Kapitalmarkt-Ausblick 2022: Das Jahr der Stock-Picker

Von Heiko Böhmer, Kapitalmarktstratege Shareholder Value Management AG 

Bei Nullzinsen und Inflationsraten von über fünf Prozent stellt sich die Frage: Mit welchen Anlageklassen können Investoren jetzt noch eine positive Realrendite erzielen? Unsere Kurzfassung des Kapitalmarkt-Ausblicks gibt darauf eine klare Antwort. 

Als Fondsboutique mit einem klaren Fokus auf Aktien sehen wir auch für 2022 wieder gute Chancen für diese Anlageklasse. Dafür sprechen gleich zwei Faktoren: Durch die faktischen Nullzinsen fallen Anleihen als strategische Anlageklasse nahezu völlig aus. Auch sind die Bewertungen bei vielen Aktien noch nicht überzogen, gemessen am historischen Durchschnitt der großen Indizes. 

Im vierten Quartal konnten wir ein Nachlassen der Marktbreite beobachten. Somit wird der Aufschwung nur noch von wenigen Firmen getragen. Das macht die Märkte anfällig für eine größere Korrektur. Damit rücken Stock-Picker wie wir in den Fokus, die mit einer klaren Strategie auf Einzelaktien überdurchschnittliche Renditen für ihre Investoren erwirtschaften.

Nun war 2021 ein außergewöhnliches Aktienjahr. Rekorde, wo man hinschaut. Das muss sich nicht fortsetzen. Der S&P 500 hat in diesem Jahr bislang rund 26 Prozent erzielt, langfristig liegt die durchschnittliche Jahresrendite seit 1926 bei 10,3 Prozent. Für 2022 und die folgenden Jahre ist es gut möglich, dass wir uns auf Jahresrenditen zwischen 5 und 8 Prozent einstellen müssen. Damit bleibt Aktie aber immer noch die Anlageklasse Nummer 1. 

Stichwort Notenbanken: 2022 ist mit einer leichten Abkehr von der Strategie der lockeren Geldpolitik zu rechnen: Das Tapering, also das Zurückführen der Anleihenkäufe durch die Notenbanken, läuft schon. In den USA werden jetzt schon zwei Zinserhöhungen in 2022 eingepreist. In der Eurozone wird es sicherlich noch bis zum Jahre 2023 dauern, bis die Zinsen wieder steigen werden. Das könnte ein Risikofaktor für die Börsen werden. 

Inflation wird uns erst einmal erhalten bleiben 

Hohe Inflationsraten von 4 Prozent in der EU oder mehr als 6 Prozent in den USA gehen alle an: Der Verbraucher nimmt es als steigende Preise war und genau das könnte auch auf den Konsum drücken. Gleichzeitig klagen Unternehmen über höhere Preise bei Vorprodukten und Rohstoffen. Ein drastisches Beispiel ist Bauholz in diesem Jahr, mit einem Anstieg von mehr als 150 Prozent bis zum Rekordhoch im Mai. 

Bei den ausländischen Märkten ist neben den USA der Blick nach China wichtig. Der Immobilienbereich bleibt dort unter Druck – gut möglich, dass sich 2022 die Zahlungsschwierigkeiten im hohen dreistelligen Millionen-Dollar-Bereich neben Evergrande auch auf weitere Immobilienwerte ausdehnen. Sollte zudem noch die Wirtschaft nur noch zwischen 4 und 5 Prozent wachsen, kann sich China zum Risikofaktor entwickeln. 

Unser Fazit: Wir werden 2022 tendenziell eine neutrale Aktienquote (zuletzt von 70 auf 80 Prozent heraufgesetzt) in unseren Mandaten halten – trotz der benannten Risiken. Beim Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen haben wir jedoch schon ab November den Fuß vom Gas genommen und erst eine Goldposition aufgenommen und dann auch unsere Aktienpositionen abgesichert. Bei auftretenden Risiken ist eine aktive Absicherung, so wie wir sie derzeit anwenden, möglich.