„Viele Banken kommen besser als befürchtet durch die Krise!“

Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds, zu den Aussichten von europäischen Bankaktien

Der Konjunkturabschwung ist Realität. Damit rücken auch die Risiken der Banken immer mehr in den Blick, insbesondere das Ausmaß der drohenden Kreditausfälle. Diese können die Eigenkapitalbasis der Institute belasten, sie zu einer geringeren Kreditvergabe zwingen und so die Abwärtsspirale der Wirtschaft verstärken. Das könnte zu einem Sturm von gehörigem Ausmaß führen. Warum wir trotzdem bei Banken und generell bei Financials übergewichtet sind, hat mehrere Gründe: Zum einen sind Europas Banken besser aufgestellt als in der letzten Krise, dann sprechen die Bewertungen für Financials und nicht zuletzt die steigenden Zinsen. Aber der Reihe nach.

Die Rahmenbedingungen für Banken sind sehr viel besser als in der letzten Krise

Zunächst zu den Rahmenbedingungen. Die Banken im STOXX 600 Banken-Index entwickelten sich seit Jahresbeginn mit einem Minus von 9,3 Prozent rund neun Prozentpunkte besser als der breite Markt. Trotz der niedrigen erwarteten KGV-Bewertung von 6,7 – die 36 Prozent unter dem Mittel der vergangenen 20 Jahre liegt – misstrauen Investoren dem Sektor.[nbsp]Eine Börsenweisheit besagt schließlich, Kreditinstitute niemals in eine Rezession hineinzukaufen. Dies könnte im aktuellen Umfeld aber trügerisch sein.[nbsp]In den vergangen drei Monaten schraubten Analysten ihre Gewinnerwartungen für das laufende Jahr sowie für 2023 deutlich nach oben, um 8,8 beziehungsweise 5,3 Prozent. Grund dafür ist die Erwartung steigender Zinsen, die auf 6,2 Billionen Euro Einlagen anfallen und den Umsatz der Banken um rund 160 Milliarden Euro steigern werden. Gleichzeitig sind die Banken für einen Abschwung besser gewappnet als in der Vergangenheit. Wie die Deutsche Bank errechnete, liegt der Anteil notleidender Kredite Im Vergleich zu 2009 etwa 70 Prozent niedriger, während die harte Kernkapitalquote mit 15 Prozent sechs Prozentpunkte höher liegt. Zudem dürften die jetzt startenden Fiskalpakete in den Ländern der Eurozone dazu führen, dass eine richtig tiefe Rezession ausbleibt und die Kreditausfälle sich in Grenzen halten. Wir sind mit unserem „Contrarian Value Euroland Fonds“ vor allem in west- und nordeuropäische Banken und Versicherungen investiert, weil diese sich im Vergleich zu den südeuropäischen Instituten in den letzten Jahren „wetterfest“ aufgestellt haben, und so für die kommenden stürmischen Zeiten besser aufgestellt sind.

Die Bewertungen sind so niedrig wie seit Jahren nicht mehr

Dann die Bewertungen. Wir suchen als Value Investoren immer nach günstig, oder besser noch unterbewerteten Aktien. Und viele Banken in Euroland sind eindeutig unterbewertet. Nur mal zwei Beispiele: So hat die Deutsche Bank ein 2023er KGV von etwa 4,3. Und das Kurs-Buchwert-Verhältnis liegt bei rund 0,3. Das ist sehr günstig. Und bei BNP Paribas liegt das erwartete KGV bei unter 3, während das KBV bei rund 0,8 liegt.

Hohe und weiter steigende Zinsen beflügeln das Geschäft

Kommen wir zu den Zinsen. Es besteht eine hohe Korrelation zwischen Zinsentwicklung und der Performance von Bankaktien. Das hat die Vergangenheit gezeigt. Doch aktuell befürchtet der Markt, dass noch aggressivere Zinsschritte der EZB die Konjunktur zu sehr abwürgen könnten. Der Markt preist also bei Banken bereits das Worst-Case-Szenario ein. Die Begründung: Was nützen hohe Zinsen, wenn Kunden als Folge einer Rezession arbeitslos werden und dann ihre Kredite nicht mehr bedienen können. Das war etwa in den 70er-Jahren der Fall, als durch die Ölkrise die Inflation stieg, in der Folge die Zinsen erhöht wurden – mit entsprechenden Negativ-Folgen für das Wachstum. Damals verloren viele Menschen ihre Jobs verloren.[nbsp]

„Schrammen ja, aber keine schlimmen Wunden“

Doch wir gehen davon aus, dass Bankaktien zu den wenigen unmittelbaren Profiteuren einer strafferen Geldpolitik gehören. Über viele Jahre hinweg litten die Banken unter Null- und Minuszinsen. Entsprechend schwach verlief die Kursentwicklung. Jetzt, wo die Zinsen wieder anziehen, sollte sich doch eigentlich der Trend umkehren. Klar, auch die Banken werden in der anstehenden Rezessionsmonaten leiden. Sie werden unserer Ansicht nach aber nur „Schrammen abbekommen“, aber keine schlimmen Verletzungen davontragen. Dazu haben sie sich in den vergangenen einfach zu gut aufgestellt.

Der Autor: Hans Peter Schupp ist Vorstand der FIDECUM AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds