„Nicht überrascht“

Dass ausgerechnet eine finanzkritische Stiftung wie die urgewald-Stiftung eines der besten Depotergebnisse des Jahres 2020 vorweisen kann, überrascht wohl nur die, an denen die Hausse der Öko-Aktien vorbeigegangen ist. RenditeWerk sprach mit Agnes Dieckmann und Andrea Soth über die Anlage, den Erfolg und die Botschaft der Stiftung.

Agnes Dieckmann
Andrea Soth


Wie kam es zur Gründung der Stiftung 2019?

Nach 25 Jahren wollten wir dem urgewald e.V. ein zusätzliches Stiftungs-Bein hinzufügen.

Inwiefern kann eine Stiftung das sein?

Als e.V. muss man Fördermittel und Spenden zeitnah ausgeben. Mit der Stiftung haben wir für die mittel- und langfristige Perspektive bessere Planungsmöglichkeiten und Freiheitsgrade gewonnen.

Die Stiftung ist hybrid angelegt?

Ja, mit dem hybriden Modell der Kombination aus Verbrauchs– und Ewigkeits-Stiftung haben wir für uns eine sehr gute Lösung gefunden. Zustiftungen gehen ganz überwiegend in den Verbrauchsteil und nicht zuletzt dadurch sind wir weniger abhängig von Renditen.

Könnte die Hybridlösung ein Zukunftsmodell für die Stiftungslandschaft werden?

Auf jeden Fall ist es eine bedenkenswerte Alternative, in der Nullzinszeit stabile und damit planbare Zweckerfüllung sicherzustellen. 

Können traditionelle Ewigkeits-Stiftungen denn einfach auf das Hybrid-Modell umschwenken?

Eine solche Umwandlung wird von den Stiftungsaufsichten nur in Ausnahmefällen genehmigt. Es gibt jedoch vereinzelt Stiftungen, die dem Ewigkeitsstock ein Verbrauchsvermögen hinzugefügt haben. Wenn dies gelingt, können künftige Zustiftungen in die Verbrauchsstiftung gelenkt werden. Dann baut sich ein zweites Vermögen auf, dass selbst verbraucht werden kann und somit flexibel einsetzbar ist. Bei Stiftungsneugründungen ist es einfacher, eine Verbrauchsstiftung zu integrieren.

Zum Jahresergebnis. Mit einer Performance von über 16 Prozent haben Sie quasi aus dem Stand wahrscheinlich eines der erfolgreichsten Ergebnisse der deutschen Stiftungslandschaft eingefahren. Ausgerechnet eine finanzkritische Stiftung.

Oder gerade deswegen.

Was macht das Anlageuniversum der urgewald-Stiftung besonders?

Nun, wir haben zusätzlich zu vielen anderen Nachhaltigkeits-Investoren zum Beispiel auch Banken – mit Ausnahme der Nachhaltigkeitsbanken – aus unserem Universum verbannt.

 
Wieso sollten Banken nicht mehr investierbar sein?

Banken werden zu Unrecht als „neutrale“ Positionen im Portfolio angesehen. Aus unserer langjährigen Arbeit wissen wir aber, dass sie eine zentrale Rolle bei der Realisierung klimaschädigender und menschenrechtsverletzender Vorhaben spielen. Ohne das Geld der Banken würden viele dieser Unternehmungen/Projekte erst gar nicht umgesetzt werden können.

