„Konservativ ist alles, was einen systematischen Ertrag verspricht.“

Frank Wettlauffer ist einer der Initiatoren des (von uns schon zum Stiftungsfonds des Jahres gekürten) Smart & Fair-Fonds. Der Fonds setzt ganz klassisch auf eine 70 zu 30 Verteilung von Anleihen und Aktien. Wir fragten Wettlauffer, wie zeitgemäß ein solcher Anlagenmix heute noch ist.

Frank Wettlauffer ist geschäftsführender Gesellschafter der Wettlauffer Wirtschaftsberatung GmbH und einer der Initiatoren des Smart & Fair-Fonds

RenditeWerk: Stiftungsfonds sind zumeist – wie auch der Smart & Fair-Fonds (sff) – als defensive, also sicherheitsorientierte Mischfonds konzipiert mit einem Hauptgewicht auf Anleihen. Die Geschichte zeigt aber, dass Stiftungen, die verstärkt oder nur auf Anleihen gesetzt haben, durch die vielen Staatspleiten, verlorenen Kriege, Hyperinflationen und Währungsschnitte in jedem Jahrhundert mehrfach pleite gegangen sind oder wären. Können Anleihen für Stiftungen wirklich konservative Anlagen sein?

Frank Wettlauffer: Ja, natürlich, Ihre Horrorszenarien zeigen ja nur, dass man diversifizieren muss und zwar breit über Regionen und Emittenten. Es gab ja nicht überall gleichzeitig Kriege.

RW: Die Anleihe scheint doch für historische Katastrophen besonders anfällig. Darf man so etwas eine konservative Anlage nennen? 

FW: Erstklassige Anleihen sind die konservativste Anlage überhaupt. Höhe und Zeitpunkt der Rückzahlung steht fest. Für die Überlassung des Geldes für einen bestimmte Zeit erhalte ich einen Zins. Dessen Höhe wird von dem geforderten Realzins für die Kapitalüberlassung und der erwarteten Inflation zum Ausgleich der Geldentwertung bestimmt. Es mag sein, dass die Zentralbanken den langfristigen Zins nach unten manipulieren – Untersuchungen kommen zu rund 0,5 % zu niedrigen Zinsen. Aber im Großen und Ganzen ist der Zins marktgerecht. Zusätzlich kann die Stiftung diesen risikolosen Zins noch vergrößern durch eine Risikoprämie, die es gibt, wenn sie sich das Zinsänderungsrisiko oder das Ausfallrisiko ans Bein bindet.

Gerade nach dem jüngsten Zinsanstieg sind festverzinsliche Anleihen für sehr konservative Anleger wieder attraktiv. Es gibt wieder auskömmliche Zinsen und die Sicherheit des nominalen Kapitalerhalts. Geldanlagen mögen nicht das ideale Instrument für den GAU der Währungsreform sein – für die praktische Stiftungsarbeit sind sie auf jeden Fall geeignet.

RW: Wir haben den Verdacht, dass sich Stiftungen insgesamt zu stark an der institutionellen Kapitalanlage orientiert haben, die im Cash anstatt in Immobilien einen sicheren Hafen sieht.

FW: Meinen Sie, Immobilien sind auf längere Frist immer eine gute Investition? Wer vor 20 Jahren sichere Anleihen mit acht Prozent Kupon gekauft hat, konnte bis heute gut schlafen und gut essen. Wer vor 20 Jahren Immobilien in USA, Spanien oder in manchen ländlichen Gebieten in Deutschland erstanden hat, hat bis heute ziemliche Renditeprobleme. Und wer kürzlich Immobilien erworben hat, dem stehen wahrscheinlich signifikante Wertminderungen bevor, weil Zinssteigerungen und massiv gestiegene Nebenkosten die Ertragslage verschlechtern. Zumindest lassen die um rund 50% gefallenen Preise der Immobilienaktien dieses Szenario vermuten. Auch der demographische Wandel wird größere Probleme für Immobilien bringen. Unabhängig davon unterliegen Immobilien den Risiken staatlicher Eingriffe sowie Naturkatastrophen und Kriegen. Die jüngsten Erfahrungen im Ahrtal, der Ukraine, der Berliner Wohnungsenteignungsinitiative bzw. den massiven Grundsteuern zeigen, dass diese Risiken real sind.

