Nachhaltigkeit: Wenn nur noch Verwirrung herrscht
Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds, über die Uneinheitlichkeit bei Nachhaltigkeitskriterien.
Die Welt des nachhaltigen Investierens kann schon sehr verwirrend sein. Mal ehrlich und Hand aufs Herz: Kennen Sie alle Begriffe, Institutionen und Initiativen, die hinter folgenden Abkürzungen stehen? ISSB, CSRD, CDSB, SFDR, SASB, TCFD, GRI und EFRAG? Sie reichen von „International Sustainability Standards Board” (ISSB) bis hin zu „Sustainability Reporting Technical Expert Group Hybrid Meeting“ der EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group). Die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen.
ESG: der Klassiker
Aber bleiben wir mal bei drei Begriffen, die man durchaus wissen kann und sollte: ESG, SRI und neuerdings Net Zero. ESG ist klar, es steht für „Environmental, Social und Governance“, also für Umwelt, Soziales und eine gute Unternehmensführung. Diese Begriffe konzentrieren sich auf die Bewertung von Unternehmen auf der Grundlage ihrer Leistung in diesen drei Bereichen. ESG-Investoren suchen nach Unternehmen, die eine strenge Umweltpolitik verfolgen, sozial verantwortlich handeln und über eine gute Unternehmensführung verfügen, z.B. in Bezug auf Transparenz und Rechenschaftspflicht.
SRI: Ethik und Moral im Fokus
SRI, also „Socially Responsible Investing“ bedeutet, dass ein Anleger sein Geld in Unternehmen oder Fonds investiert, die mit seinen persönlichen, moralischen und ethischen Werten übereinstimmen. SRI zielt darauf ab, Investitionen in Unternehmen zu vermeiden, die negative soziale oder ökologische Auswirkungen haben. Das Problem: Sowohl für SRI als auch für ESG gibt es keine verbindlichen Vorschriften, obwohl einige Länder beginnen, von Unternehmen verstärkt verlangen, Informationen über ihre ESG-Praktiken offenzulegen. Die Europäische Union hat eine Verordnung zur nachhaltigen Offenlegung eingeführt, die die Finanzmarktteilnehmer dazu verpflichtet offenzulegen, wie sie ESG-Faktoren in ihre Anlageentscheidungen einbeziehen. Doch die finale Deutungshoheit, was genau E, S und G beinhaltet und was nicht, ist noch immer offen.
Dabei sollte man aber nicht vergessen: SRI ist eher werteorientiert und konzentriert sich auf ausgewählte Themen, während ESG vorwiegend datenorientiert ist und sich auf die Bewertung von Unternehmen auf der Grundlage ihrer Gesamtleistung in Schlüsselbereichen konzentriert.
Net Zero: Soziale und Governance-Aspekte fehlen
Kommen wir aber nun zu Net Zero. Dahinter versteckt sich die neueste Entwicklung bei nachhaltigen Investitionen. Sie konzentriert sich aber lediglich auf die Umweltauswirkungen eines Unternehmens und seine Bemühungen zur Reduzierung der Kohlenstoffemissionen. Soziale und Governance-Aspekte bei der Bekämpfung des Klimawandels werden hingegen außer Acht gelassen. Net-Zero-Investitionen finden sich also in Anlagestrategien, die sich auf Investitionen in Unternehmen konzentrieren, welche sich dazu verpflichten, Netto-Null-Kohlenstoffemissionen zu erreichen oder ihren Kohlenstoff-Fußabdruck zu reduzieren, um die Risiken des Klimawandels zu mindern. Obwohl es auch hier keinen spezifischen Rechtsrahmen für diese Investitionen gibt, existieren verschiedene nationale und internationale Vereinbarungen, die den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft und die Reduzierung von Treibhausgasemissionen fördern.
Wo bleiben die verbindlichen Kriterien?
Zu alledem kann man feststellen: Nachhaltige Anlagekonzepte sehen sich mit mehreren Kritikpunkten konfrontiert. Erstens gibt es keinen klaren Konsens darüber, was nachhaltige Investitionen ausmacht, da verschiedene Organisationen und Investoren ihre eigenen Kriterien haben. Zweitens betreiben einige Unternehmen (und auch Fondsgesellschaften) sogenanntes Greenwashing, indem sie unbegründete oder irreführende Behauptungen über die ökologischen Vorteile ihrer Produkte oder Dienstleistungen aufstellen. Drittens können nachhaltige Investitionen zu begrenzten finanziellen Erträgen führen, und die Vorabkosten für ökologische und soziale Initiativen die Rentabilität beeinträchtigen. Schlussendlich mangelt es an einer Standardisierung der Berichterstattung und Offenlegung nachhaltiger Investitionen, was es für Anleger schwierig macht, die Auswirkungen ihrer Investitionen zu bewerten.
Unser Ansatz: Eine Kombination aus ESG und SRI
Welches Konzept ein Anleger für das richtige hält, muss er schlussendlich selbst entscheiden. Für unseren Contrarian Value Euroland Fonds nutzen wir eine Kombination aus ESG und SRI. In einem ersten Schritt erstellen wir ein Portfolio ohne Berücksichtigung von nachhaltigen Kriterien. Danach kontrollieren wir anhand von ESG-Bewertungen, welche Unternehmen in diesem Bereich schlecht abschneiden und entscheiden dann, ob wir diese standardisierte ESG-Bewertung nachvollziehen können (SRI). Wenn dies der Fall ist, ändern wir die Portfolio-Zusammensetzung.
Klingt kompliziert, ist aber einfach. Ein Beispiel: Der italienische Stahlwerkausrüster Danieli produziert auch selbst Stahl. Wie alle Familienunternehmen hat Danieli keine gute Governance-Bewertung. Auf der anderen Seite hat Danieli ein Verfahren erfunden, bei dem Stahl fast CO2-neutral hergestellt werden kann. Dies finden wir in diesem Fall wichtiger als einen hohen Governance-Score zu erreichen.