Prognose 2040
Ein langfristiger Ausblick von Dr. Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Schmieding gilt als einer der Besten seines Faches nicht nur in Deutschland. Nachfolgend die Zusammenfassung eines Video-Interviews, welches Sie in voller Länge als zweigeteiltes Video unter Interviews auf dieser Seite finden.
Zu diesen Stichpunkten äußerte sich Schmieding folgend:
Pandemie: „Die Pandemie wird uns in zehn, 15 Jahren wohl nicht mehr beschäftigen.“
Aktuelle Geldschwemme: „Die Zentralbanken haben verhindert, dass zur Gesundheitskrise eine Finanzkrise dazugekommen ist. Damit wurde der Fehler vermieden, den die Zentralbanken bei der Lehman-Krise und teils auch in der Eurokrise gemacht hatten, als sie zu lange warteten. Jetzt wird es aber Zeit, aus der Politik des leichten Geldes auszusteigen.“
Schuldenberge: „Von den Schulden kann man nur mit mehr Wachstum herunterkommen. Dazu braucht es eine wachstumsfreundliche und reformorientierte Wirtschaftspolitik. Das können Zentralbanken und die Geldpolitik nicht leisten. Bislang scheint es, dass in Europa Länder wie Griechenland, Italien oder Frankreich allesamt auf einem Reformkurs geblieben sind. Ob das reichen wird, um das Wachstum so zu erhöhen, dass man die Schulden in den Griff bekommt, bleibt abzuwarten.“
Inflation/Deflation: „Wir haben das deflationäre Szenario wohl hinter uns gelassen. In diesem Jahr gibt es einen inflationären Basiseffekt etwa durch die Rückkehr zur 19%-MWST und durch die steigenden Energiepreise. Aber auch ohne diese Effekte werden die allgemeinen Preise wohl weiter steigen. Die Gründe: Erstens werden die Löhne wohl schon aus demografischen Gründen steigen. Zweitens haben wir erhebliche, in der Krise auch unfreiwillige, Ersparnisse gebildet. Das macht die Nachfrage in der Zukunft so stabil, dass Unternehmen höhere Preise auch überwälzen können. Schließlich wird auch die Klimapolitik nicht umsonst sein und höhere Kosten, also höhere Preise, verursachen. All diese Faktoren dürften dafür sorgen, dass wir uns wieder auf einen normalen Inflationsdruck von vielleicht zwei bis drei Prozent einstellen müssen. Mehr erwarte ich nicht.“
Konkurrenz China-USA: „Dieses Vormachtstreben ist eines der großen geopolitischen Themen der nächsten Jahrzehnte. Hoffentlich ist China nicht so dumm, einen Krieg wegen Taiwan anzufangen. China hat große demografische und andere wirtschaftliche Probleme. Eine richtige Abkopplung zwischen China und den USA wird es nicht geben, aber in sensiblen Bereichen könnte es in gewissem Ausmaß zu geschlossenen regionalen Blöcken kommen.“
Euro: „Der Euro wird bleiben, dazu tragen auch die eher negativen Erfahrungen der Briten mit dem Brexit bei. Die haben andere bis hin zu den französischen Rechten abgeschreckt, weiter einen Austritt aus dem Euroraum zu fordern. Auch die Euro-Gegner erkennen die Wertstabilität dieser Währung an.
Aktienfavoriten: „Es macht Sinn, dort vertreten zu sein, wo man sich auskennt. Allgemein spielt die Musik stärker im Technologiesegment und in den USA, manchmal auch – mit mehr Volatilität – in den Schwellenländern. Also: Neben erfolgversprechenden deutschen Unternehmen können langfristig orientierte Anleger vielleicht in breit gestreute Schwellenland- oder US-Technologie-Aktien investieren.“
Anleihenrenditen: „Ich sehe auch mittel- und langfristig nicht, dass die Zinsen wieder auf ihre alten Niveaus steigen werden. Zehn Prozent für Bundesanleihen sind wohl nicht mehr möglich, aber drei Prozent schon. Wenn die Inflation um zwei Prozent schwankt, dann ist eine Bundesanleihe mit drei Prozent Rendite gut vorstellbar.
Immobilien: Auf Dauer sind Immobilien eine gute Anlage, unabhängig vom kurzfristigen Geschehen. Insbesondere wirtschaftlich erfolgreiche Regionen haben auch relativ hohe Immobilienpreise, weil mit höherem Wachstum und höheren Einkommen eben auch die Nachfrage nach Wohn- und Geschäftsräumen steigt.
Nachhaltige Anlagen: Das Thema wird immer wichtiger, Unternehmen werden sich auf mehr Nachhaltigkeit einstellen müssen, sonst werden sie erleben, dass die Kosten des Verschmutzens erheblich sind und ihre Reputation leidet. Für Anleger ergeben sich ebenfalls Herausforderungen. Denn solange noch keine klaren Standards gelten, muss man genau schauen, welche Anlagen nur blassgrün sind und welche wirklich etwas bewirken. Wenn es um den Impact geht, dürften in Zukunft Sachanlagen an Bedeutung gewinnen.