Stiftungen in Deutschland in Zahlen und Schaubildern
Studie des Bundesverbandes: „Zahlen, Daten, Fakten zum deutschen Stiftungswesen“
An Silvester 2020 gab es genau 23.876 rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts in Deutschland, das sind 29 Stiftungen pro 100.000 Einwohner oder 3448 Einwohner pro Stiftung. Die Stiftungen sind auf die administrativen Einheiten in Deutschland ungleich verteilt. Differenziert man nach Bundesländern, dann liegt Hamburg mit 78,7 Stiftungen pro 100.000 Einwohner vorne, gefolgt von Bremen (49,5) und Hessen (36,8). Dass die hanseatischen Stadtstaaten vor den Flächenländern liegen, ist in Anbetracht ihres Rufs, Stiftungshochburgen zu sein, kaum verwunderlich. Überraschender dürfte vielleicht eher der Umstand sein, dass es noch höhere urbane Hochburgen gibt – denn im Ranking der Großstädte liegen nicht die beiden Hansestädte ganz vorne. Vielmehr führt in dieser Rangordnung Darmstadt (152) vor Würzburg (101) und Oldenburg (85). Hamburg folgt erst auf Platz 5, nach Frankfurt am Main (82), vor Stuttgart (78).
Erfreulich ist die zeitliche Dynamik im Stiftungswesen: sie zeigt in den letzten beiden Jahrzehnten kontinuierlich nach oben. Waren vor 20 Jahren, also 2001, noch 10.503 Stiftungen in Deutschland registriert, waren es 2011 bereits 18.946 und 2020 dann, wie eingangs gesagt, 23.876 Stiftungen. Offenbar war das Wachstum im ersten Jahrzehnt des neuen Milleniums – oder Säkulums, wenn man es etwas bescheidener haben möchte – geringfügig kräftiger als im zweiten Jahrzehnt.
Diese Angaben haben wir einer neuen Studie mit dem Titel „Zahlen, Daten, Fakten zum deutschen Stiftungswesen“ entnommen. Der Hauptteil der Studie präsentierte die Ergebnisse von Stiftungsbefragungen und Datenbanken insbesondere des Bundesverbands Deutscher Stiftungen zu Organisation, Struktur und auch Geldanlage. Erstellt und online gestellt wurde die 53 Seiten dicke Untersuchung vom Bundesverband Deutscher Stiftungen (Link zur Studie siehe am Ende dieses Artikels). Wir möchten an dieser Stelle einige Ergebnisse präsentieren, beschränken uns dabei jedoch auf den Themenkomplex Vermögen und Geldanlage.
Stiftungskapital
Beginnen wir mit dem Stiftungskapital. „Über 80 Prozent der Stiftungen werden mit weniger als 1 Million Euro Kapital errichtet“, lautet ein Befund der Studie. Es geht also um das Kapital zum Zeitpunkt der Errichtung, nicht um das Vermögen zum Zeitpunkt der Befragung. Weiter aufgeschlüsselt hatten 36,6 Prozent der Stiftungen ein Kapital bei Gründung von weniger als 100.000 Euro. 46,4 Prozent konnten ein Volumen zwischen 100.000 Euro und 1 Mio. Euro. einbringen. Und 2,9 Prozent hatten zum Startzeitpunkt 10 Mio. Euro zur Verfügung.
Beim Vermögen zum Zeitpunkt der aktuellen Befragung ist die Verteilung etwas nach oben verschoben. Diese Tendenz sollte man auch erwarten, wenn man davon ausgeht, dass Stiftungen ihr Kapital nicht nur erhalten, sondern im Laufe der Zeit auch etwas vermehren. Jedenfalls resümieren die Studienautoren: „Knapp zwei Drittel der Stiftungen haben weniger als 1 Million Euro Stiftungskapital“. Das ist weniger als die 80 Prozent bei Errichtung. Blickt man differenzierter auf die Verteilung, dann befinden sich in der Gruppe bis 100.000 Euro 16,7 Prozent der Stiftungen, in der Gruppe zwischen 0,1 und 1 Mio. sind 46,4 Prozent der Stiftungen; über 1 bis 10 Mio. Kapital verfügen 29 Prozent; und über 10 Mio. Euro können 7,8 Prozent der Stiftungen als Kapital verbuchen.
Auch im Hinblick auf die Stiftungsgröße gibt es starke regionale Unterschiede. Der prozentuale Anteil der Stiftungen mit einem Kapital von über 10 Mio. ist auf Bundesländerebene in Hamburg (14,7%) am höchsten, gefolgt von Thüringen (11,3%) und Hessen (11,1%). Der Prozentsatz von Stiftungen mit einem Kapital von unter 100.000 Euro ist hingegen in Brandenburg (36,7%) am höchsten, gefolgt von Sachsen (32,1%) und Sachsen-Anhalt (26,7%). Darin kommt eine deutlich West-Ost-Differenz bei der Größe des Stiftungskapitals zum Ausdruck.
Zum Thema „Geld“ stellte der Bundesverband Fragen zu den drei Teilbereichen Anlagerichtlinien, Anlageklassen und Einnahmen bzw. Ausgaben.
