„Schema F hilft nicht“

Gerhard Schick war lange einer der profiliertesten Finanzmarktpolitiker im Deutschen Bundestag, bevor er sich 2018 entschied, mit der Bürgerbewegung Finanzwende die außerparlamentarische Arbeit zu stärken. Wir sprachen mit ihm über die Stiftungsanlage und Politik.

RW: Die Verantwortlichen für Stiftungsanlagen, die als semiprofessionelle Anleger eingestuft werden, verfügen oft über sehr große Summen und sehr geringe Kenntnisse. Sollte der Gesetzgeber eine bessere Qualifikation und mehr Bildung bei Stiftungen in Finanzfragen einfordern?

GS: Bildung hat noch niemandem geschadet, aber wer glaubt, jemand mit ein bisschen Unterricht in Finanzfragen zu einem qualifizierten Anleger machen zu können, wird sich täuschen. Angesichts der heutigen Komplexität der Materie braucht es in vielen Fällen eine Professionalisierung der Stiftungsanlage. Für einige Stiftungen mag es der richtige Weg sein, sich größeren Stiftungen mit einer professionelleren Anlage anzuschließen. 

RW: Und die Anderen?

GS: Die brauchen vor allem eine gute, und das heißt auch interessenskonfliktfreie Beratung.

RW: Das Stiftungswesen funktioniert seit Jahrhunderten…

GS: Ja, aber es war noch nie so schwierig, Vermögen vernünftig, das heißt zu überschaubaren Risiken und mit auskömmlichen Ertragserwartungen anzulegen. Zum einen ist eine so lange Phase mit Nominalzinsen nahe oder teilweise unter Null historisch einmalig, zum anderen hat es auch die Vielfalt der Anlagefelder und die Komplexität vieler Produkte in der Geschichte der Finanzmärkte noch nicht gegeben.

RW: Einfach in Bundesanleihen anzulegen und damit risikolos eine auskömmliche Rendite zu generieren, wie es viele Stiftungen in der Vergangenheit gemacht haben, ist nicht mehr möglich. Auch die sogenannte 70 zu 30 Anlageregel, nach der mindestens 70 Prozent des Stiftungsvermögens in Anleihen und höchstens 30 Prozent in Aktien gehalten werden sollten, wird in Frage gestellt.

GS: Ob solche starren Regeln heute ein guter Ratgeber sein können, muss jede Stiftung für sich beurteilen. Ganz generell dürfte man heute mit Anlagen nach Schema F nicht sehr weit kommen.

RW: Gehören aus Ihrer Sicht auch andere Assetklassen in das Stiftungsdepot, etwa Private Equity?

GS: Für einige Stiftungen mag auch eine solche Anlageklasse sinnvoll sein. Private Equity ist nicht immer böse, aber es gibt da problematische Vorgehensweisen, wenn es sich etwa um besonders kurzfristige und spekulative Investments handelt.

RW: Wie sieht es mit geschlossenen Fonds aus?

GS: Bei geschlossenen Fonds gibt es Beispiele für gute, aber auch für katastrophale Wertentwicklungen. Man muss als Anleger wissen, dass die Kontroll- und Mitwirkungsmöglichkeiten eher gering sind. Andererseits sind Geschlossene Fonds Projekte, bei denen das investierte Geld real verausgabt wird und zum Beispiel einen Solarpark entstehen lässt, während beim Aktienerwerb oft der Bezug zur realen Investition eher indirekt ist.

RW: Viele Stiftungen finden in diesem Zusammenhang das sogenannte Kapitalerhaltungsgebot problematisch, weil es auf die Ewigkeit angelegte Stiftungen auf schwankungsarme Anlagen festlegt.  In den USA ist die Anforderung an steuerbegünstigte Stiftungen ja, dass sie pro Jahr unabhängig von der Rendite etwa fünf Prozent des Vermögens für den Stiftungszweck verwenden müssen.

GS: Eine Stiftung, die nur noch dafür sorgen kann, ihr eigenes Kapital zu erhalten, verfehlt ihren ursprünglichen Zweck. Ich denke, auch hier liegt die Antwort in der Mitte. Denn genauso wenig macht es Sinn, die Stiftungen durch Vorgaben zum Zocken an den Märkten zu bewegen.

RW: Im Stiftungssektor ist neben der Niedrigzinsphase insbesondere die nachhaltige Kapitalanlage ein großes Thema.

GS: Bei Stiftungen sollten in der Tat beide Seiten der Bilanz stimmig sein. Auf der aktiven Seite soziale Projekte zu fördern und sich passiv durch die Anlage in dubiosen Firmen die Finger dreckig zu machen, passt nicht zusammen. Hier besteht bei vielen Stiftungen noch Nachholbedarf, Kapitalanlage und Stiftungszweck in Übereinstimmung zu bringen.

RW: Wenn es nur um den Impact, also um einen Nachhaltigkeitsgewinn geht: Ist es da nicht sinnvoller, in dreckige Unternehmen zu investieren, um deren Geschäftspolitik zu ändern?

GS: Na, überschätzen Sie mal nicht die Einflussmöglichkeiten von Kleinaktionären und das sind Stiftungen in aller Regel trotz alledem. Aber auch bei so genannten best-in-class-Fonds ist der Impact ziemlich gering: Wenn 10 solcher Fonds nach unterschiedlichen Kriterien in den Automobilsektor investieren, bekommen am Ende alle Anbieter aus unterschiedlichen Gründen Geld, das heißt, die Lenkungswirkung nachhaltiger Investments verflüchtigt sich. Aus unserer Sicht braucht es klare gesetzliche Kriterien, um die Wirkung der Investments zu verdichten.

RW: Was muss geschehen?

GS: Die Europäische Union hat ja etwa mit der Taxonomie-Verordnung den Weg zur Vereinheitlichung der Zertifizierung betreten. Dieser Prozess muss fortgeführt werden.  Ohne klare gesetzliche Standards wird sich die nötige Ökologisierung der Finanzmärkte nicht erreichen lassen. Allein auf Selbstverpflichtungen zu setzen, ist eindeutig zu wenig.

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