Stiftungen nicht ganz unzufrieden mit Börsenjahr 2022

Alljährlich macht RenditeWerk eine Umfrage zur Vermögensentwicklung. Wir fragen, wie zufrieden die Verantwortlichen insgesamt mit der Entwicklung sind, wie sie das Stiftungsvermögen aufteilten, welche Ergebnisse sie erzielten und welche Änderungen sie planen. Wir waren überrascht, dass die Stiftungen über die Entwicklung 2022, die in den allermeisten Fällen alles andere als erfreulich gewesen ist, gar nicht so unzufrieden waren, wie man es hätte erwarten dürfen.

Das Börsenjahr 2022

In diesem Jahr beteiligten sich 50 Stiftungen an der Umfrage. Wenn man bedenkt, dass niemand gerne über schlechte Ergebnisse redet, halten wir das für einen guten Wert. Die uns gemeldeten Ergebnisse 2022 sehen wirklich nicht gut aus. 16% der Stiftungen beklagten mehr als zehn Prozent an Verlusten, 42% berichteten über „leichte Verluste (von 5% bis 10%). Jeweils zehn Stiftungen berichten über eine Null oder leichte Gewinne und nur eine einzige Stiftung gab an, mehr als zehn Prozent gewonnen zu haben. Dass sich angesichts dieser Zahlen fünf Stiftungen, also immerhin zehn Prozent der Befragten „sehr zufrieden“ (2022: 47%) und 14 Stiftungen „etwas zufrieden“ (2022: 25%) zeigten, überrascht. Auch eine Organisation aus dem genossenschaftlichen Umfeld zeigte sich trotz eines leichten Verlustes „sehr zufrieden“: „Eine solche Situation an den Kapitalmärkten – sowohl Anleihen als auch Aktien gingen massiv runter, sonst hat sich das immer mehr oder weniger ausgeglichen – hat es seit über 50 Jahren nicht gegeben. Da kann man nicht gewinnen.“ Während Anleihen auf ganzer Front verloren, gab es auf der Aktienseite wenigstens noch einige Gewinner. Tatsächlich unterscheiden sich die „sehr zufriedenen“ Stiftungen mit ihrem Anlageverhalten deutlich vom Durchschnitt. Bei den „sehr Zufriedenen“ (10%) und den „Zufriedenen“ (28%) fand sich nur jeweils eine Stiftung, die ihr Vermögen 2022 standardmäßig zu mindestens 70 Prozent auf Anleihen und zu maximal 30 Prozent auf Aktien anlegte. Alle anderen Stiftungen dieses „Zufriedenheitsclusters“ gaben an, einen höheren Aktienanteil zu haben. Alle fünf hatten übrigens Aktien, in der Gesamtgruppe liegt der Anteil derjenigen Stiftungen, die Aktien halten, aktuell immerhin bei 82% der Befragten. Vor einem Jahr lag dieser Wert noch bei 69 Prozent, 2017 waren es gar nur 50 Prozent der Stiftungen, die Aktieninvestments tätigten.

Überdurchschnittlich war unter den sehr zufriedenen Stiftungen auch der Teil, der Immobilien besaß: Vier von fünf (also 80%) der sehr zufriedenen Stiftungen sind demnach in Immobilien investiert. In der Gesamtschau waren es dagegen „nur“ 53 Prozent der Stiftungen, die 2022 Immobilien hielten. In der einjährigen Perspektive stagniert der Immo-Anteil übrigens, 2021 hatte er 56 Prozent betragen. 2017 waren es allerdings nach unseren Zahlen erst 33 Prozent, die Häuser etc. besaßen. Dagegen hatte der Anteil von Stiftungsfonds nach unseren Zahlen offenbar keinen Einfluss auf den Zufriedenheitsgrad, nachdem in der Gesamtheit und in der Gruppe der mehr oder minder Zufriedenen ungefähr 40 Prozent der Stiftungen die für sie bestimmten „Stiftungsfonds“, die übrigens meistens der „70 (Anleihen)/30 (Aktien)-Strategie“ folgen, halten.

70/30 ist erkennbar für immer weniger Stiftungen die Richtschnur der Vermögensklassenaufteilung. Nur zehn der 50 befragten Stiftungen folgen ihr noch.  Eine Organisation aus Frankfurt, die sich um das Thema Tierschutz verdient macht, stellt sogar den Ansatz einer vorgegebenen Asset-Klassen-Aufteilung ganz in Frage: „Mehr denn je kommt es für uns nicht auf den generellen Blick auf eine gesamte Anlageklasse (z.B. Aktien, Anleihen, Immobilien etc.) an, weswegen wir auch niemals über sog. Anlagerichtlinien verfügen, sondern unverändert auf die sorgfältige Betrachtung jeder einzelnen Anlage (egal, ob Aktienfonds oder Anleihen…).“  

Eine andere Stiftung differenzierte zwischen Wertentwicklung und Ausschüttung. Sie beurteilte die Wertentwicklung ihrer Anlage „durchwachsen, aber durch unsere breite Streuung haben wir trotzdem vernünftige Ausschüttungen erhalten.“

Welche Änderungen planen die Stiftungen für 2023?

Die größte Gruppe, nämlich 46% der Stiftungen, präferiert weiter eine Politik der ruhigen Hand und plant keine Änderungen für 2023. Dahinter bleibt das Thema Nachhaltigkeit prominent. Nachdem 31 Prozent der Stiftungen für 2021 einen Aufbau dieser Vermögensklasse geplant hatten und 2022 noch 23 Prozent, bleibt das Thema auch heuer mit 14 Prozent prominent, wenn die Dynamik auch ein wenig zu verfliegen scheint. Gegenüber dem Jahr 2022 (20%) hat auch der Aktienzukauf-Plan etwas an Schwung (2023: 18%) verloren; gemessen an den Plänen für 2021 (13%) darf man aber mit weiterer Nachfrage aus dem Stiftungssektor für Aktien rechnen. Interessant ist das Verhalten der Stiftungen zu Anleihen und Immobilien. Bei den Anleihen zeigt sich deutlich eine geteilte Meinung. Während für einige Stiftungen das Thema Anleihen weiter an Bedeutung verliert, scheint bei anderen eine Renaissance anzustehen („Rentenquote wird wieder aufgebaut auf etwa 30 %, kurze Laufzeiten.“). In Zahlen: 10 Prozent wollen ihre Anleihenanteile senken und 16 Prozent wollen sie ausbauen. Bei Immobilien ist die Richtung eindeutiger: Während nur vier Prozent den Anteil senken wollen, planen 16% einen Ausbau.

Fazit

Das Fazit unserer diesjährigen Befragung fällt verhalten aus. Auf die überwiegend schlechten Ergebnisse 2022 bleibt eine radikale korrigierende Reaktion aus. Die meisten der längerfristigen Trends scheinen stabil zu halten. War 2022 nur eine Ausnahme? Eine Stiftung aus Baden-Württemberg scheint es so zu sehen: „2022 war für uns kein dramatisches Jahr. Für 2023 haben wir aber größere Erwartungen.“