Mischung – Korrelation – Multi Asset

Was tun, wenn die Zukunft der Aktien-Anleihen-Korrelation ungewiss ist? Eine neue Studie zur historischen, gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklung der Korrelation von Aktien und Anleihen präsentiert eine Antwort.

Die Korrelation kann einen Wert von 1 bis -1 annehmen. Hier einige Beispiele für Korrelationen.

Aktien kombiniert mit Anleihen bilden die klassischen Mischfonds. Ein wichtiger finanzmathematischer Aspekt ist dabei die Korrelation der Renditen der beiden Vermögensklassen. Die Korrelation drückt aus, wie sehr sich Aktien- und Anleiherenditen gegenläufig oder gleichläufig bewegen. Eine überwiegend gegenläufige Bewegung der Renditen (negative Korrelation) impliziert im Vergleich mit gleichläufiger Bewegung (positive Korrelation) ein geringeres Risiko für ein einfaches Aktien-Anleihen-Portfolio.

Nicht selten wird unterstellt, dass sich Aktien- und Anleihen-Renditen generell gegenläufig bewegen, dass die Korrelation also im Allgemeinen negativ ist. In den 00er und 10er Jahren des 21. Jahrhunderts war dies in der Tat meistens der Fall. Dennoch war es im Jahrhundert zuvor, im 20ten also, weitgehend anders: negative Korrelationen zwischen Aktien und Anleihen waren eher die Ausnahme. Die Regel waren positive Korrelationen.

Der Blick auf die Historie zeigt also: Korrelationen sind nicht fix, Vorzeichen und Stärke der Korrelationen ändern sich mit der Zeit. Das ist bei der strategischen Komposition von Portfolios zu beachten, um die sich wandelnden Risiken in einer sich verändernden makroökonomischen Umwelt angemessen einschätzen zu können.

Überraschungs-Verhältnisse

Was sind die Gründe für veränderte Korrelationen? Wann sind Korrelationen von Aktien und Anleihen überwiegend negativ, wann hauptsächlich positiv? Auf diese Fragen gab eine Gruppe von Finanzmarktforschern von AQR Capital Management in einem Beitrag für „The Journal of Portfolio Management“ im März eine zunächst einfach scheinende Antwort. Die besagt, dass die beiden herausragenden volkswirtschaftlichen Messgrößen auch die Haupttreiber für Richtung und Stärke von Aktien- und Anleiherenditen und somit für die Korrelationen sind: Inflation und Wirtschaftswachstum. Allerdings ist die Angelegenheit bei näherem Hinsehen nicht ganz so simpel. Denn an Finanzmärkten werden Erwartungen gehandelt. Daher geht es genaugenommen nicht eigentlich um Inflation oder Wachstum, sondern um den Überraschungswert von Nachrichten über Inflation und Wachstum. Aber auch das ist noch zu unpräzise. Denn es kommt letztlich nicht auf die absolute Überraschung von News an, sondern auf die relative Überraschung. Also auf Wachstumsüberraschungen relativ zu Inflationsüberraschungen. In Aktien-Anleihen-Korrelationen reflektieren sich demzufolge Überraschungs-Verhältnisse.

Welche ökonomische Logik steckt dahinter?

Die Autoren skizzieren ihre Hypothesen anhand der vermuteten ökonomischen Zusammenhänge zwischen Wachstum und Inflation einerseits und Aktien-Renten-Korrelation andererseits.

Wachstum-News: negative Korrelation

Wenn beispielsweise Konjunkturforscher im Konsens in ihren neuen Veröffentlichungen mit einem deutlich höheren Wachstum rechnen als bisher, ist das auch für Investoren eine Überraschung. In Bezug auf Aktien bedeutet dies: Anleger erwarten einen höheren künftigen „Cashflow“; infolgedessen kommt es zu einem Anstieg der Aktienkurse.

Auf der Anleiheseite antizipieren Investoren als Reaktion auf eine positive Wachstums-Nachricht einen höheren realen Gleichgewichtszins und einen höheren Leitzins. Steigen aber die Marktzinsen, dann fallen die Anleihekurse.

Bei News, die ein geringeres Wachstum erwarten lassen, sind die Effekte umgekehrt: Kurse von Aktien fallen und Kurse von Anleihen steigen.

Es gilt also für Wachstumsüberraschungen – positive wie negative: Aktien-Renditen und Bond-Renditen bewegen sich in die entgegengesetzte Richtung. Die Korrelation ist somit negativ.

