Nachhaltige Investoren: Wirkung auf dem Prüfstand

Die Studie “Can Sustainable Investing Save the World? Reviewing the Mechanisms of Investor Impact” gibt einen Überblick über den Stand der Forschung zur Nachhaltigkeitswirkung nachhaltiger Geldanlagen. Von Lutz Siebentag

Bei nachhaltiger Geldanlage dürften viele Anleger spontan an eine Investition denken, die ein Mehr an Nachhaltigkeit in der Welt bewirkt. Das ist auch das semantische Hintergrundrauschen, das im Marketing für nachhaltige Geldanlagen bewirtschaftet wird: Anleger bekommen das Gefühl vermittelt, beständig die Welt zu retten. Schließlich sehen auch viele Experten das wesentliche Charakteristikum nachhaltigen Investierens in dessen ESG-Impact. Demnach wäre nachhaltiges Investieren synonym mit Impact Investing. Allerdings etablierte sich der Begriff „Impact Investing“ nicht als Synonym, sondern als geradezu „elitäre“ Spezial-Kategorie der nachhaltigen Geldanlage. Impact Investing ist bis heute ein Teilsegment, das trotz kräftigen Wachstums nur einen vergleichsweise geringen Anteil nachhaltiger Anlagen ausmacht. Besteht also Verwirrung der babylonischen Art beim Reden über nachhaltige Geldanlagen? Wie groß ist überhaupt der Anteil nachhaltiger Investitionen, die einen Nachhaltigkeits-Impact bewirken? Und was sind die Erfolgsbedingungen hierfür? Um diese Fragen ansatzweise beantworten zu können, stützen wir uns auf eine Studie, die am Center for Sustainable Finance and Private Wealth der Universität Zürich erstellt worden ist. Die 2020 veröffentlichte Studie von Julian F. Kölbel, Florian Heeg, Falko Paetzold und Timo Busch fasst den derzeitigen wissenschaftlichen Forschungsstand zum „Impact“ nachhaltiger Investoren zusammen.

Impact

Trotz des eben angesprochenen Hintergrundverständnisses ist es keinesfalls so, dass Investoren mit einer nachhaltigen Geldanlage primär Impact-Ziele „in der Welt“ verfolgen müssen. Sie könnten etwa finanzielle Risiken vermeiden wollen, die mit der Investition in ESG-schwache Unternehmen gemeinhin assoziiert werden. Ein anderer Beweggrund könnte das Interesse von Investoren an einer hohen Nachhaltigkeitsreputation in der Öffentlichkeit sein. Vielfach dürfte auch das Bestreben, zum eigenen Wohlgefallen die eigenen moralischen Präferenzen im eigenen Portfolio gespiegelt zu sehen, die Entscheidung für nachhaltiges Investment bestimmen. Die genannten Motive sind mit „nachhaltigen“ Investitionen ohne Impact (also Nachhaltigkeitsverbesserung) durchaus vereinbar.

Auch scheint die gängige Anlage- und Screening-Praxis beim nachhaltigen Investieren einer ESG-Wirkung ein wenig im Weg zu stehen. So bemängeln Kölbel et al. das vorherrschende statisches Verständnis. Damit meinen sie etwa Selektionskriterien der Geldanlage, die Unternehmen aufgrund schlechter ESG-Bewertungen ausschließen und nur Unternehmen einschließen, die in der Vergangenheit eine gute ESG-Performance erzielten. ESG-Impact sei aber Veränderung. Mit diesem dynamischen Verständnis rücken dann Investitionen in Unternehmen in den Fokus, deren ESG-Rating momentan schlecht ist, die aber ein hohes Verbesserungspotential versprechen. 

