Mehr Transparenz!

Welche Hausaufgaben Politik, Unternehmen und Investoren machen müssen, um die Anleihenkrise schnell zu überwinden. RenditeWerk sprach mit Hans Jürgen Friedrich, dem Gründer und Chef der KFM Deutsche Mittelstand, über den Anleihenmarkt.



Hans Jürgen Friedrich, Gründer und Chef der KFM Deutsche Mittelstand gilt als einer der führenden Mittelstandsexperten. Seit 2020 berät Friedrich u.a. die Europäische Kommission (FISMA) bei der Weiterentwicklung der Kapitalmarktregulation. Er ist leitender Manager des Deutsche Mittelstandsanleihen und Europäische Mittelstandsanleihen Fonds.

RenditeWerk: Wie waren die letzten Monate aus der Sicht eines Anleihen-Managers?

HJ Friedrich: Ganz ehrlich? Sehr schmerzhaft. Ich habe das in 35 Jahren Berufserfahrung so hart noch nicht erlebt. Vor dem Hintergrund der geldpolitischen Maßnahmen ist eine solche Bewegung nachvollziehbar, vor allem in den Anleihen mit „Investment-Grade“ Status.

RenditeWerk: Haben wir denn wenigstens damit das Schlimmste an den Anleihenmärkten hinter uns?

HJF: Wenn Sie damit meinen, ob wir die Phase schlechter Nachrichten hinter uns gebracht haben, dann ist meine Antwort klar: Nein, ich fürchte da kommt noch was. Führende Volkswirte prophezeien einen Höhepunkt im ersten Quartal 2023.

RW: Auf welche schlechten News müssen wir uns noch gefasst machen?

HJF: Wir werden aus meiner Sicht noch eine Menge Gewinnwarnungen erleben und die sich gerade aufbauende Insolvenzwelle wird wohl noch ein ganzes Stück wachsen. Die Zinssteigerungen der Notenbanken sind noch nicht am Ende und dann taucht am Horizont Basel IV auf. Mit den weiter verschärften Eigenkapitalvorschriften für Banken werden Kreditzusagen weiter eingeschränkt werden. Dies erschwert eine weitere Wachstumsfinanzierung der Unternehmen zusehends.

RW: Dann müssen Stiftungen noch eine ganze Weile warten, bis sie wieder in Anleihen investieren können?

HJF: Es gibt nicht den einen Anleihenmarkt und es macht einen Unterschied, ob man selbst Anleihen aussucht oder einen professionellen Manager damit betraut, aber die Frage danach, wieviel der kommenden Negativ-Nachrichten schon eingepreist sind, ist umstritten. Ich gehöre eher zu denen, die zur Vorsicht mahnen.  

RW: Was muss denn überhaupt passieren, damit die Dinge schnell und möglichst andauernd in die richtige Richtung laufen?

HJF: Da muss jeder seine Hausaufgaben machen, also Politik, Unternehmen und auch die Investoren.

RW: Fangen wir mit der Politik an

HJF: Die Hausaufgabe der Politik besteht zunächst darin, den Bürokratie- und Vorschriftsdschungel im Mittelstand zu lichten. Das fängt ganz simpel bei den Zulassungszeiten für Windparks an, wo nach den Ankündigungen der Politik vor den Wahlen jetzt Taten folgen müssen. Dann geht es darum, die Möglichkeiten, die der Kapitalmarkt bietet, für Unternehmen als Schuldner auch wirklich handhabbar zu machen. Es gibt zu viele Hürden für Unternehmen, die sich über eine Anleihe, ein Debt-Venture oder etwas ähnliches Kapital beschaffen möchten. Schließlich sollten auch gesetzliche Hürden für Investoren, insbesondere für semiprofessionelle Investoren wie es viele Stiftungen sind, abgebaut werden, damit die in die ganze Breite des diversifizierten Anleihenmarktes investieren können.

RW: Die Hausaufgaben der Unternehmen?

HJF: Die Unternehmen dürfen nicht vergessen, dass jede Krise auch eine Chance darstellt, die sie nicht nutzlos verstreichen lassen dürfen. Ganz allgemein gilt, dass die Zeiten, in denen jedes Unternehmen eine Hausbank hatte, mit der sie ihre Finanzgeschäfte abgewickelt hat, vorbei ist. Unternehmen müssen gute Kontakte zu mehreren Banken haben und sie müssen verstärkt die Möglichkeiten, die der Finanzmarkt bietet, nutzen. Um sich dort dann erfolgreich zu finanzieren, müssen die Unternehmen allerdings auch das Werkzeug der Transparenz aktiv nutzen.

RW: Glauben Sie wirklich, der Mittelständler öffnet seine Bücher für alle Augen?

HJF: Mehr Transparenz ist aus meiner Sicht unumgänglich für ein modernes Unternehmen in Sachen Passivseite. Ohne dem wird es nicht mehr gehen. Denken Sie nur daran, was auf die Unternehmen alles unvorhergesehen in den vergangenen Jahren eingeprasselt ist. Nur wer da genug Vertrauen bei seinen Investoren eben auch durch Transparenz und gute Kommunikation aufgebaut hat, kann dann auf Entgegenkommen hoffen, wenn er sagt, jetzt täte uns eine Verlängerung der Laufzeit unserer Finanzierung um ein Jahr wirklich gut.  

RW: Was sind denn die Chancen, von denen Sie sprachen?

HJF: Erstmal muss man sich klar machen, dass der deutsche Mittelstand aus rund sechs Millionen Unternehmen besteht, die zusammen einen Umsatz von über 5,5 Billionen Euro mit rund 40 Mio. Beschäftigten erzielen. Die Vielfalt des deutschen Mittelstands und seiner Leistungsfähigkeit ist ein kapitales Pfund, das so kein anderes Land dieser Welt hat. Die müssen sich jetzt in der Krise fit machen für eine neue Wachstumsphase, Strukturen überprüfen, sich überprüfen. Dazu kann die Krise übrigens auch sehr hilfreich sein, weil etwa wieder Arbeitskräfte für die wachstumsstarken Unternehmen erreichbar werden, die vorher in kaum noch wettbewerbsfähigen Unternehmen gebunden waren. Daraus ergeben sich erhebliche Wachstumschancen.

RW: Gibt es auch Hausaufgaben für die Investoren?

HJF: Ja, auch auf der Seite der Investoren gab es Defizite. Das Gewichtigste aus meiner Sicht: Die Investoren müssen in den aktiven Austausch mit den Schuldnern gehen, um zum Beispiel Nachhaltigkeit einzufordern.

RW: Verlangen Sie das auch von Stiftungen?

HJF: Nein, das betrifft eher die großen institutionellen Anleger. Mittelgroße Stiftungen werden da ja meist durch einen Fondsmanager vertreten. Aber natürlich hilft es, wenn auch eine Stiftung Fragen an das Fondsmanagement stellt und dort genau die Transparenz einfordert, die wir von den Unternehmen verlangen.