Solche Firmen findet man beispielsweise auf unserer Global Coal Exit List, einer Ausschlussliste zu Unternehmen, die in der Kohleindustrie aktiv sind/die der Kohleindustrie zuzurechnen sind. Zusätzliche Finanzrecherchen dazu zeigen, dass trotz des Pariser Klimaabkommens noch immer sehr viele Banken weltweit diese Unternehmen unterstützen. Deswegen sind diese Banken für uns nicht investierbar.
https://urgewald.org/medien/globale-recherche-belegt-banken-steigern-kohlefinanzierung-trotz-klimazusagen

Katrin Ganswindt, Finanz-Campaignerin bei urgewald, kommentiert:
„Die Ergebnisse unserer Finanzrecherche sind erschreckend. Die Pariser Klimaziele erfordern einen schnellen Ausstieg aus der Kohle, aber sehr viele Banken und Investoren marschieren immer noch in die entgegengesetzte Richtung. Dies gilt insbesondere für deutsche Banken. Sie beteuern gerne ihre Sorge um das Klima, sind aber nicht bereit ihre Finanzdienstleistungen für Kunden aus der Kohleindustrie zu beenden.“

Wie sehr greift urgewald denn in die konkrete Verwaltung des Vermögens ein?

Also, die Anlageentscheidungen trifft selbstverständlich der Verwalter, aber wir, das heißt unser Anlageausschuss, geben Anlagekriterien und kategorische Ausschlüsse vor, bestimmen somit das Universum, kontrollieren den Investment-Prozess und geben auch verschiedentlich Anstöße zum Investment oder Desinvestment.  

Hat es Sie gewundert, mit einem solch strengen Nachhaltigkeits-Konzept wie dem der Urgewald-Stiftung eine solche Rendite einzufahren? 

Nein, dass grüne Investments keinen Renditenachteil haben, zeigen ja verschiedenste Studien zum Thema. 

Bislang werden ESG-Investments vor allem als Gewissensfrage behandelt. Sie setzen ja mit der Global Coal Exit List auch auf die Verantwortung der Investoren, nicht in dreckige Industrien zu investieren. Aber macht das die Welt wirklich besser?

Nachhaltiges Investieren ist keine bloße Frage des Gewissens mehr, es geht hier längst, ganz existentiell, um unsere Zukunft. Wenn wir das Pariser Klimaziel noch erreichen und die Klimakatastrophe abwenden wollen, müssen Unternehmen, die weiter auf – die CO2-intensivste Form der Stromerzeugung – Kohle setzen, umgehend von jeglicher Finanzierung ausgeschlossen werden. Auch die Finanzindustrie muss endlich auf die Alarmrufe der Wissenschaft hören (z.B. IPCC-Sonderbericht) und handeln, um die Folgen der Klimakatastrophe zu begrenzen.

Einige der größten Investoren der Welt, z.B. der norwegische staatliche Pensionsfonds, der Allianz-Konzern oder die französische AXA haben das bereits getan. Jetzt kommt es darauf an, dass der Druck immer weiter wächst, kein Geld mit dreckigen Geschäften zu verdienen.

Blumigen Ankündigungen müssen endlich auch Taten folgen, frei nach dem Motto:„Put your money where your mouth is.“

Was heißt?

Dass zwischen Investments und eigenen Äußerungen kein Widerspruch sein sollte. Was nützen Klimaschutz- oder Menschenrechtsselbstverpflichtungen von Bankhäusern, wenn sie dann trotzdem weiterhin Profite machen mit Waffengeschäften oder Umweltzerstörungen?  

Zur Global Coal Exit List

urgewald hat 2017 erstmals eine Liste veröffentlicht, worin 935 Unternehmen genannt sind, die direkt oder indirekt an Geschäften mit Kohle, dem Klimaschädiger Nummer 1, beteiligt sind. urgewald hat offengelegt, dass global 437 neue Kohleabbau-Projekte geplant sind und unter anderem mithilfe von 505 globalen Banken finanziert werden (sollen). Die (Ausschluss-)Liste wendet unter anderem einer der größten Investoren der Welt, der Norwegische Pensionsfonds, an. Wenn eine Stiftung einen ersten Schritt hin zu mehr Klimaschutz machen möchte, wendet sie diese Liste an.

Ach, ja: Die urgewald-Stiftung kooperiert in Anlagefragen gerne mit anderen Stiftungen. Anfragen etwa zur richtigen Nutzung der Global Coal Exit List sind hochwillkommen.

Zur Urgewald-Website