Kölbel et al. folgen in ihrer Überblickstudie einer in der Wissenschaft verbreiten Definition von ESG-Impact einer nachhaltigen Geldanlage, indem sie drei Kriterien anführen. Erstens muss ein klar definierter Parameter für den Impact festgelegt werden; das könnte beispielsweise Kohlendioxid-Emission sein. Zweitens muss ein Referenzwert für die Veränderung dieser Größe festgelegt werden; das wäre im Beispiel ein Ziel zur Reduktion der Kohlendioxid-Emission. Drittens muss die erzielte Veränderung (also die Emissionsreduktion) eindeutig auf eine konkrete Investition als Ursache zurückgeführt werden können; d.h. es muss hinreichend sicher sein, dass die Veränderung (Emissionsreduktion) ohne die Investition nicht erfolgt wäre. In Kurzform definieren die Autoren auf dieser Basis Impact als eine Veränderung eines spezifischen sozialen oder ökologischen Parameters, die durch eine Aktivität bewirkt wird. Was Aktivität in diesem Zusammenhang bedeutet, darauf gehen wir gleich noch näher ein. 

Ideal wird diese Definition von den sehr aufwendigen Social Impact Bonds umgesetzt, bei denen die Auszahlung wesentlich von jenem messbaren Erfolg / Impact abhängt, der auf die Aktivität zurückgeführt werden kann, die durch die Investition ermöglicht wurde. In den weitaus meisten Fällen der nachhaltigen Geldanlage erfolgt jedoch keine präzise Messung oder Erfassung des Impacts im eben definierten Sinn.

Investor Impact

Im Fokus des Forschungsüberblicks steht der Investor Impact. Um deutlicher zu machen, dass Investoren den erstrebten Nachhaltigkeits-Impact nicht unmittelbar bestimmen können, sondern nur mittelbar beeinflussen, differenzieren die Autoren die „Aktivität“, die den ESG-Impact bewirkt, zweifach: in die Investor-Aktivität und die Unternehmens-Aktivität. Auf die Investor-Aktivität kommen wir weiter unten noch ausführlicher zurück. Die Unternehmens-Aktivität besteht in den unternehmerischen Operationen, Dienstleistungen und Produkten. Anders als die Investor-Aktivität hat die Unternehmens-Aktivität eine unmittelbare Wirkung auf die interessierenden ESG-Parameter (z.B. auf die Kohlendioxid-Emission). Diese Wirkung ist der Unternehmens-Impact. 

Die Unternehmensaktivität – und damit auch der Unternehmens-Impact – ist das Ergebnis verschiedenster Bestimmungsfaktoren. Ein möglicher Faktor unter vielen ist die Investor-Aktivität. Der Investor-Impact ist nun der Anteil am Unternehmens-Impact, der kausal auf die Investor-Aktivität zurückzuführen ist. So wäre etwa denkbar, dass 1% eines gemessenen Unternehmens-Impacts auf Investoren-Aktivität und 99% auf andere Faktoren zurückzuführen sind. Dieses eine Prozent wäre dann der Investor Impact. 

Die Unternehmens-Aktivität differenzieren Kölbel et al. im Hinblick auf die Nachhaltigkeit zweifach: in die „Qualität“ der Unternehmens-Aktivität und in das „Niveau“ der Unternehmens-Aktivität. Ein ESG-Impact eines Unternehmens ist demzufolge Ergebnis einer Veränderung der (Nachhaltigkeits-) Qualität oder einer Veränderung des (Nachhaltigkeits-) Niveaus der Unternehmensaktivität.

Die Autoren machen dies am Beispiel eines Unternehmens anschaulich, das Solarmodule herstellt. Das Unternehmen verkauft 10.000 Solar-Module pro Jahr. Die Nachhaltigkeitsqualität dieser Produktion besteht in der Reduktion der Kohlendioxid-Menge pro Modul (bezogen auf einen Referenzwert) von 3 Tonnen. Daraus ergibt sich eine Einsparung von 30.000 Tonnen. Eine nachhaltige Investition mit Impact wird nun gemäß der oben gegebenen Definition die Nachhaltigkeit bzw. die eingesparte Kohlendioxid-Menge weiter erhöhen müssen. Dieses Ziel kann auf zwei Wegen erreicht werden: durch Erhöhung a) der Qualität oder b) des Niveaus der Modulproduktion. Die Verbesserung der Qualität wird im Beispiel dadurch erzielt, dass ein Investor das Management überzeugt, alte Module wiederzuverwerten. Dadurch steigert sich die Kohlendioxid-Reduktion um 10 Prozent, der Qualitäts-Impact besteht in 3000 Tonnen vermiedener Kohlendioxid-Emission. Das Niveau nachhaltiger Aktivität wird im Beispiel gesteigert, indem 10 Mio. Euro in das Wachstum der Modulherstellung investiert werden. Dadurch wird die Produktion um 10 Prozent ausgeweitet. Im Ergebnis besteht der Wachstums-Impact dieser Investition in 3000 Tonnen vermiedener Kohlendioxid-Emission.

