„Wehrt euch, beschwert euch!“

Christian Exner, Mitglied im Fondsberater-Team des Grönemeyer Gesundheitsfonds Nachhaltig, über notwendige Reformen in der gesundheitlichen Versorgung. 

Jedes Jahr werden Milliarden für die Gesundheitsvorsorge der Menschen aufgebracht. In Deutschland waren es im Jahr 2020 mehr als 7,600 Euro pro Person. Vom Baby bis zum Hundertjährigen. Tendenz weiter steigend. Die Pharma- und Biotech-Branche stecken jährlich mehr als 50 Milliarden US-Dollar in die Forschung, um immer neue Medikamente zu entwickeln und technologische Fortschritte zu ermöglichen. Es wird viel investiert, um dem Menschen seine Gesundheit zu erhalten. Doch: was nutzt aller Fortschritt, wenn die Versorgung nicht vernünftig funktioniert. Wenn also die Medikamente und Technologien nicht an den Patienten gelangen? Hier liegt noch Vieles im Argen.

Das gilt etwa in den USA, wo nicht alle Menschen krankenversichert sind. Da kostet eine Behandlung schon mal viele Tausend Dollar, die sich aber nur die Wenigsten leisten können. In Spanien protestieren Ärzte und Pflegepersonal für eine Reform des notleidenden Gesundheitssystem. Und bei uns in Deutschland? Nun, da sieht es in vielen Bereichen nicht besser aus. Vor allem als Kassenpatient. Als solcher einen Termin bei einem Arzt zu bekommen? Sehr schwierig. Und bei einem Facharzt? Noch schwieriger, wenn man nicht gerade Wochen oder gar Monate Zeit hat.

Plädoyer für eine neue medizinische Versorgung 

„Das ist ein absolutes Unding“, findet Prof. Dr. med. Dietrich Grönemeyer, Initiator und Namensgeber unseres Grönemeyer Gesundheitsfonds Nachhaltig. Prof. Grönemeyer ist selbst Arzt – und überzeugter Kassenpatient. „Wir als Patienten wissen nicht mehr, an wen wir uns wenden sollen und können, in diesem Dschungel“, beklagt Prof. Grönemeyer. Als ersten Schritt schlägt er vor: „Wir brauchen einen Arzt, der uns möglichst schon von Kindesbeinen an kennt, der weiß, was mit einem los ist. Wenn der Haussegen schief hängt, aber auch, wenn sich ein Tumor anbahnt. Und dieser Arzt muss anständig entlohnt werden. Nicht mit 50 Euro im Quartal.“ In seinem jüngst erschienen Buch „Medizin verändern!“ macht der Arzt und Publizist kreative und konkrete Vorschläge, wie das System verändert werden sollte: „Mit einer Neuordnung der Kranken­versicherung lässt sich die Ungleichheit zwischen privat und gesetzlich versicherten Menschen aufheben. Daher wäre eine ‚PrivaSetzliche‘-Versicherung – gesetzlich grundversichert und privat zusatzversichert, etwa mit einer Pflegeversicherung – eine sinnvolle Alternative.“ Andererseits erwartet er auch von den Patienten, dass sie etwas für sich selbst tun. „Medizin heißt auch Fitness, Ernährung, Lebensqualität, die Vernetzung von Gesundheitszentren, kliniknahe Altenpflege, ambulante Reha- und Psychiatrie-Einrichtungen. Das ist eine gesundheitsfördernde Einheit. Dazu kann der Patient seinen Teil durch Fitness beitragen.“

Prinzipien, die sich im Grönemeyer Gesundheitsfonds Nachhaltig widerspiegeln

Das, was Prof. Grönemeyer vom medizinischen System fordert, spiegelt sich auch in unserem Fonds wider. Aus Überzeugung legen wir sehr großen Wert darauf, dass wir in Unternehmen investieren, die Medizin allen Menschen zugänglich machen und ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, indem sie Medikamente zu teuer verkaufen, so dass sie nicht für alle erschwinglich sind. Deshalb hat etwa Novo Nordisk auch keinen Platz in unserem Portfolio. Außerdem investieren wir in Unternehmen, die Menschen fit halten wie etwa das US-Unternehmen Tivity Health, oder auch in gesunde Ernährung über das holländische Unternehmen Koninklijke DSM oder Sprouts Farmers Markets aus den USA, damit jeder einzelne seinen Teil zur eigenen Gesundheit beitragen kann. Und last but not least: Es finden nur solche Unternehmen Eingang ins Portfolio unseres Fonds, die ihre Mitarbeiter gut behandeln und fair bezahlen („S“ in ESG). 

Bleibt die Frage: Was können Kassenpatienten tun, wenn sie mal wieder abgewimmelt werden? Auch hier hat Prof. Grönemeyer einen Rat: „Beim Arzt seines Vertrauens nachfragen. Oder sich bei der Krankenkasse beschweren, schließlich sind wir ja die Versicherten bei einer Kasse. Also: Sich wehren und beschweren!“ Nur miteinander könne man auf Dauer das System verändern: „Die Menschen verlieren sonst das Vertrauen. Aber nicht nur die Patienten, sondern auch die Mitarbeiter wie Pflegerinnen und Pfleger und zum Teil auch die Ärzte selbst.“