Nachhaltige Angebote – wie grün sind sie wirklich

Der Markt für nachhaltige Investments ist im letzten Jahrzehnt rasant gewachsen. Für Anleger/-innen ist es nicht einfach, den Überblick zu bewahren und die Qualität und das Ambitionsniveau der beworbenen Produkte einzuschätzen. Eindeutige gesetzliche Regeln gibt es bislang noch nicht. Hilft die EU-Taxonomie weiter? Welche Angebote sind wirklich „grün“? 

Antworten von Stefan Brenken, Nachhaltigkeitsexperte, Bank für Kirche und Diakonie (KD-Bank)

Herr Brenken, beinahe jedes Finanzinstitut macht inzwischen Anlageangebote, die ökologische und ethische Ansprüche erfüllen. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?

Stefan Brenken: Als Bank für Kirche und Diakonie stehen wir seit Jahrzehnten für eine ganzheitliche Umsetzung christlicher Werte in allen Finanzgeschäften. „Endlich“ möchten wir ausrufen, ist dieses Verständnis im Mainstream angekommen. Die Diskussion darum, ob die Berücksichtigung nachhaltiger Faktoren Rendite kostet, ist beendet: Nachhaltigkeit zahlt sich aus. Die negative Korrelation liegt unter 10 Prozent. Die positive Korrelation liegt hingegen bei 50-70 Prozent und wurde in diversen Studien wissenschaftlich bewiesen. Es verwundert uns nicht, dass die Nachhaltigkeit die erste Phase des „Nischendasein“ verlassen hat und viele neue Anhänger dazu gekommen sind. 

Wir befinden uns mitten in der zweiten Phase, dem Mainstream. In der Schweiz folgen bereits 50 Prozent der Fonds „nachhaltigen“ Anlagekriterien. Mangels gesetzlicher Definition ist es nur logisch, dass sich viele Trittbrettfahrer unter die Nachhaltigkeitsanbieter schummeln. Die Palette reicht von dunkelgrünen bis hin zu verwaschenen hellgrünen ESG-Fonds. Dies ist für Laien nicht leicht zu erkennen. Die Nachfrage wieviel Prozent der Unternehmen und Länder ausgeschlossen werden, kann an dieser Stelle Klarheit schaffen. Der Nachhaltigkeitsfilter der KD-Bank schließt beispielweise 73 Prozent der Unternehmen und 83 Prozent der Länder aus. Da sind wir sehr streng.

Herr Brenken, blicken wir in die Zukunft, sehen Sie schon eine dritte Phase der Nachhaltigkeitsentwicklung? Und wenn ja, was ist das Neue daran?  

Stefan Brenken: Nach unserer Einschätzung ist es der so genannte Impact. Während bisher „schmutzige“ Unternehmen und autoritäre Länder ausgeschlossen werden, legen wir den Fokus in der kommenden Phase auf die Veränderung. Welche Unternehmen bieten die Technologie des Wandels? Wir wollen die Bereiche wie die Elektromobilität, die Wasserstofftechnologie oder die Produktion nachhaltiger Kleidung zu fairen Arbeitsbedingungen durch die Umlenkung der Kapitalströme fördern. Welche Unternehmen machen sich nachweislich auf den Weg hin zu einem nachhaltigen Geschäftsmodell? Mit Hilfe unserer Researchpartnerin ISS ESG suchen wir nach Unternehmen, die im „Strategy Shift“ punkten und die zum Beispiel ihren Kohlendioxid-Ausstoß deutlich reduzieren. Das dänische Unternehmen Ørsted ist hier ein gutes Beispiel für Transformation, es hat sich von einem Ölunternehmen zu einem grünen Windkraftunternehmen entwickelt. 

Wie beurteilen Sie die EU-Taxonomie? Sind beispielsweise Fonds, die dem Artikel 8 der Disclosure-Verordnung zugeordnet werden, qualitativ hochwertig?

Stefan Brenken: Zunächst ist die EU-Taxonomie ein gutes Hilfsmittel. Unternehmen müssen ihre Geschäftsbereiche offenlegen und angeben, welche Umsätze nachhaltig generiert werden. Dies wird die Datenlage und damit die Vergleichbarkeit der Unternehmen deutlich verbessern. Die Produktanbieter können diese Daten abrufen, auswerten und in ihrem Portfoliomanagement berücksichtigen. Die Produktanbieter sind aufgefordert, den Anteil der nachhaltigen Unternehmen offenzulegen. 