Leider kann ich wegen der Immobilität mein Mehrfamilienhaus nicht in attraktivere, aufstrebende Regionen verlegen – die Produktion von Zahnpasta und den Verkauf von Autos schon… Und um die Risikobetrachtung von Immobilien auf der Einzelebene rund zu machen: Wenn die Attraktivität infolge einer Veränderung der unmittelbaren Nachbarschaft nachlässt, müssen Sie das wohl oder übel ertragen.

Wie Sie sehen, bin ich kein großer Freund von Immobilien als Anlagegut. Die eigenen vier Wände im Eigentum sind perfekt, aber im Vergleich zu Unternehmensbeteiligungen via Aktien führt die geringe Flexibilität und die geringe Diversifikationsmöglichkeit zu höheren Risiken.

RW: Was sind 20 Jahre für einen auf Ewigkeit angelegten Investor? Ein Realwert dagegen …

FW: Mir gefällt die Unterscheidung zwischen Realwert und Nominalwert nicht. Ich weiß gar nicht, was ein Realwert ist. Ist eine Anleihe eines Immobilienunternehmens ein Realwert? Nein. Aber die Aktie schon. Ist die Aktie von Facebook, also einer Softwarefirma ein Realwert?  Realwert ist ein Euphemismus für Eigenkapital. Letztendlich geht es darum, wer welche Risiken und Chancen bei einer Unternehmung trägt. Richtig ist aus meiner Sicht die Unterscheidung von Eigenkapital und Fremdkapital.

RW: Anleihen sind aus unserer Sicht nominal fixierte Forderungen, die nicht nur durch Insolvenzen, sondern eben auch durch Währungsschnitte etc. wertlos werden können. Bei Immobilien etwa im direkten Besitz bestehen beide Gefahren nicht. Aktien sind aus unserer Sicht hybride Vermögenswerte, die zwar die Insolvenzgefahr, aber nicht die Geldentwertung fürchten müssen.

FW:  Ok, wenn Sie das so sehen, dann ist das zum einen die Frage nach dem Geldwert und der Wahrscheinlichkeit einer unerwarteten und bleibenden Inflation. Dieses Risiko muss gegen die Risiken der Realwertanlagen abgewogen werden. Wie gesagt: gerade Immobilien unterliegen in echten Krisenzeiten vielen Risiken. Eine differenziertere Betrachtung dieser Frage würde ein weiteres Interview mit einem Experten erfordern.

Zum anderen stellt sich die Frage welche Anlagen vor Geldentwertung schützen. Klar: Unternehmensbeteiligungen sowie Grund und Boden haben bei Hyperinflationen große Chancen einigermaßen wertbeständig zu bleiben. Entsprechend trommeln interessierte Kreise auch das Katastrophenszenario herbei. Aber bei moderaten Inflationsraten sieht das ganz anders aus. Da sind Aktien und Immobilien häufig kein gutes Investment. Der Grund liegt in den steigenden Zinsen, zu denen die Inflation führt. Hohe Zinsen sind Gift für Unternehmens- und Immobilienwerte. Auch kann nicht jedes Unternehmen und jeder Vermieter die Inflationsrate weitergeben. Oder kennen Sie einen Vermieter, der die Miete in diesem Jahr um 10 % angehoben hat?

