Immobilien, Ausblick 2022, Europa und Deutschland

Zwei Studien zu den Aussichten der Immobilienmärkte in Europa und Deutschland 

Woran wir uns 2021 bei Verbrauchergütern in der Breite erst gewöhnen mussten, ist bei Immobilien schon länger ein vertrautes Bild: kräftig steigende Preise. Allerdings hat auch hier die Dynamik zugelegt. So zeigt etwa der jüngste Monatsbericht der Bundesbank, dass 2021 die Preise deutscher Wohnimmobilien mit zweistelligen Zuwachsraten (je nach Quelle zwischen 11 und 13 %) auf 10-Jahres-Rekordwerte geklettert sind – die obligatorische Warnung vor partieller Blasengefahr darf da nicht fehlen. Was ist im Immobiliensektor im Jahr 2022 zu erwarten? Was sind die Trends? Welche Erwartungen hegen Experten? Zwei im Herbst veröffentlichte Studien, eine europaweite Befragung von PwC (Emerging Trends in Real Estate; Europe 2022) sowie ein Ausblick der DZ-Hyp zum deutschen Immobilienmarkt (Real Estate Market Germany 2021/2022) geben darauf Antworten. Wir stellen einige davon vor, interessierte Leser verweisen wir auf die Links zu den Studien am Ende des Artikels. Ein kleiner Haken an der Sache ist, dass beide Studien die im Spätsommer 2021 aktuellen Einschätzungen wiedergeben. Seither hat sich das wirtschaftliche und geopolitische Umfeld (Inflationsdynamik, Ukrainekrieg, Wachstumsgefahren usw.) weiter massiv verändert. Diesbezügliche Einschätzungen in den Reports würden heute sicher anders ausfallen. Allerdings sprechen die beiden Studien viele mittel- bis längerfristige Entwicklungen, Trends und Erwartungen an, die nach wie vor wirksam sind.

Europa 

Der Immobilienmarkt-Ausblick 2022, den das Beratungsunternehmen PwC zusammen mit dem Urban Land Institute erstellte, basiert auf einer zwischen Juli und September 2021 durchgeführten europaweiten Befragung von 844 führenden Branchen-Profis zum Makro-Umfeld, zur Branchenlage und zu einzelnen Segmenten. Der Report hebt hervor, dass der Pandemie-Schock durch EZB-Maßnahmen und niedrige Zinsen für den Immobilien-Sektor erheblich gedämpft worden sei; das habe die Erträge sogar vergleichsweise gut aussehen lassen. Welche gesamtwirtschaftlichen Trend-Erwartungen in Europa hatten die befragten Experten im letzten Spätsommer? Ihr Ausblick auf die Gesamtwirtschaft war in Erwartung einer endenden Pandemie für 2022 so optimistisch wie seit 2014 nicht mehr. Die Einschätzung der Entscheider zur Inflation war: ein temporäres Phänomen, das die USA stärker betreffe als Europa. Mit einem Anstieg der Zinsen in Europa rechnete im kurzen Laufzeitbereich etwas weniger als die Hälfte der Befragten, im langen Bereich waren es deutlich mehr als die Hälfte. Im Wesentlichen entsprachen die Wachstums-, Inflations- und Zins-Schätzungen den vorherrschenden Experten-Prognosen im Sommer 2021. Gleichwohl war das Bewusstsein für Unsicherheiten – auch für Black-Swan-Ereignisse (seltene, schwer zu schätzende Extremereignisse) – nach wie vor hoch. Als Risiken für 2022 nannten die Experten an erster Stelle Cyber-Sicherheit, an zweiter eine erhöhte Inflationsdynamik, an dritter steigende Zinsen. Bei den branchenspezifischen Risiken lagen Baukosten und Ressourcenknappheit vorne, gefolgt von Verfügbarkeit geeigneter Objekte und der Nachhaltigkeitsrevolution. 

Die europäische Immobilienbranche unterliegt aus Sicht der Entscheider gegenwärtig und in Zukunft umfeldbedingt einem starken Veränderungsdruck. Die Pandemie sei nur Trendbeschleuniger gewesen. Der wichtigste dieser Wert-Treiber sei die Dekarbonisierung. Die befragten Entscheider unterstützen das Ziel der Netto-Null-Emission von Kohlendioxid als große Chance, sie erachten aber die Umsetzung als ultimative Herausforderung der Branche. Neben der Generalfrage, wer das alles bezahlen soll, ist aus Sicht der Experten noch völlig offen, ob Neubauten oder ESG-„Updates“ der geeignete Weg sind. Aufgrund fehlender Manpower hoffen viele der Befragten auf weitere Innovationen. Bemängelt werden zudem fehlende einheitliche ESG-Standards wie auch die unterentwickelte Impactmessung.