Die Studie prüft nun den Stand der wissenschaftlichen Literatur zum nachhaltigen Investor Impact über die beiden Kategorien der nachhaltigen Unternehmens-Aktivität „Qualität(ssteigerung)“ und „(Niveau-)Wachstum“. 

Nun kommen wir nochmals zur Investor-Aktivität. Investoren können auf drei verschiedenen Wegen – vermittelt über die Unternehmens-Aktivität – Impact erzielen. Durch: a) Kapitalallokation; b) Shareholder Engagement; c) indirekte Wirkung. 

Investor-Aktivität durch nachhaltige Kapitalallokation ist nach gängiger Klassifizierung zwingend mit nachhaltiger Geldanlage verbunden. Shareholder Engagement und indirekte Wirkung sind zusätzliche Möglichkeiten nachhaltiger Intervention, die sich aus dem Investoren-Status ergeben. 

Um Missverständnissen vorzubeugen, ist an dieser Stelle anzumerken: Eine Investor-Aktivität hat diverse Wirkungen. So besteht z.B. die Möglichkeit, dass Kapitalallokation den Aktienpreis beeinflusst. Das ist dann zwar eine Wirkung der Investor-Aktivität, aber es handelt sich hierbei nicht um den gesuchten Investor Impact. Der Begriff Investor Impact ist ausschließlich für ESG-Wirkungen eines Unternehmens reserviert, die kausal auf die Investor-Aktivität zurückzuführen sind. 

ESG-Kapitalallokation und Investor Impact

Kapitalallokation bezieht sich auf die Gewichtung der Assets eines „Anlageuniversums“ in einem Portfolio (Bei Nichtinvestition bzw. Ausschluss ist die Gewichtung eines Vermögensgegenstandes gleich null). Bei nachhaltiger Geldanlage erfolgt diese Gewichtung in der Regel durch Screening (Ausschluss, Klassenbester, ESG-Integration in den Investment-Prozess usw.). Die hierdurch erzeugte Kapitalallokation eines nachhaltigen Portfolios weicht von der des breiten Marktportfolios ab. Wir bezeichnen im Folgenden den Investoren-Input durch Nachhaltigkeits-Screening kurz als ESG-Kapitalallokation oder ESG-Allokation. Zu prüfen ist in einem ersten Schritt, wie sich die ESG-Allokation (Investor-Aktivität) auf die Assetpreise bzw. die Finanzierungsbedingung eines Unternehmens auswirkt. Sodann, wie sich per ESG-Allokation veränderte Assetpreise auf die Qualität(sverbesserung) oder Niveau(veränderung) der nachhaltigen Unternehmens-Aktivität auswirken. Fügt man diese Zerlegung zusammen, dann lautet die Frage im Hinblick auf Investor Impact: Wie wirkt sich ESG-Kapitalallokation auf die Qualität oder das Niveau der nachhaltigen Aktivitäten eines Unternehmens aus. 