Höhere Zinsen machen wiederum Anleihen attraktiv. Ja, in diesem Jahr erhält man keinen Inflationsausgleich mit Zinsanlagen. Dafür kam die Inflation für die meisten Anleger ja auch überraschend. Für die Zukunft sollte aber die erwartete durchschnittliche Inflation zumindest zu großen Teilen durch die Zinsen der Anleihen kompensiert werden. Wer dann noch etwas mehr Ertrag haben möchte, muss – so wie in den letzten Jahren auch – Risiken eingehen.

Kurzum: Geldentwertung ist eines von vielen Risiken. Aus Angst davor ungewünschte Risiken einzugehen, ist nicht empfehlenswert. Wer allerdings bewusst gut verstandene und tragbare Risiken erhöht, um höhere Erträge als Risikopuffer für unerwartete Inflation zu generieren, sollte dies auf jeden Fall machen. Ob allerdings sogenannte Realwerte in Zeiten allgemeiner Inflationsängste gerade besonders preiswert sind, wage ich zu bezweifeln…

RW: Passt die Anlagecharakteristik konservativ/risikoreich überhaupt für auf die Ewigkeit angelegte Stiftungen?

FW: Kommt darauf an, was Sie darunter verstehen. Konservativ ist alles, was einen dauerhaften, systematischen Ertrag mit Risikoprämie ermöglicht. Auch wenn es kurzfristigen Schwankungen unterliegt. Risikoreich ist alles, was spekulativ ist und keinen dauerhaften systematischen Ertrag hat. Gold, Kunstwerke etc., dies sind für mich riskante Spekulationen ohne Ertrag und daher nicht geeignet für Stiftungen. Allerdings werden temporäre Schwankungen der ertragsbringenden Anlagen von vielen auch als Risiken angesehen, obwohl sie dies objektiv wegen der Dauerhaftigkeit der Stiftungen nicht sind. Entsprechend gibt es ja auch eine Risikoprämie, deren Existenz in der Wissenschaft als „Equity Risk-Premium Puzzle“ beschrieben wird. Angesichts des langen Zeithorizonts der meisten Anleger dürften diese keine Risikoprämie gegenüber einer sicheren Anlage fordern. Tun sie aber. Gelassene Stiftungen können sich die Risikoaversion der meisten Anleger zunutze machen und möglichst viel in schwankungsreiche Anlagen investieren. Wieviel hängt dann von der Risikotragfähigkeit der beteiligten Personen ab. Nichts ist schlimmer, als wenn sie 50 % in Aktien investieren, und sobald sie 20 % unter Wasser liegen, aus Angst vor weiteren Kursverlusten alles verkaufen. Der Umgang mit den Wertschwankungen ist sehr subjektiv und braucht häufig viel Erklärung und Begleitung. Theoretisch haben Sie recht. Würde die Stiftung von Robotern verwaltet, wäre eine 100 %ige Aktienquote wahrscheinlich die konservativste Anlage.

RW: Ist nicht gerade im Anleihenbereich ein passiver Investmentansatz, der einfach einem bestimmten Index folgt, ohne sich ändernde Bedingungen zu berücksichtigen, besonders gefährdet, in eine historische Katastrophe zu schliddern?

FW: Das ist zum einen die Frage nach dem aktiven Management. Wie Sie wissen bin ich bezüglich des Mehrwerts aktiv gemanagter Fonds sehr skeptisch. Die Empirie zeigt: Viele versuchen, die sich ändernden Bedingungen zu berücksichtigen und sind dabei trotz bzw. wegen hoher Gebühren wenig erfolgreich. Ich halte viel davon, ein effizient diversifiziertes Anleihen-Portfolio aufzubauen und dies dann liegen zu lassen.

