Wer zu spät kommt …

Dr. Elmar Peine

Für einen Einstieg in Aktien könnte es momentan eher ein gefährlicher Moment sein.

RenditeWerk plädiert seit Jahren für eine Anhebung der Aktienquote in Stiftungsvermögen. Tatsächlich hat sich auch Einiges getan. Aus unseren jährlichen Umfragen zum Stiftungsvermögen geht zumindest hervor, dass sich die Zahl der Stiftungen, die überhaupt Aktien im Depot haben, in den vergangenen Jahren erheblich (von 50% 2016 bis auf 64% 2019) erhöht hat.

Momentan scheint Vielen ein guter Zeitpunkt zu sein, nochmals draufzulegen oder jetzt in Aktien einzusteigen. Anleihen versprechen wie gehabt kaum noch Zinsen, Aktienkurse trotzen seit Monaten Widrigkeiten wie Covid, dem Brexit oder dem US-Chaos. Und schließlich, was ist verführerischer als eine steil ansteigende Kursentwicklung, die viele Aktien (und Fonds) insbesondere im Nachhaltigkeitsbereich wie der Wasserstoffbranche momentan vorweisen können?

Dazu scheint die momentan herrschende Meinung der Wissenschaft zu passen. Die folgert, dass die Kurse durchaus noch weiter steigen könnten. Die Begründung geht vom Nullzins aus. Bei einem Zins von null, also einem Zustand, in dem Geld(kapital) nicht knapp ist, werden die Werte aller Vermögensgüter so steigen, dass deren Renditen (abgesehen vom Risikoaspekt) ebenfalls gen Null streben. Bislang sind Dividendenrenditen (im Fall der Aktien) und Mietrenditen (bei Immobilien) aber davon noch ein ganzes Stück entfernt. Also könnten die Kurse noch in ungeahnte Höhen steigen.

Doch Vorsicht, auch und besonders auf Finanzmärkten gilt, dass bestraft wird, wer zu spät kommt. Und die fantastischen Kurssteigerungen etwa der Wasserstoffaktien, machen Experten mittlerweile eher vorsichtig. Die Aktie des US-Marktführers Plug Power zum Beispiel hat in 2020 um über 1000 Prozent zugelegt, nachdem in vielen Staaten Wasserstoffinitiativen gestartet wurden. Zuletzt kam noch einmal ein Schub, als eine Kooperation mit Renault öffentlich wurde. Jetzt hat die Firma einen Börsenwert von rund 20 Milliarden Euro, nicht schlecht für ein Unternehmen, das nach wie vor Verluste einfährt und 2020 einen Umsatz von kaum mehr als einem Prozent des Börsenwertes vorzuweisen haben wird. Ich weiß, so oder so ähnlich haben Leute auch bei Google oder Amazon geredet und dann übertrafen deren Wertentwicklungen doch alle Voraussagen bei Weitem. Aber so viele Amazons und Googles gibt es nicht auf dieser Welt.

Bulle & Bär auf Aktienkursen

Außerdem lehrt die Erfahrung, dass jeder mal auf den Märkten Recht kriegt und es gibt auch die Fraktion der Skeptiker unter den Experten. Sie befürchten seit langem Schlimmes, auch ausgehend vom Zins. Sie sind der Ansicht, dass die Notenbanken mit ihren Geldfluten den Zins unnatürlich nach unten gedrückt haben und damit Unternehmen am Leben erhalten, die längst geschlossen sein sollten. Da mit steigenden Zinsen das Kartenhaus dieser Zombie-Unternehmen sofort zusammenbrechen würde, müssen die Notenbanken den Weg in die Katastrophe immer weiter gehen, die Zinsen mit immer mehr Geld künstlich niedrig halten, bis alles ausgehend von einer Bankenkrise zusammenkrachen wird. Das viel zu viele Geld bläht schon seit einigen Jahren die Aktienkurse auf und angesichts der Schwierigkeiten der Banken könnte es schon bald zur großen Bereinigungskrise kommen.

Die Zeit wird zeigen, wer (wann) Recht hat, wie weit die Kurse noch steigen (oder sinken), aber unabhängig, ob man der ein oder anderen Meinung anhängt, empfiehlt es sich jetzt mehr denn je den Einstieg schrittweise und mit Sicherungslinien zu vollziehen.