Inflations-News: positive Korrelation

Führen News zu der Erwartung, dass die Inflation höher sein wird als bisher angenommen, dann zeige die Erfahrung, so die Studienautoren, dass im Aktienbereich die Kurse überwiegend fallen.

Bei Anleihen reduziert sich in diesem Fall direkt der reale Cash Flow. Zudem rechnen Investoren mit einer Reaktion der Geldpolitik und einer höheren kurzfristigen Zinsrate. In der Folge fallen die Kurse von Anleihen.

Führen frische Informationen zur Antizipation einer geringeren Inflation als bisher erwartet, kehren sich die Vorzeichen bei beide Assetklassen um: Sowohl Aktien- wie Rentenkurse steigen.

Somit haben bei Inflationsüberraschungen Aktien- und Anleihe-Renditen das gleiche Vorzeichen, die Korrelation ist positiv. Allerdings reagieren Anleihen auf Inflationsüberraschungen historisch deutlich stärker als Aktien.

Nochmals zusammengefasst: Bei überraschenden Wachstums-Nachrichten neigen Aktien und Anleihen zu negativer Korrelation. Bei überraschenden Inflations-Nachrichten neigen sie zu positiver Korrelation.

Historische Entwicklung der Korrelation

Die Autoren untersuchen diese hypothetischen Zusammenhänge anhand eines in zwei Schritten entwickelten Schätz-Modells auf Basis historischer Daten. Als indirekten bzw. stellvertretenden Indikator für den Überraschungs-Grad verwenden die Studienautoren in ihrem Modell die leichter messbare historische Volatilität von Wachstum und Inflation. In ihrem Grundmodell berücksichtigen sie drei mögliche Erklärungsfaktoren der Aktien-Anleihen-Korrelation: a) die Volatilität der Inflation; b) die Volatilität des Wachstums; c) die Korrelation von Wachstum und Inflation.

Die Analyse führen sie für die USA im Zeitraum zwischen 1936 und 2022 durch. Die US-Aktienwelt vertritt der S&P 500, für Anleihen stehen zehnjährige US-Staatsanleihen. Das Ergebnis der statistischen Analyse ist: Die Aktien-Anleihen-Korrelation hängt a) positiv mit der Volatilität der Inflation, b) negativ mit der Volatilität des Wachstums und c) negativ mit der Korrelation von Wachstum und Inflation zusammen. Wir gehen auf diese Zusammenhänge gleich noch etwas näher ein.

Zunächst ist aber festzuhalten, dass die drei Größen gemeinsam 71 Prozent der Varianz der Aktien-Anleihen-Korrelation erklärten. Das ist eine gute Erklärungskraft, wobei der größte Erklärungsanteil auf die Wachstums-Inflations-Korrelation (35%) und die Inflations-Volatilität (30%) entfällt.

Die Studienautoren führten die Analyse unter Einbezug anderer Länder für den Zeitraum zwischen 1960 und 2022 durch. Für diese Phase erklären die drei genannten Faktoren in den USA rund 79 Prozent der Varianz der Anleihen-Aktien-Korrelation. In Deutschland waren es sogar 85 Prozent, in Japan 67, in UK 52, in Frankreich 39 und in Italien 32 Prozent. Die Erklärungskraft der drei Faktoren zusammen ist zwar zum Teil sehr hoch, sie variiert aber mit den Ländern. Abstrakter ausgedrückt: die Bedeutsamkeit der drei Faktoren für die Aktien-Anleihen-Korrelation variiert in Raum und Zeit.

Das zeigt auch, dass das Modell Grenzen hat, worauf die Autoren jedoch ausdrücklich hinweisen: Mögliche andere Erklärungsfaktoren wurden nicht berücksichtigt; es wurden langfristige Veränderungen adressiert, nicht die komplizierteren kurzfristigen; Analysebasis sind breite Aktien-Indizes, stärkere Segmentierung kann zu anderen Ergebnissen führen.

Was besagen die Ergebnisse ökonomisch-historisch?

Die Studienautoren sehen den Vorteil des Modells insbesondere in der Aufklärung des Übergangs von positiven zu negativen Aktien-Anleihen-Korrelationen um die Jahrhundertwende – sie konzentrieren sich deshalb auf die zwei Jahrzehnte vor der Wende vom 20ten ins 21te Jahrhundert und die zwei Jahrzehnte danach.

In der Zeit von Ende der 1980er Jahre bis 2000 gelang es immer besser, die Inflation zu stabilisieren. Die Inflationsvolatilität (bzw. Inflations-Überraschungen) ging zurück und das trug der Studie zufolge auch zum Rückgang der Korrelation von Aktien und Anleihen bei.