Wohlgemerkt: Das ist kein ETF-Konzept. Sich an einen Index zu ketten, halte ich für weniger effizient, da Indizes üblicherweise nicht gut diversifiziert sind. Insofern sind auch unter dem Diversifikationsaspekt viele aktive Fonds aus Anlegersicht suboptimal. Sie orientieren sich häufig an Indizes. Beim sff verzichten wir aus diesem Grund auf eine Benchmark und haben über 300 verschiedenartige Emittenten mehr oder weniger gleichgewichtet. Sollte es also zu Zahlungsschwierigkeiten bei einer Anleihe kommen, fällt das nicht ins Gewicht. Vergleichen Sie dies mit dem Klumpenrisiko bei den Indizes. Allein 8 % der Anleihen sind vom italienischen Staat. Hinzu kommt noch eine Scheindiversifikation: Oder glauben Sie, dass bei Zahlungsschwierigkeiten Italiens die im Index enthaltenen 5 %-Anleihen aus Spanien ihren Wert behalten?

RW: Sollten Stiftungen, wenn sie in Anleihen investieren wollen, aus langfristig strukturellen Erwägungen so etwas wie einen realen Wertanker suchen, also etwa Wandelanleihen oder zinsflexible Anleihen bevorzugen?

FW: Ich möchte kein Haarspalter sein, aber Stiftungen sollten niemals in Anleihen investieren, sondern mittels Anleihen in etwas Ertragsgenerierendes. Das ist also die Frage, welche Risiken man übernehmen und dafür honoriert werden möchte. Bei zinsflexiblen Anleihen geht die Stiftung als Investor eine Wette ein, dass die Inflationsrate größer wird als vom Markt erwartet. Ob sie schlauer ist als der Markt, wage ich zu bezweifeln.

Wandelanleihen sind wie ein gemischter Fonds, nur komplizierter. Die wenigsten Stiftungen verstehen sie. Überlässt man die Sache Profis, geht wegen der hohen Gebühren zu viel Ertrag verloren. Außerdem gibt es keine vernünftige Diversifikation und so sind sie nur als Beimischung geeignet.

Ich empfehle Stiftungen ganz generell: Vermeide Schnickschnack und mache das Einfache und Verstandene kostengünstig und richtig gut, d.h. möglichst breit und effektiv über viele unterschiedliche Geschäftsmodelle diversifizieren. Da schläft man besser und hat ne höhere Rendite.

RW: In der aktuellen Situation haben Stiftungsfonds aufgrund ihrer deutlichen Fixierung auf den Anleihensektor erhebliche Verluste eingefahren. Ist ein Stiftungsfonds, der zu über 70 % in Anleihen investieren muss, noch zeitgemäß?

FW: Verluste hat nur, wer verkauft. Die allermeisten haben nur die überdurchschnittliche Wertsteigerung der Vergangenheit verloren. Wer vor vier Jahren den sff zu 100 gekauft hat, hat immer noch 100 und zwischendurch zwei Prozent jährliche Ausschüttung. 

Außerdem: Nur weil gemischte Fonds dank des gleichzeitigen Verlustes von Aktien und Anleihen die historisch schlechteste Zeit hinter sich haben, sollte man nicht alles in Frage stellen. Wie in der Vergangenheit werden Anleihen zukünftig einen wertvollen Beitrag leisten. Zum einen als Quelle regelmäßiger und planbarer Erträge. So rentieren z.B. die Anleihen im sff mit rund 4 % ganz attraktiv. Zum anderen als Risikopuffer, wenn die Aktienmärkte infolge von Konjunkturrückgängen wieder mal schwächeln sollten. Gerade diese Risikopuffereigenschaft, die wegen der Nullzinsen dieses Jahr nicht funktioniert hat, funktioniert derzeit schon wieder. Immer wenn Konjunktursorgen aufkommen, steigen derzeit die Anleihekurse.

Die Mischung aus 30 % Aktien und 70 % Anleihen ergibt sich aus dem historisch optimalen Verhältnis von Rendite zu Risiko. Da die Welt dank des Zinsanstieg nun wieder etwas normaler geworden ist, spricht alles dafür, dass die Mischung klassischer Stiftungsfonds für Stiftungen und andere konservative Anleger sehr zeitgemäß ist.