf nur den doppelten Wert des vorhandenen Aktienbestandes per Termin kaufen oder verkaufen.