Anlagerichtlinien
Anlagerichtlinien sind für Stiftungen in jedem Fall zu empfehlen; sie zwingen zu einem mehr expliziten, kontrollierenden, reflektierenden, lernermöglichenden Umgang mit den grundlegenden Fragen der eigenen Geldanlage in einem gesamtstrategischen Rahmen. Das ist nicht zuletzt deshalb erforderlich, weil sich das Umfeld der Geldanlage auch für Stiftungen erschwerend verändert hat, weil auch Stiftungen mehr ins Risiko gehen müssen, weil auch für Stiftungen die Anzahl von Anlageoptionen zunimmt, weil sich damit auch für Stiftungen die Wahrscheinlichkeit von Zielkonflikten und des Zwangs, auf veränderte Finanzsituationen reagieren zu müssen, erhöht. Das alles sollte nicht allein aus dem Bauch heraus entschieden werden – obwohl auch der Bauch seinen rechtmäßigen Platz bei Geldanlageentscheidungen haben kann. Aber der Bauch ist eben nicht das spezifische menschliche Reflexionsorgan.
Daher verwundert es ein wenig, dass nur 68,4 Prozent der befragten Stiftungen eine Anlagerichtlinie erstellten. Erwartungsgemäß ist bei einem Anlagevolumen von unter 1 Mio. Euro der Anteil von Stiftungen mit Anlagerichtlinie mit 56,8 Prozent kleiner als bei der Gruppe mit über 1 Mio. Stiftungskapital. Dort sind es 82,1 Prozent. Anders formuliert. 17,9 Prozent haben hier keine Anlagerichtlinie. Das sind unseres Erachtens 17,9 Prozent zu viel.
Vermögensklassen
Eine auch für die Rendite sehr wichtige Frage ist die nach den Vermögensklassen: In welche Anlageklassen investieren die – etwa im Vergleich mit den nordamerikanischen als konservativ-defensiv geltenden – deutschen Stiftungen? Am weitesten verbreitet ist die Geldanlage in Fonds: in diese Vehikel legen 54,3 Prozent der antwortenden Stiftungen an. Knapp dahinter rangiert Festgeld, das 51,6 Prozent als Anlageform nutzen. In Immobilien investieren knapp 30 Prozent der Stiftungen. Es folgen Aktien mit rund 22 Prozent, Unternehmensanleihen mit 19,9 Prozent, Unternehmensbeteiligungen mit 12,7 Prozent, Staatsanleihen mit 8,6 Prozent, Sammlungen mit 3,4 Prozent sowie Sonstige mit 9,2 Prozent. Wenn nicht alles täuscht, beziehen sich die beiden klassischen Assetklassen „Aktien“ und „Anleihen“ auf Einzeltitel. Stiftungen können in diese Assetklassen jedoch auch über Fonds investieren. Das würde dann aber bedeuten, dass die Zahl der Stiftungen, die direkt oder / und indirekt in Aktien und Anleihen investieren, deutlich höher ist.
Gefragt wurden die Stiftungen auch, ob sie schon einmal außerhalb von Anleihen- und Aktienmärkten investierten. Die Frage beantwortete fast die Hälfte mit „nein“: 48,4 Prozent haben noch nie außerhalb dieser beiden Assetklassen angelegt. Von denen, die dies taten, investierte der überwiegende Teil in Immobilien (bezogen auf alle befragten Stiftungen: 37,5 Prozent), gefolgt von Unternehmensbeteiligungen etc. (9,8 %) und Sonstigen (9,4%). Nur 4,3 Prozent der Stiftungen, die noch nie außerhalb der beiden klassischen Anlageklassen investierten, planen dies zu ändern.
Einnahmen und Ausgaben
Wie bedeutsam die Geldanlage auch für Stiftungen ist, zeigt der Umstand, dass Zuflüsse aus der Stiftungsvermögensverwaltung für die Stiftungseinnahmen eminent wichtig sind. Fast die Hälfte der Einnahmen, nämlich 49,4 Prozent, wurden auf der Vermögensseite generiert. 32,2 Prozent der Einnahmen sind Zuwendungen der öffentlichen Hand, 13,2 Prozent steuern Spenden bei, 3,5 Prozent der Einnahmen gehen auf das Konto des Zweckbetriebs und 1,7 Prozent sind auf den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzurechnen.
Im Kontext der Mittelabflüsse interessierte sich die Studie für die Quantität der Ausgaben. Rund 17 Prozent der antwortenden Stiftungen gaben unter 5000 Euro pro Jahr aus; knapp mehr als 12 Prozent gaben über eine Million Euro aus. Die größte Gruppe bilden Stiftungen, die zwischen 10.000 und 50.000 Euro pro Jahr ausgeben; das sind knapp über 30 Prozent der befragten Stiftungen. An zweiter Position stehen mit 18,5 Prozent Stiftungen mit jährlichen Ausgaben in Höhe von 100.000 bis 1 Mio. Euro. Dabei ist die „Ausgabenfreude“ der Stiftungen in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich. Bei Ausgaben in Höhe von über 1 Mio. Euro ist die Bundeshauptstadt Berlin führend: 28,4 Prozent der berücksichtigten Berliner Stiftungen geben diese Summe aus, gefolgt von Hamburg mit 27,2 Prozent. Beide „Stadtstaaten“ liegen deutlich vor allen anderen Ländern. In Bayern oder Baden-Württemberg liegt der Anteil von Stiftungen, die mehr als eine Mio. Euro pro Jahr ausgeben, nur knapp 9 Prozent. Der relativ hohe Prozentsatz von Stiftungen mit hohen Ausgaben in Berlin ist auch insofern bemerkenswert, als der Anteil von Stiftungen mit einem Kapital von über 10 Mio. Euro in der Bundeshauptstadt mit 7,9 Prozent deutlich unter dem entsprechenden Wert in Hamburg (14,7 %) liegt.
Link zur Studie: „Zahlen, Daten, Fakten zum deutschen Stiftungswesen“