Zwischen Boom und Korrektur
Von Alexander Späth, Leiter Portfoliomanagement/Research bei der KIDRON Vermögensverwaltung GmbH in Stuttgart
Dank der historisch niedrigen Zinsen war für viele Menschen seit 2009 der private Erwerb einer eigenen Immobilie plötzlich erreichbar. Die Wirtschaft florierte, die Arbeitslosenzahlen waren auf Rekordtief und die Jobunsicherheit kaum spürbar. Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie und der Einführung von Verwahrentgelt für Liquidität ab 2021 erfuhr die Nachfrage nach Immobilien einen weiteren Schub. Immer mehr Kapital floss in Mietobjekte – jedoch zu immer geringeren Renditen. Bundesweit verdoppelten sich zwischen 2010 und 2022 die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen, während die Inflationsrate im gleichen Zeitraum nur um 25 Prozent stieg.
Dann kam der Wendepunkt. Die Notenbanken, konfrontiert mit einer anhaltenden Inflation infolge der Corona-Krise und des Russland-Ukraine-Krieges, waren gezwungen, die Leitzinsen drastisch zu erhöhen. Für viele Privatpersonen wurde der Kauf einer eigenen Immobilie, insbesondere eines Hauses, aufgrund der hohen Zinsen unerschwinglich. Dennoch war der tatsächliche Rückgang auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt vergleichsweise moderat. Gemäß dem Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) gingen die Wohnimmobilienpreise seit dem Höchststand im zweiten Quartal 2022 um 8,4 Prozent zurück. Für viele Eigentümer kein Problem. Hatten sich doch die Preise in den vorangegangenen sieben bis zwölf Jahren mehr als verdoppelt.
Wie geht es weiter?
Solange sich die Finanzierungskonditionen nicht verbessern, staatliche Anreize für den Neubau geschaffen werden oder der Staat gar selbst in die Bauverantwortung geht, bleibt die Belastung für den Neubau erheblich.
Viele private Haushalte verabschieden sich aufgrund gestiegener Zinsen und unzureichender Preissenkungen oder erforderlicher energetischer Sanierungen vom Traum des Eigenheims und drängen stattdessen auf den Mietwohnungsmarkt. Der Wohnraummangel wird in den nächsten Jahren voraussichtlich massiv zunehmen, mit entsprechenden Auswirkungen auf Preise und Mieten.
Aktuell ist kein zusätzlicher Zinsdruck zu erwarten. Im Gegenteil. Der Markt geht von ersten Leitzinssenkungen im laufenden Jahr aus. Daher rechnen wir mit einer Entspannung bei den Refinanzierungskosten. Allerdings erwarten wir keine steigende Bautätigkeit im Jahr 2024.
Vielmehr werden die kontinuierliche Nachfrage und das vorhandene Unterangebot zu einer Stabilisierung der Preise führen. In diesem Jahr sollte bei Wohnimmobilien ein Boden bei den Preisrückgängen erreicht werden.
Die Mieten für Wohnungen dürften aufgrund des Ungleichgewichts weiter steigen. Dies liegt zum Teil daran, dass die hohen Mieten aufgrund des Zeitverzugs in den Mietspiegeln erst in den nächsten Quartalen vollständig zum Tragen kommen. Die hohe Inflation der letzten Jahre wird ebenfalls erst mit Zeitverzug in die Mietenentwicklung einfließen. Bei gesunkenen Preisen und höheren Mieten können so wieder vernünftige Renditen erzielt werden.
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