Wertloses Papier oder Spiegel der Wirtschaft?

Über die Geldpolitik wird viel gestritten. Das liegt auch am unterschiedlichen Verständnis vom Geld.

Die Neigung der Zentralbanken, der Politik und der internationalen Institutionen wie der Weltbank, jede Krise mit immer mehr Geld zu bekämpfen, hat gerade unter Deutschlands Ökonomen wenig Freunde. „Geld löst nicht die zugrunde liegenden Probleme, es verschafft einem nur Zeit“, heißt es immer wieder in Publikationen von Experten. Zeit, die die Politik umso weniger nutzt, je mehr sich der Glaube an die Heilungskraft der Geldpolitik verbreitet.

Die Befürworter der expansiven Geldpolitik pochen dagegen darauf, in einer von Deflation bedrohten Weltwirtschaft die (einmalige) Möglichkeit zu haben, mit niedrigen und immer niedrigeren Zinsen (dem Preis des Geldes) die wirtschaftliche Aktivität zu steuern, ohne den Wirtschaftsmotor durchdrehen zu lassen.

Hinter der Kontroverse stehen zwei ökonomische Schulen und ein unterschiedliches Verständnis von Geld. Die Skeptiker haben häufig ihre Wurzeln in der orthodoxen Wirtschaftstheorie, sie ist insbesondere in Deutschland verbreitet und hat dem modernen Kreditgeld nie ganz getraut und noch weniger den Institutionen, die es kontrollieren. Geld, so ihre intensive Warnung, ist ein Abbild der Wirtschaft. Wer glaubt, mit einer Geldschwemme Probleme lösen zu können, wird Inflation und eine Fehlsteuerung der realen Ressourcen, die sich zum Beispiel in einer Überschuldung künftiger Generationen äußert, ernten.

Die andere Position sieht sich häufig in der Tradition John Maynard Keynes, des britischen Ökonomen aus dem vorigen Jahrtausend. Für sie ist Geld zunächst nur Papier (oder eine Zahl in einer Bilanz). Wenn dieses an sich wertlose Papier helfen kann, ein Brachliegen der realen Ressourcen, also Arbeit, Maschinen oder Land, zu verhindern, dann sollte man es dafür einsetzen. Keynesianer betonen in aller Regel außerdem die prinzipielle Unsicherheit über die künftige Entwicklung der Wirtschaft. Deswegen, so ihr Credo, sollte die Politik eher kurz- oder maximal mittelfristig orientiert sein.

Wer Recht hat?

Prinzipiell berühren beide Positionen wichtige Punkte. Für Klassiker spricht deren Forderung, kurzfristige Politik in Einklang mit langfristigen Strategien zu bringen. Außerdem hatten in der Kapitalismus-Geschichte Gesellschaften weit häufiger mit Inflationen als mit Deflationen zu kämpfen.

Für die Keynesianer spricht, dass es letztlich die realen Ressourcen der Gesellschaft sind, die interessieren, und das die Geldpolitik mehr Freiheiten hat, je unwahrscheinlicher Inflation ist.

Tatsächlich wird keine der beiden Seiten für immer Recht behalten und die andere widerlegen können. Vielmehr gibt es wechselnde Phasen der Wirtschaft, die mal die Voraussetzungen für die eine und mal die für die andere Politik besser erscheinen lassen. Dass wir uns momentan eher in einer deflationären Phase befinden, scheint unbestritten. Dass sich irgendwann die Inflation wieder melden wird, ebenso.

Und was das für Stiftungen bedeutet?

  1. Sich nur auf die eine oder andere Seite zu schlagen und die Analyse entweder klassisch oder keynesianisch auszulegen, scheint nicht optimal. Das sollte auch bei der Abfassung der Anlagerichtlinien beachtet werden.
  2. Auch Stiftungsvermögen sollte in Erwartung sich ändernder makroökonomischer Bedingungen von Zeit zu Zeit umgeschichtet werden. Keine aktuell auch noch so erfolgreiche Strategie wird auf Dauer überdurchschnittliche Erträge bringen.
  3. Momentan spricht trotz Corona wenig für ein Anspringen von Inflation und Zinsen. Bestimmte Anlagen wie Gold oder inflationsgeschützte Anleihen drängen sich deshalb aus meiner Sicht noch nicht auf.