Nicht nur sauber, sondern rein

Von Torben Werner, Quadoro Investment GmbH

Vor nunmehr 55 Jahren fand eine inzwischen ikonische Werbefigur erstmals Einzug in deutsche Wohnzimmer. Der Handlungsstrang war denkbar einfach und seinerzeit in mehrfacher Hinsicht weit voraus. Die sympathische Klempnerin Klementine empfahl der verzweifelten Betreiberin eines Waschsalons die Verwendung eines besonders potenten Waschmittels, um das Bedürfnis ihrer „pingeligsten“ Kundin nach sauberer Wäsche zu befriedigen.

Der Grauschleier, der bereits damals über der Wäsche lag, hat sich bis heute auf nachhaltige Investments und deren vermeintlichen Impact ausgedehnt. Die Motivation der Handlungsbeteiligten ist heute ungleich intransparenter und gebietet einen Ausflug in die empirische Sozialforschung, um diese überhaupt ansatzweise ergründen zu können. Dabei gilt es zunächst Stiften und Spenden trennscharf voneinander abzugrenzen. Gerade Letzteres lässt oftmals die Auseinandersetzung mit den konkreten Effekten der Zuwendung vermissen und dient vermehrt der kurzfristigen Steigerung des eigenen Wohlbefindens. Stiften hingegen kann für sich in Anspruch nehmen, der Verantwortung für das eigene Vermögen innerhalb einer Bandbreite von wirkungsorientierter Philanthropie und Investitionen mit nachhaltigen Anlagestrategien, die skalierbar sind und Marktrenditen erwirtschaften können, gerecht zu werden. Dabei mag man sich im Dickicht der „Shades of Green“ durchaus die Frage stellen, ob die intrinsische Motivation, mit dem eigenen Vermögen Gutes zu bewirken, auch zum Wertesystem des jeweiligen Produktgebers bzw. zu dessen mit Nachhaltigkeitsprädikaten belegten Produkten passt.

Wenig hilfreich ist in dem Kontext, dass für Impact Investments als Speerspitze der nachhaltigen Finanzprodukte gegenwärtig nur für zwei der sechs Umweltziele der Taxonomie-Verordnung und auch nur für ausgewählte Wirtschaftstätigkeiten überhaupt anwendbare Kriterien für eine etwaige Taxonomie-Konformität definiert werden. Valide Rückschlüsse auf den tatsächlichen Impact eines Produktes sind auf der Basis heute nur mit Vorsicht zu genießen und lassen Nachhaltigkeitsgesichtspunkte außerhalb der im Abkommen von Paris definierten ökologischen Ziele in den Hintergrund rücken.

Ein Blick über den Tellerrand (no pun intended) verrät, dass dies auch durchaus besser geht. In puncto (kalorischer) Signalwirkung ist der Nutri-Score als farbenfroher Gegenentwurf zu einer weiteren Geißel der Menschheit ungleich zielführender. Es fällt auf, dass die Vergabe eines Nutri-Score-Logos auf Grundlage eines Algorithmus erfolgt, dessen Angemessenheit regelmäßig von einem wissenschaftlichen Expertengremium evaluiert wird. Vergleichbares sucht man beispielsweise in der Fondsindustrie leider vergeblich, sowohl im liquiden als auch im illiquiden Bereich. Dabei eröffnen gerade Investitionen in Sachwerte wie Immobilien durch ihre lange Lebensdauer die Opportunität, mit einer nachhaltigen Anlagestrategie die Rendite zu erhöhen und gleichzeitig Investitionsrisiken zu minimieren. Nun ist insbesondere die Spielart des Impact Investings kein rein kalkulativer Vorgang, sondern wird nicht unwesentlich auch von Emotionen bestimmt. Genährt durch die Angst vor strengeren regulatorischen Produktanforderungen haben Produktgeber rund um den Jahreswechsel gleich dutzendfach Herabstufungen ihrer Fondsprodukte von dunkelgrün auf hellgrün vorgenommen, nur um dann vielfach durch neue Auslegungshinweise der EU-Kommission bereits im April ihre Befürchtungen wieder relativiert zu sehen. Die Verunsicherung der Produktgeber schlägt unweigerlich auf die Anlegerschaft durch, der es zunehmend schwerer fällt, die Varianz der nachhaltigen Produkte zu durchdringen und diejenigen zu erkennen, deren Grünfärbung bereits im Kurzwaschgang an Strahlkraft einbüßt.

Es bleibt dem Anleger bzw. seinem Treuhänder leider gegenwärtig nicht erspart, tief in die Belastbarkeit der Werbeversprechen nachhaltiger Fondsprodukte zu schauen. Dabei scheint der Vergleich mit dem Deutschen liebstes Kind, dem Automobil, durchaus angemessen. So sind Verbrennermotoren deutlich lauter als die auditiv geschmeidigeren Elektromotoren mit ihren wesentlich höheren Wirkungsgraden. Also viel Getöse bei wenig Effizienz. Ähnlich verhält es sich bei nachhaltigen Fondsprodukten, bei denen man unterstellen könnte, dass der Wirkungsgrad eines dunkelgrünen Fonds, dessen Offenlegungspflichten sich aus Artikel 9 Offenlegungsverordnung ergeben, höher als der eines Fonds nach Artikel 8 Offenlegungsverordnung wäre. Nun sind wir in unserer westlichen Kultur darauf hinsozialisiert, Sachverhalte in Denkmuster zu pressen, was unterschiedliche „Shades of Green“ als Gegenentwurf einer binären Logik ohnehin schon schwer verdaulich macht. Erschwerend kommt nun auch noch hinzu, dass bei Fonds eine 8 größer als eine 9 sein kann. Was auf den ersten Blick selbst für jeden Grundschüler widersprüchlich erscheint, lässt sich auf den zweiten Blick schnell auflösen. Ein medial gehypter Artikel-9-Fonds kann mit nahezu 100 % an nachhaltigen Investitionen in Summe einen geringeren Wirkungsgrad mit diesen Investitionen erzeugen als ein Fonds nach Artikel 8, der nur einen Bruchteil an nachhaltigen Investitionen tätigt aber mit diesen einen Doppel-Wumms erzeugt.

Man kann, vielmehr muss sich, bei einem Thema, das derart zentral für den Fortbestand der Menschheit ist, die Frage stellen, ob die Abwesenheit von belastbaren (Nachhaltigkeits-)Beweisen kein Beweis für deren Abwesenheit ist. Eine solche Aussage mag wissenschaftlich korrekt sein, allerdings ist sie in diesem Kontext nichts als ein logischer Fehlschluss und Ausdruck von Ignoranz. Ebenso wie regulatorische Rahmenbedingungen zu einer abgrenzbaren Differenzierung qualitativer und quantitativer Fondsmerkmale beitragen müssen, so haben Fondsverwalter klar über ihr nachhaltiges Ambitionsniveau und die damit verbundene Zielerreichung zu informieren.

Transparenz schafft Vertrauen und ist ebenso wie Reinheit Ausdruck von Sittlichkeit. Auch hier wusste Klementine den Bogen zu spannen und eröffnete im Rahmen ihres medialen Comebacks in den 90er Jahren des letzten Jahrtausends: „Wir müssen etwas für die Umwelt tun…“