Es gibt Basic-Fonds ohne nachhaltigen Investitionsansatz und nachhaltige ESG-Fonds nach Artikel 8 der Disclosure-Verordnung und nachhaltige ESG-Impact-Fonds nach Artikel 9 der Disclosure-Verordnung. Derzeit ordnen die meisten Anbieter ihre nachhaltigen Fonds als ESG-Fonds nach Artikel 8 ein: die Bandbreite reicht von hellgrünen bis hin zu dunkelgrünen nachhaltigen Fonds, wie dem FairWorldFonds (www.KD-Bank.de/FairWorldFonds) oder dem KinderZukunftsFonds (www.KD-Bank.de/KinderZukunftsFonds), die wir mitentwickelt haben und begleiten. Beide Fonds unterliegen ambitionierten Nachhaltigkeitskonzepten.

Die Voraussetzungen für einen ESG-Fonds nach Artikel 8 sind allerdings gering. Es muss lediglich ein anerkannter Branchenstandard eingehalten werden. Der Ausschluss weniger Unternehmen und Länder genügt. Im Ergebnis ist die Klassifizierung gemäß Artikel 8 der Disclosure-Verordnung nach unserer Einschätzung kein echtes Qualitätsmerkmal. Die EU-Taxonomie und die Offenlegungsverordnung stehen jedoch noch ganz am Anfang und werden sich in Form und Umfang weiterentwickeln. Derzeit werden lediglich ökologische Schwerpunkte gesetzt, dafür steht das „E“ wie Environment bei den ESG-Kriterien. Es folgen noch die soziale Taxonomie („Social“) und die Unternehmensführung („Governance“). 

Was empfehlen Sie Stiftungen, die einen hohen ethisch-nachhaltigen Anspruch auch bei ihren Geldanlagen erfüllt wissen wollen?

Stefan Brenken: Geld ist nicht neutral und wie wir unser Geld anlegen hat Auswirkungen auf den Zustand unserer Welt. Sein Geld ethisch und nachhaltig zu investieren, bedeutet für Stiftungen bereits zum Zeitpunkt der Investition den Stiftungszweck zu erfüllen – und nicht erst zum Zeitpunkt der Ausschüttung. 

Wir stellen regelmäßig fest, dass durch den Ausschluss von Unternehmen und Ländern, deren Handeln dem Stiftungszweck entgegensteht, Reputationsrisiken reduziert werden können. Die Vorgaben der Stiftung zu ihren ethischen und nachhaltigen Ansichten setzen wir beim Investment des Stiftungskapitals in attraktive Anlageklassen wie Aktien oder Immobilien um: Sicherheit, Rendite und Verfügbarkeit werden mit dem Stiftungszweck nachhaltig in Einklang gebracht.

Die Haftungsängste der Stiftungsvorstände durch die Stiftungsreform im Sommer dieses Jahres können wir nachvollziehen. Wir stehen mit unseren Stiftungs- und Wertpapierexperten an der Seite der Stiftungen, beziehen Impact im Sinne des Stiftungszwecks bei der Beratung ein und helfen als Stiftungsbank, die Entscheidungsfindung nachvollziehbar zu dokumentieren.

Wir erarbeiten gemeinsam mit den Kundinnen und Kunden zeitgemäße und auf den Stiftungszweck zugeschnittene Anlagerichtlinien. Wenn dieses Gerüst steht, wählen wir zusammen mit den Kunden und unseren Partnern werthaltige Anlagemöglichkeiten aus, die diesen Anlagerichtlinien entsprechen. Getreu unsere Leitlinie: Gemeinsam handeln. Gutes bewirken.

Christiane Wicht-Stieber, Stiftungskoordinatorin bei der Bank für Kirche und Diakonie

Sie sind für eine Stiftung verantwortlich und interessieren sich für nachhaltige Geldanlagen? Kommen Sie mit uns ins Gespräch. Unsere Stiftungskoordinatorin, Christiane Wicht-Stieber kümmert sich um Ihr Anliegen:

Kontakt: E-Mail Stiftungen@KD-Bank.de, Telefon: 0231 58444 242