ESG-Allokation und Assetpreis

Können Anleger per nachhaltiger Kapitalallokation (bzw. Screening-Ansatz) überhaupt Assetpreise beeinflussen? Hierzu gibt es theoretische und empirische Studien. Eine ganze Reihe von theoretischen Studien modelliert Wirkungen der ESG-Allokation auf die Assetpreise, teils im Kontext von ESG-Impact-Modellen, teils auch unabhängig davon. Auch empirische Studien finden Belege, dass die ESG-Kapitalallokation die Assetpreise beeinflusst. Bei Greenbonds spricht einiges für allokationsbedingte Preiseffekte, auch Studien zu Sin Stocks finden solche. Untersuchungen zu Nachfrageeffekten auf Aktienmärkten sprechen gleichfalls für einen Einfluss der ESG-Allokation auf den Aktienkurs. Allerdings besteht kein Konsens darüber, wie stark diese Preiswirkungen sind und es ist auch unklar, wie viele (nachhaltige) Investoren erforderlich sind, um durch Screening eine für ESG-Effekte hinreichend starke Preisänderung zu erzielen. Gleichwohl dürfte, insbesondere wenn man sich an einigen theoretischen Studien orientiert, ein signifikanter Preiseffekt der ESG-Assetallokation dann wahrscheinlicher sein, wenn: a) ein großer Anteil der Investoren den gleichen Screening-Ansatz verfolgt; b) eine schwache Korrelation der betreffenden Assets mit dem Marktportfolio besteht. 

ESG-Allokation und ESG-Qualitäts-Änderung

Ein Preiseffekt ist noch nicht der gesuchte Investor Impact. Wirkt sich eine durch nachhaltige Allokation bedingte Preisänderung auf die Nachhaltigkeitsqualität eines Unternehmens überhaupt aus? Auch hier geben diverse theoretische Ansätze eine positive Antwort. Wenn beispielsweise die Bewertung der Managerleistung eng an den Aktienkurs gekoppelt ist, kann ein allokationsinduzierter Kursrückgang bei einem ESG-schwachen Unternehmens dazu führen, dass das Management die Nachhaltigkeitsqualität erhöht. Die Autoren einer Modell-Studie zur Wirkungskette Allokation-Preis-Impact errechneten, dass der Anteil der Investoren, die einen bestimmten Screening-Ansatz wählen, bei 20% liegen müsse, um Nachhaltigkeits-Reformen zu implementieren, die 5% des Cash Flows kosten. Allerdings sind die modellbasierten Ergebnisse sehr stark von den zugrunde gelegten Annahmen abhängig. Ähnliches gilt für Überlegungen zu den preisvermittelten Nachhaltigkeitseffekten von Divesting. Einheitlicher scheinen die Ergebnisse theoretischer Überlegungen zu den Erfolgsbedingungen zu sein: Eine Verbesserung der Nachhaltigkeitsqualität eines Unternehmens über den Preiseffekt ist demnach eher zu erwarten, wenn neben den beiden bereits oben genannten Erfolgsbedingungen – a) hohe Zahl ähnlich selektierender Investoren; b) geringe Marktkorrelation – auch c) die Kosten einer Nachhaltigkeitsreform im Unternehmen geringer sind. 

Insgesamt also zeigt die theoretische Literatur, dass Investoren durch ESG-Allokation über die Assetpreise einen Investor Impact im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsqualität erzielen können. Der Wermuts-Tropfen ist nur: Bisher konnte dieser Zusammenhang empirisch nicht bestätigt werden: Es gibt keine empirische Studie, die einen direkten Zusammenhang von ESG-Allokation und Qualitätsveränderungen nachweisen konnte. Harte wissenschaftliche Belege für einen Investor Impact über diesen Wirkungskanal gibt es also nicht.

ESG-Allokation und ESG-Niveau-Änderung

Die neben dem Qualitätsimpact zweite mögliche Nachhaltigkeitswirkung der Kapitalallokation ist der Wachstumsimpact. Erwartet wird hierbei, dass die Verbesserung (oder auch Verschlechterung / z.B. durch Divesting) der Finanzierungsbedingungen zu einer positiven (oder auch negativen) Veränderung des Niveaus der nachhaltigen (oder auch nichtnachhaltigen) Unternehmensaktivitäten führt. Oder kürzer gesagt, dass positives (oder auch negatives) Wachstum erfolgt. Die meisten Studien untersuchen die vermuteten positiven Wachstums-Effekte einer ESG-Allocation. Kölbel et al. unterscheiden in ihrer Überblicksstudie zwei Wirkungskanäle: einen eher indirekten über den Preis und einen eher direkten über Konzessionen bei der Finanzierung.

