Wenn explodierende Bewertungen keine Rolle mehr spielen

Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds, über ETFs vs. gemanagte Fonds und die Risiken und Chancen der beiden Anlageformen.

Der Streit, ob ein ETF oder ein gemanagter Fonds das bessere Anlagevehikel sei, ist so alt wie der erste ETF. Dieser erblickte am 9. März 1990 das Licht der Welt, als der „Toronto 35 Index Participation Fund“, bekannt als TIPs, an der Börse im kanadischen Toronto gelistet wurde. Seitdem reißen die Diskussionen für und gegen die Exchange Traded Funds nicht ab.

Es gibt viele Gründe, warum Anleger in ETFs investieren. Sie bieten eine Vielzahl von Vorteilen, die es wert sind, näher betrachtet zu werden.

Einer der wichtigsten Vorteile von ETFs ist ihre breite Diversifizierung. Durch die Anlage in ETFs können Anleger in eine Reihe von Vermögenswerten investieren, darunter in verschiedene Unternehmen, Branchen und Länder. Dies verringert das Risiko, das mit der Anlage in einzelne Aktien verbunden ist, und ermöglicht es den Anlegern, von der Diversifizierung zu profitieren, ohne mehrere Aktien verwalten zu müssen.

Ein weiterer Vorteil von ETFs ist ihre Kosteneffizienz. ETFs haben niedrigere Gebühren als aktiv verwaltete Fonds, da sie keine Analysten und Fondsmanager benötigen. ETFs sind auch in hohem Maße liquide. Sie können jederzeit an Börsen gehandelt werden, was den Anlegern ermöglicht, ihre Positionen in ETFs schnell und einfach zu ändern. Schließlich ist die Transparenz ein weiteres attraktives Merkmal von ETFs. Die Anleger können sich jederzeit einen Überblick über die Zusammensetzung des Portfolios und die Anlagestrategie des ETF verschaffen.

Gefahr von Blasenbildungen

Die Investition in ETFs scheint eine unkomplizierte, transparente und kostengünstige Option zu sein, aber sie birgt auch einige versteckte Gefahren.

Das weltweit verwaltete ETF-Vermögen von ungefähr 10 Billionen US-Dollar ist zu einer mächtigen Kraft geworden, die Marktschwankungen verursacht. ETFs folgen der Zusammensetzung von Indizes und investieren blind in die Aktien, aus denen sich der Index zusammensetzt. Das heißt, wenn Anleger ETFs kaufen, investieren sie einen Großteil ihres Geldes in einflussreiche Giganten innerhalb des Index. Im DAX-Index beispielsweise machen Schwergewichte wie SAP, Deutsche Telekom und Siemens sage und schreibe 25% aus, und selbst der MSCI World-Index besteht zu 15% aus Apple, Amazon und Microsoft.

Das mag auf den ersten Blick harmlos erscheinen, kann aber zu einem gefährlichen Szenario führen. Aufgrund guter Performance in der Vergangenheit haben diese Unternehmen eine hohe Indexgewichtung, und nur deswegen fließt in diese Aktien vermehrt weiteres Geld – unabhängig von ihren Fundamentaldaten oder Bewertungen. Dies kann die Preise dieser Unternehmen auf ein unhaltbares Niveau ansteigen lassen und damit den Boden für eine Blasenbildung bereiten. Die Gefahr liegt natürlich nicht im Zufluss von Geld, sondern besteht insbesondere bei einem potenziellen Abfluss. Wenn sich Anleger aus börsengehandelten Fonds zurückziehen, kann dies eine Kettenreaktion auslösen, die zu einem raschen Preisverfall führt. 

Marktkonzentration auf wenige Werte erleichtert die Suche nach unterbewerteten Titeln

Als aktiver fundamental orientierter Fondsmanager sehen wir das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Das weinende beklagt, dass man nicht dabei ist, wenn Kurse explodieren. Das lachende sieht jedoch genau: Abseits vom Mainstream findet man durch die Konzentration auf die Großen jede Menge Kaufgelegenheiten, die nicht von diesem Effekt betroffen sind und um die sich kaum jemand kümmert. Unsere Fondsinvestments beim Kaffeemaschinenhersteller De Longhi oder beim italienischen Automobilzulieferer Sogefi können hier als Beispiele genannt werden. Sogefi hat ein Patent auf großflächige Kühler, die vor allem in vielen Elektroautos zum Einsatz kommen. Auch KSB aus Deutschland, einer der größten Pumpenhersteller weltweit, passt in diese Kategorie.

Und zum Schluss noch ein Wort zum Kontrahentenrisiko: Anleger, die Bankaktien aufgrund ihres Risikos meiden, sollten überlegen, ob Swap-ETFs für sie die richtige Anlageform sind. Diese ETFs können zwar einen Index möglichst genau replizieren, da der Referenzindex über eine synthetische Swap-Transaktion mit einem Finanzinstitut nachgebildet wird. Die Bank garantiert jedoch lediglich die möglichen Gewinne des Index, wobei dieses Tauschgeschäft zu einem so genannten Gegenparteirisiko führt, da das Portefeuille nicht durch ein echtes Aktienportfolio, also physische Aktien, unterlegt ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen: ETFs bieten zahlreiche Vorteile wie eine breite Diversifizierung, Kosteneffizienz, Liquidität und Transparenz. Allerdings müssen sich Anleger auch der potenziellen Gefahren bewusst sein. Das weltweit verwaltete ETF-Vermögen ist signifikant und investiert starr. Dies birgt die Gefahr der Blasenbildung – einer Marktkonzentration auf wenige Aktien. Aktive Fondsmanager hingegen können auch Kaufgelegenheiten bei unterbewerteten Aktien finden, da sie mehr Möglichkeiten bei der Titelauswahl und Flexibilität in der Portfoliozusammensetzung haben.