Zinswende beflügelt Value-Aktien auch 2023

Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds, über Aktien im aktuellen Zinsumfeld

Die meisten Anleger – vor allem die im Hightech-Sektor – verfluchen die allseits steigenden Zinsen. Wir nicht! Und das, obwohl wir reine Aktieninvestoren sind. Was vielleicht paradox erscheint, hat aber triftige Gründe. Denn gerade, weil die Zinsen wieder gestiegen sind, und wahrscheinlich noch eine ganze Weile auf hohem Niveau bleiben werden, spielt das unserem Anlagestil in die Hände. Denn wir sind Value-Investoren. Oder genauer gesagt, Deep-Value-Investoren.

In den vergangenen Jahren war es zwar nicht unmöglich, aber doch schwierig mit Value Performance zu generieren. 15 Jahre Underperformance von Value Investments wegen der Null- beziehungsweise Negativzinspolitik haben belastet. In der Vergangenheit hatten die Zentralbanken je nach Konjunkturerwartung nur den Geldmarktzins vorgegeben. Das hat sich mit den Ankaufprogrammen der Notenbanken geändert. Auch der Kapitalmarktzins wurde künstlich niedrig gehalten. Niedrige Zinsen begünstigen Wachstumsaktien, da zukünftige Gewinne kaum mehr abdiskontiert werden. Bei höheren Zinsen gilt aber: „Lieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.“

Die Inflationsspirale hat gerade erst begonnen

Das Inflations- und Zinsthema wird uns auch weiter begleiten, auch wenn die Inflationsraten zuletzt gesunken sind. Denn die Inflationsspirale hat unseres Erachtens gerade erst begonnen. So sind die Mindestlöhne in Deutschland um 25 Prozent gestiegen. Um den Abstand zum Mindestlohn zu halten, müssen Gewerkschaften für massive Lohnerhöhungen kämpfen. Hinzu kommt, dass die Globalisierung einer der Hauptfaktoren für die niedrigen Preissteigerungen war. Unternehmen haben Geschäftsaktivitäten in Länder mit günstigeren Löhnen verlagert oder sogar an andere Firmen in Billiglohnländern ausgegliedert. Jetzt haben diese Konzerne gemerkt, dass dies auch zu einem Bumerang werden kann. Aufgrund der Auslagerung hatten viele Unternehmen Probleme mit der rechtzeitigen Lieferung von Vorprodukten, was zu erheblichen Störungen in den Produktionsprozessen geführt hat. Ich glaube nicht, dass diese Unternehmen weiterhin ihr Outsourcing intensivieren werden, sondern im Gegenteil, dieses rückgängig machen und eher auf Vorprodukte setzen, die geografisch näher produziert werden und so in ihrer Einflusssphäre liegen. Beides führt dazu, dass die Kosten zugunsten der Liefersicherheit steigen werden. Von daher gehen wir nicht davon aus, dass die Inflation nur eine temporäre Erscheinung ist.

Value-Aktien bleiben weiterhin attraktiv

Das wiederum kommt unserem Value-Stil entgegen. Wie investieren wir? Nun, es gibt generell zwei Gründe in ein Unternehmen zu investieren. Entweder ist der Zerschlagungswert oder der Wert der zukünftigen abdiskontierten Erträge höher als der aktuelle Marktwert. Wir gehen in unserem Ansatz davon aus, dass wir das Unternehmen theoretisch besitzen, und als Eigentümer hat man zwei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit: Man schließt das Unternehmen, verkauft die Aktivseite der Bilanz und bedient die Schulden. Wenn der Überschuss höher ist als das Investment, ist es „schnell verdientes“ Geld. Dies macht jedoch nur Sinn bei Holding-Gesellschaften, deren Geschäftssparten keine Synergien haben, wie etwa bei den Abspaltungen von Siemens. Der zweite Grund: Man geht davon aus, dass der Barwert der zukünftigen Gewinne höher ist als der aktuelle Marktwert. Wir folgen jedoch nicht den gängigen Bewertungsmodellen. Die Modelle, die für die nächsten drei Jahre Gewinne prognostizieren und danach eine Steigerung in die Ewigkeit annehmen, lehnen wir ab. Diese Modelle könnten alles erklären. Aber nur eine kleine Änderung in der Gewinnsteigerung oder im Abzinsungsfaktor führen zu massiven Änderungen im Unternehmenswert und bergen daher ein gewisses Manipulationsrisiko. Wir schauen uns dagegen an, was ein Unternehmen in der Vergangenheit erwirtschaftet hat und überlegen, ob die historischen operativen Margen auch heute noch zu erreichen sind. Daraus errechnen wir die Gewinne, die ein Unternehmen mittelfristig erwirtschaften kann. Nebenbei, das ist nichts anderes als das, was Benjamin Graham schon 1949 vorgeschlagen hat. Ein paar Beispiele: Salzgitter hat zurzeit ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 1,7. Soll heißen: 60 Prozent der Investitionssumme ist allein von den derzeitigen Gewinnen gedeckt. Auch das französische Unternehmen Quadient, das im Bereich Postbearbeitungssysteme unterwegs ist, hat ein KGV von unter 6. Noch spannender wird es, wenn man auf den Wert des entschuldeten Unternehmens schaut, den sogenannten Enterprise Value. Der italienische Stahlwerk-Ausrüster Danieli besitzt eine Nettoliquidität, die höher ist als seine Marktkapitalisierung. Und das bei einem KGV von 8.

Der Contrarian Value Euroland Fonds: Die Nummer 1 in der Kategorie „Aktien Eurozone“ Unser Fonds ist in sogenannten Deep-Value-Unternehmen investiert. Die Titelselektion erfolgt stets nach bottom-up-Kriterien. Derzeit sind wir in Finanzwerten und Energie-Titeln übergewichtet, sowie Grundstoffen und zyklischen Konsumwerten. Insgesamt haben 22 der 32 Titel im Fonds ein Preis-Buchwert-Verhältnis von unter 1. Mit diesem Anlagestil wurden wir im Jahr 2022 in der Kategorie „Aktien Eurozone“ die Nummer 1 und deshalb auch mit dem „Fund Award 2023“ von Euro, Euro am Sonntag und Börse Online ausgezeichnet. Dabei konnte der Fonds einen Wertzuwachs von 2,8 Prozent erzielen. Und das als reiner Aktienfonds. Das konnten im vergangenen Jahr nicht viele Fonds von sich behaupten.