Die allokationsbedingten Preisänderungen erörterten wir eben schon im Zusammenhang mit dem Qualitätsimpact. Wirken sie sich auch auf das Wachstum eines Unternehmens aus? Kölbel et al. finden in den einschlägigen Studien keinen empirischen Nachweis, dass eine ESG-Allokation über den Preiskanal das Wachstum nachhaltiger Unternehmensaktivitäten generell beeinflusst. Die Studienautoren prüfen daher, ob dies wenigstens unter bestimmten Bedingungen der Fall ist. Eine mögliche begünstigende Bedingung ist die externe Finanzierung; eine andere sind beschränkte Finanzierungsmöglichkeiten.

Bei starker Abhängigkeit eines Unternehmens von externer Finanzierung ist denkbar, dass sich eine (nichtfundamentale) Preisveränderung des Aktienkurses auf das Investitionsverhalten / Wachstum eines Unternehmens auswirkt. Allerdings finden empirische Untersuchungen dafür kaum Belege. Bei Unternehmen, die eine Kapitalerhöhung durchführten, scheinen Aktienpreise keinen substantiellen Effekt auf das Wachstum zu haben. Daher stellt sich die Frage, ob dieser Effekt von weiteren Bedingungen abhängt. Und das ist Studien zufolge der Fall. Wenn nachhaltige Unternehmen mit externer Finanzierung stärkeren Finanzierungsbeschränkungen unterliegen, kann eine ESG-allokationsbedingte Preisveränderung einen Wachstums-Impact haben. Wachstumsverhindernde Beschränkungen dieser Art ergeben sich vor allem für kleine und junge Unternehmen in unreifen bzw. ineffizienten Finanzmärkten – wie sich insbesondere in Entwicklungsländern beobachten lasse. Dementsprechend vermuten Kölbel et al., dass sich in diesem Segment nachhaltige Kapitalallokation über den Preiseffekt auf das Wachstum nachhaltiger Aktivitäten positiv auswirken kann. 

Ein anderer Investoren-Input im Rahmen der Allokation sind direkte Konzessionen bei der Finanzierung nachhaltiger Unternehmen, d.h. Subventionen. Gerade Entwicklungsfinanzierer und andere öffentliche Akteure würden, so die Studienautoren, über Konzessionen die Finanzierungsbedingungen von Unternehmen gegenüber dem regulären Markt verbessern. Diese Option könnten auch private Investoren wählen.

Shareholder Engagement und Investor Impact

Über Shareholder Engagement versuchen Investoren, Entscheidungen des Managements im Rahmen ihrer formalen Investorenrechte zu beeinflussen. Erfolgreiches ESG-Engagement der Investoren wirkt in der Regel auf die Nachhaltigkeitsqualität eines Unternehmens. Die von den Autoren gesichteten Studien zeigen, dass Shareholder mit ihrem Nachhaltigkeits-Engagement zwar nicht immer das Management überzeugen können, dass dies aber dennoch recht häufig der Fall ist. Die Bandbreite der Erfolgswahrscheinlichkeit in den gesichteten Studien liegt zwischen 18 und 60 Prozent der berücksichtigen Nachhaltigkeitsinitiativen von Shareholdern. Diesen Erfolgsbefund stützt auch ein anderer Nachhaltigkeits-Indikator: denn es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen den als erfolgreich gemeldeten Shareholder-Aktionen und dem (davon unabhängigen) ESG-Rating eines Unternehmens. 

Die Erfolgswahrscheinlichkeit von nachhaltigem Shareholder Engagement hängt von verschiedenen Bedingungen ab. Die Studienautoren sprechen die drei wichtigsten an: Kosten (a), Investor-Einfluss (b) und ESG-Erfahrung (c). 

Zu a) Steigende Kosten einer Nachhaltigkeitsreform schmälern die Erfolgswahrscheinlichkeit.

