Rheinmetall – ein Muss für Ethik-Investoren?
Der Ukraine-Krieg stellt ESG-Investoren vor neue Fragen.
Klar, eine große Mehrheit der Deutschen verurteilt den Überfall Russlands und zeigt sich solidarisch mit der Ukraine. Will sie denn auch die Produktionsbedingungen für diese Waffen verbessern? Nein, „Ethisch- und ESG-konform-“ Investierende belassen Rüstungsunternehmen auf ihrer Verbotsliste.
Wie ist das möglich, dass wir wollen, dass der Staat Waffen kauft, um sie an die Ukraine zu liefern, die für uns einen Stellvertreterkrieg mit Russland ausfechten, dass unsere Steuern in diesem Sinne verwendet werden, aber dass wir gleichzeitig die, die die Waffen liefern, blamen?
Ich verstehe ja, wenn man einen pazifistischen Ansatz hat, den Wehrdienst verweigerte (als es ihn noch gab) und der Ansicht von Sarah Wagenknecht (und der AFD) folgt. Aber kann man ernsthaft für Waffenlieferungen an die Ukraine sein, aber Waffenproduzenten verurteilen?
Ein bekannter Depot- und Fondsmanager hat letztens zu mir auf diese Frage gesagt, es gehe hier um eine moralische Haltung; er möchte nicht die Waffen produziert haben, mit denen in der Ukraine Menschen getötet würden. Man wisse schließlich auch, dass es Alkoholmissbrauch gäbe, aber er möchte seinen Namen einfach nicht auf den Schnapsflaschen finden müssen.
Aber ist das wirklich vergleichbar? Beim Alkohol geht es um Abhängigkeiten, um etwas massiv ungesundes, das niemand (mit klarem Verstand) will. Im Fall der Ukraine steht die Verteidigung von Werten wie Unabhängigkeit, Selbstbestimmtheit und Demokratie im Mittelpunkt. Warum darf man ein Unternehmen nicht finanzieren, das die Mittel zum Schutz derselben produziert?
Abgesehen davon ist das Trading von kleinen und mittleren Investoren, der finanztaktische Kauf und Verkauf von Aktien etwas anderes als die Wahrnehmung einer Eigentümerfunktion. Trader gehen Wetten ein auf die Entwicklung von Unternehmenswerten, von Branchentrends und so weiter. Eigentümerfunktionen nehmen sie nicht wahr. Sie gehen nicht auf Hauptversammlungen, sie formulieren keine Anträge, greifen nicht in Strategiediskussionen ein, sie nehmen keinen Einfluss auf das Angebot, die Preise und den Umgang mit den Mitarbeitern. Ihr Name steht auf keinem Produkt. Sie interessieren sich eigentlich nur insoweit für das Unternehmen, als sie eine besonders gute (oder schlechte) Entwicklung für dessen Aktien prognostizieren. Auch der ökonomische Sinn dieses Aktionärstums hat mit einer Unternehmerfunktion nichts zu tun. Laut ökonomischer Theorie haben die Trader am Finanzmarkt nur die Aufgabe, den Markt möglichst liquide zu halten. Aus dieser Perspektive ist also die Forderung, keine Aktien eines bestimmten Unternehmens zu kaufen, vergleichbar mit der Forderung, dass Fans von Schalke aus moralischen Gründen nicht auf ein Bundesligaspiel von Bayern wetten dürften.
Überhaupt die moralische Haltung … , sie ist mir als Investmentmotivation suspekt. Es ist immer ein Stück weit die Flucht vor der Übernahme von Verantwortung. „Wenn es denn gemacht werden muss, lass andere sich die Hände dreckig machen.“ Für mich ist dagegen entscheidend, was das eigene Investment macht. Es geht um den Impact! Wenn das eigene Investment keine Wirkung hat, dann macht es – Moral hin oder her – auch keinen Unterschied, ob ich in einige Unternehmen investiere und in andere nicht, dann kann man sich das ganze Getue um ESG- und Ethik-Fonds gleich sparen, dann ist es egal, ob ich Rheinmetall-Aktien kaufe oder die von Plug Power (dem Wasserstoffproduzenten), dann kann man sich das ganze Getue um ESG- und Ethik-Fonds gleich sparen. Tatsächlich sollte man die Wirkung nachhaltiger Kapitalanlage meines Erachtens nicht überschätzen (s. oben). Dass manche Vermögensverwalter und Fondsmanager ihre Anlagerichtlinien, die zum Beispiel Tabakproduzenten ausschließen, wie eine Monstranz vor sich hertragen, ist für mich mittlerweile sowieso eher peinlich.
Aber ich will den Effekt auch nicht negieren. Soweit es sich um aktive Aktionäre handelt, können auch kleinere Anteile etwas bewirken, etwa durch Anträge auf Hauptversammlungen, durch stetige Anfragen ans Management, durch die Mobilisierung der öffentlichen Meinung. Und man kann meines Erachtens auch argumentieren, dass der Primärmarkt (auf dem die Erstausgabe von Aktien und Anleihen stattfindet, dessen Umsätze also direkt den Unternehmen zukommen) mehr Impact hat, als Käufe und Verkäufe danach, die ja nur anschließende Händewechsel darstellen. Und ja, ein Impact ist eindeutig, wenn man einen Renditeunterschied etwa zwischen den sogenannten grünen und den herkömmlichen Bundesanleihen feststellt und daraus ableiten kann, dass nachhaltige Projekte und Unternehmen sich preiswerter refinanzieren können als herkömmliche. Aber darf, nein muss man dann nicht konsequenterweise fordern, dass Rüstungsunternehmen in der augenblicklichen Situation bessere Produktionsbedingungen (etwa durch preiswerteres Kapital) brauchen, um die Hilfe für die Ukraine zu beschleunigen? Ja, liebe Ethik-Investoren, das muss man: Investieren Sie also in Rheinmetall!