Wenn die Wachstumsvolatilität (bzw. Wachstums-Überraschungen) zunimmt, nimmt die Korrelation von Aktien und Anleihen ab. Bei Dominanz der Wachstumsüberraschungen ist die Korrelation negativ. Das war in den ersten beiden Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts der Fall.

Die Wachstums-Inflations-Korrelation stieg, ausgehend von einem stark negativen Wert zwischen Ende der 90er Jahre bis etwa 2010 kräftig an, seither ist diese Korrelation deutlich positiv. Eine Zunahme der Korrelation von Wachstum und Inflation impliziert aber eine Abnahme der Korrelation von Aktien und Anleihen. Und das ist in diesem Zeitraum auch erfolgt.

Insgesamt führte dieser Prozess zu einem Übergang von positiven zu negativen Aktien-Anleihen-Korrelationen um die Jahrhundertwende.

Die Studienautoren favorisieren insbesondere zwei Erklärungen für dieses Umschalten von „Plus“ auf „Minus“: Erstens die Veränderung des dominanten Schock-Typs, zweitens die Erwartungsbildungspolitik der Zentralbanken. Die 2000er Jahre seien, so die Autoren, geprägt gewesen von Nachfrageschocks und einem Bedeutungsverlust der geldpolitisch problematischeren Angebotsschocks, die z.B. die 70er Jahre dominierten. Das habe entscheidend zu einem Rückgang der Aktien-Anleihen-Korrelation beigetragen. Zudem sei es der Geldpolitik seit den 80er Jahren immer besser gelungen, Inflation auf einem erwünschten Niveau zu stabilisieren sowie die langfristigen Inflationserwartungen der Marktteilnehmer fester zu verankern. Dadurch habe sich die Inflationsvolatilität stark vermindert, was zum Rückgang der Aktien-Anleihen-Korrelation in den Negativbereich beigetragen habe.

Das hat sich jedoch in jüngster Zeit verändert. Die Autoren sehen die schweren Angebotsschocks der letzten Jahre als Hauptursache für die kräftig angewachsene Inflation und gedrücktes Wachstum, was 2022 zu einem starken Anstieg der Aktien-Anleihen-Korrelation geführt hat. Sollte sich diese Tendenz fortsetzen, dann wäre, so die Autoren, in nächster Zukunft mit positiven Aktien-Anleihen-Korrelationen zu rechnen. Sollte es den Zentralbanken jedoch gelingen, die Inflation wieder in den Griff zu bekommen und zu einer „Normalisierung“ des Wachstums beizutragen, könnten die Korrelationen wieder in den negativen Bereich schwenken. Die aktuelle Frage ist dann: was tun in einem solchen Kontext der Unsicherheit?

Was tun?

Die Frage lautet genauer: Wie sollte die Reaktion der Anleger auf die sich ändernden Korrelationen von Anleihen und Aktien aussehen?

Die Studienautoren fordern, dass zunächst ein breiteres Bewusstsein für die historisch sich wandelnden Korrelationen und die Treiber der Korrelations-Regimes geschaffen werden müsse. In diesem Kontext empfehlen sie u.a. Szenarioanalysen und Pläne für den Fall einer steigenden Korrelation. Darüber hinaus sehen sie in wenig korrelierten alternativen Anlagen wichtige Zutaten für ein bislang auf Anleihen und Aktien beschränktes Portfolio. Sie sprechen an: Illiquide Alternative (Private Equity, Public Credit), die aber nur begrenztes Diversifikationspotential hätten. Über Rohstoffe seien die Diversifikationschancen langfristig besser. Long-Short-Strategien und Alternative Risikoprämien, also „Faktoren“, die wenig mit Aktien- und Anleiherenditen korrelieren, kämen ebenfalls in Frage. Schließlich versprechen sie sich auch von dynamischen Strategien (Trend, Macro) langfristig eine geringe Korrelation.

Die Antwort der sechs Studienautoren von AQR Capital Management lautet also kurzgefasst: um möglichst gut durch eine Anlagewelt mit veränderlichen Korrelationen von Anleihen und Bonds durchzukommen, sei heutzutage eine Erweiterung des Anlagespektrums um alternative, wenig korrelierte Anlageklassen erforderlich. Also ein Übergang von Misch- zu Multi-Asset-Portfolios.

Link zur Studie: A Changing Stock-Bond Correlation. Drivers and Implications