Zu b) Die Erfolgswahrscheinlichkeit nimmt zu, wenn Anleger Großinvestoren eines Unternehmens sind; oder wenn ihr eigenes bzw. das gemanagte Gesamtanlagevolumen sehr groß ist; oder wenn Anleger miteinander kooperieren und zudem ein Investor, der mit dem Zielunternehmen denselben kulturell-rechtlichen Hintergrund teilt, die Führungsrolle übernimmt.

Zu c) In Unternehmen, die bereits früher auf Shareholder Engagement positiv reagierten oder die ein hohes ESG-Rating haben, ist die Erfolgswahrscheinlichkeit von weiterem Shareholder Engagement höher.

Alles in allem bestätigen die Autoren, dass die Chancen für Investoren gut sind, über Shareholder Engagement nachweisbar positiven Impact zu erzielen, vor allem wenn die Erfolgsbedingungen beachtet werden.

Indirekte Wirkung und Investor Impact

Mit indirekter Wirkung meinen die Studienautoren Einflüsse über Dritte auf Nachhaltigkeitsqualität und -niveau der unternehmerischen Aktivität. Dabei spielen Strategien der Kommunikation, die ein nachhaltiges Investment flankieren können, eine wichtige Rolle. Das sind a) Stigmatisierung; b) Werbung; c) Bewertung, d) Zeigeverhalten.

Stigmatisierung:  Eine Version davon ist die begleitende Kommunikation im Falle von Divestment, also die negativ wertende Begründung, weshalb man sich von einem Unternehmen als Investor zurückzieht. Die wissenschaftliche Literatur zur Wirkung von Stigmatisierung sei aber dünn. Jenseits von anekdotischen Berichten haben die Autoren keine Studie gefunden, die diesen Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsimpact explizit untersucht. 

Produktplatzierung (Endorsement): Das Gegenteil von Stigmatisierung ist „Werbung“ für ein nachhaltiges Unternehmen, indem es Investoren in ihr nachhaltiges Portfolio oder ihren Nachhaltigkeitsindex aufnehmen und damit positiv sichtbar machen. Dadurch könne, so eine Hypothese, die Reputation eines nachhaltigen Unternehmens sowie die Attraktivität für andere Anleger zunehmen. Allerdings fanden Kölbel et al. auch hier keine Studie, die diesen Effekt auf Wachstum oder Qualität explizit untersuchte. Aber Beobachtungen geben Grund zu der Annahme, dass dieser Werbeeffekt eher Unternehmen hilft, die in der Vergangenheit eine geringere ESG-Reputation hatten.

Bewertung (Benchmarking/Rating): Das Wachstum der ESG-Rating-Branche und auch der offensive Umgang von Investoren mit Nachhaltigkeits-Ratings in der Öffentlichkeit könnten einen Anreiz für Unternehmen darstellen, die Nachhaltigkeit der eigenen Aktivitäten zu verbessern. Die Studienautoren fanden in der gesichteten Forschungsliteratur keine Nachweise für indirekte Wirkung durch zusätzliche Nutzung des Rating-Instruments (extra Beauftragung und Nutzung von Rating als Impact-Instrument) durch Anleger. Allerdings gibt es Studien zur direkten Wirkung von Rating auf die Unternehmensaktivität: Hier sind die Ergebnisse uneinheitlich. Es gibt aber Hinweise, dass ein geringeres ESG-Rating die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ein Unternehmen seine ESG-Performance verbessert. Das Problem ist hier jedoch die fehlende Standardisierung und mangelnde Konsistenz von Ratings.

Zeigeverhalten (Demonstration): Bei dieser Variante zeigen Investoren in der Öffentlichkeit demonstrativ, dass sie nachhaltig investieren. Die Studienautoren unterscheiden in diesem Kontext zwei mögliche Effekte: Erstens die Etablierung von Nachhaltigkeit als soziale Norm, wozu aber Kölbel et al. keine Studie fanden. Zweitens die Steigerung der Investorengelder aufgrund der Vorbildfunktion von Nachhaltigkeitspionieren. Auch wenn manches Argument dafürspricht, dass sich auf diesem Weg Impact erzielen lässt, konnten Studien diese Strategie bislang nicht trennscharf von anderen möglichen Ursachen für Impact separieren. 

Insgesamt zeigt sich, dass im Hinblick auf die indirekte Wirkung die empirische Evidenz tendenziell dünn bis nicht vorhanden ist. Das liegt sicher auch an den Schwierigkeiten, die oft sehr diffusen Wirkungsketten messbar zu rekonstruieren.

Schluss

Der Forschungsüberblick zum Investor Impact zeigt eine klare Abstufung bei der Erfolgswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit vom gewählten Aktivitätskanal. Der nachgewiesen aussichtsreichste Aktivitätskanal für Investoren ist Engagement. Hierzu mag auch beitragen, dass Shareholder Engagement einfacher zu kontrollieren und empirisch zu untersuchen ist. Die Chancen über ESG-Kapitalallokation einen Investor Impact zu erzielen, sind generell deutlich geringer und ungewisser, aber unter bestimmten Bedingungen sind sie vorhanden. Dabei zeichnen theoretische Studien ein positiveres Bild der ESG-Impact-Chancen als empirische Untersuchungen. Empirische Belege für Investor Impact in der Qualitäts-Dimension gibt es nicht; allerdings können Bedingungen genannt werden, unter denen Investor Impact in der Wachstums-Dimension wahrscheinlicher wird. Die Chancen über indirekte Wirkung als Investor einen belegbaren ESG-Impact zu erzielen, scheinen hingegen fast vernachlässigbar zu sein. 

Die Überblicksstudie von Kölbel et al. identifiziert generelle und spezielle Erfolgsbedingungen für Investor Impact über die beiden vor allem in Frage kommenden Investor-Aktivitäten „Engagement“ und „ESG-Allokation“. Hohe Kosten einer Nachhaltigkeitsreform senken deren Erfolgswahrscheinlichkeit; Koordiniertes Verhalten von Investoren erhöht sie (Screening/Allokation; Engagement); Finanzierungsbeschränkungen insbesondere bei kleinen und jungen nachhaltigen Unternehmen, die sich auf wenig effizienten Märkten extern finanzieren müssen, machen einen ESG-Impact wahrscheinlicher (Allokation). 

Eingangs erwähnten wir, dass nachhaltige Geldanlage in der breiten Öffentlichkeit und in der Werbung häufig mit Impact assoziiert wird. Die Studie bestätigt aber den in der Nachhaltigkeitsforschung bekannten Befund, dass nur ein relativ kleiner Teil der nachhaltigen Anleger einen nachweisebaren oder wahrscheinlichen (Investor-)Impact erzielt. 

Nun ist es so, dass nach der üblichen Klassifikation nachhaltige Geldanlage allein über den Aktivitätskanal „ESG-Kapitalallokation“ definiert wird. Wer also Screening betreibt, legt schon nachhaltig an. Das ist jedoch nur eine der drei möglichen Investor-Aktivitäten, die wir besprochen haben. Sie hat eher eine nur schwache nachgewiesene Impact-Erfolgsbilanz. Handelt es sich also bei der gängigen Definition von nachhaltiger Geldanlage über Nachhaltigkeits-Allokation schon um einen täuschenden „Impact-Anstrich“? Angesichts der verbreiteten Konditionierung, bei nachhaltigem Investieren an ESG-Impact zu denken, müsste ein strenger Richter diese Frage vielfach mit einem Ja beantworten. Dagegen kann man einwenden, dass Geldanlage von „Geld anlegen“ kommt und dass „Geld anlegen“ nun einmal primär „Allokation“ bzw. Asset-Selektion ist, und nicht „Shareholder Engagement“ oder „indirekte Wirkung“. So könnte die Verteidigung plädieren. Allerdings hat der Finanzmarkt in diesem durchaus nicht einfachen Fall schon sein eigenes Urteil gesprochen, indem er das Segment „Impact Investing“ in einem längst noch nicht abgeschlossenen Prozess ausdifferenziert. 

Link zur Studie: Can Sustainable Investing Save the World? Reviewing the Mechanisms of Investor Impact

https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/1086026620919202