Der Survey zeigt im Hinblick auf Sub-Assetklassen, dass derzeit „Alternative“ bei den Befragten hoch im Kurs stehen. Die Einkommenswartungen sind insbesondere für Datenzentren, Neue-Energie-Infrastruktur und Life Science hoch. Bei Datenzentren sehen die Branchen-Profis derzeit die größten Chancen für Einkommen und Entwicklung. Das höchste Investitionspotential in der langen Frist sehen sie im Subsegment Neue-Energie-Infrastruktur. 28 Prozent der Befragten möchten sich im alternativen Segment erstmals oder vermehrt engagieren, selbst wenn das mit höherer Komplexität und geringerer Liquidität einher geht.

Die Entscheider hegen für 2022 höhere Ertragserwartungen als für das Prognosejahr 2021: 8 Prozent der Befragten rechnen mit signifikant höheren Erträgen, 30 Prozent mit moderat höheren Erträgen, 35 Prozent mit keiner Veränderung, 25 Prozent mit moderat geringeren und 2 Prozent mit signifikant fallenden Erträgen. 

Welche europäischen Großstädte liegen in der Gunst der Immobilien-Profis 2022 ganz vorne? London steht als Nummer 1 wieder ganz oben im Hinblick auf Investitionen und Entwicklungschancen. In der „Spitzen-Breite“ hat aber Deutschland die Nase vorn, unter den Top Ten stehen 4 deutsche Städte: Berlin – Sieger von 2021 – steht auf Rang 2, die anderen sind Frankfurt (4), München (5) und Hamburg (8). 

Deutschland

Die Studie der DZ-Hyp fokussiert sich auf die sieben größten deutschen Städte Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart. Der Report geht auch auf Randbedingungen des Immobilienmarktes in Deutschland ein, speziell auf die mittel- bis langfristige demographische Entwicklung in Deutschland. Für diese sind zwei Trends wesentlich: Erstens das zuwanderungsbedingte Wachstum der Bevölkerung: Die Netto-Immigration lag zwischen 2011 und 2019 bei 4,5 Mio. Personen, was – nach Abzug der Sterbefälle und Addition der Geburten – eine Bevölkerungszunahme von 2,9 Mio. ergab. Davon habe der Immobilienmarkt kräftig profitiert. Die Autoren gehen jedoch von einer zukünftig nachlassenden Zuwanderung aus. Der gegenwärtige Zustrom ukrainischer Kriegsflüchtlinge zeigt aber, wie schnell solche Prognosen Makulatur werden können – wobei zum jetzigen Zeitpunkt kaum seriöse Prognosen möglich sind. Der zweite wichtige demographische Trend ist die Verschiebung der Alterspyramide durch (Alterung der) Babyboomer-Kohorten. Das habe, so die Studienautoren, verschiedene Effekte auf die einzelnen Immobiliensegmente. So verändere sich die Zusammensetzung und die Anzahl der Haushalte. Die Nachfrage nach altengerechtem Wohnraum erhöhe sich. Hier stelle sich die Frage der Finanzierung, zugleich verweist die DZ-Hyp-Studie auf das Problem der Raumverknappung. Der Einzelhandel müsse sich an die Bedürfnisse einer alternden Bevölkerung anpassen. Im Bürosegment trage die Verrentung der Babyboomer zusammen mit fortschreitender Digitalisierung zu einem Rückgang der Bürobeschäftigten bei. Der Bausektor werde zunehmend mit Arbeitskräftemangel und wählerischen Arbeitnehmern konfrontiert. Die Studienautoren empfehlen Investoren in jedem Fall, auf die Effekte des demographischen Wandels zu achten. 

Wie entwickelten sich die einzelnen Immobilien-Segmente in Deutschland in letzter Zeit, was prognostizieren die DZ-Hyp-Analysten für die Zukunft?

Der Einzelhandel hat pandemiebedingt Federn lassen müssen: Erstens haben Kontaktbeschränkungen zu vielen Ladenschließungen geführt. Zweitens hat das Online-Shopping den Handel vor Ort geschwächt. Die Pandemie habe diesen langfristigen Trend aber nur beschleunigt und zu nötigen Anpassungen etwa durch Abbau von unprofitablen Parallelstrukturen geführt. Dennoch erwarten die Studienautoren keinen Tod der Innenstädte. Große Einkaufsmeilen und erstklassige Citylagen seien für den Handel weiterhin attraktiv. Nur werde der Vermietermarkt vielerorts sukzessiv von einem Mietermarkt abgelöst. Das wirke sich nicht nur in nachlassender oder negativer Mietendynamik aus, sondern auch in anderweitig günstigeren Verträgen für Mieter. 

Im Bürosegment hat die Pandemie monatelang für Leerstände gesorgt. Zudem hat sich die moderne Heim- oder mobile Arbeit rasant verbreitet. Die DZ-Hyp-Ökonomen gehen davon aus, dass sich dieser Trend auf einem höheren Niveau als vor der Pandemie stabilisieren werde. Zugleich prognostizieren sie einen Funktionswandel des klassischen Büros hin zum Kommunikationszentrum. Mittel- bis längerfristig sollen Demographietrends, Digitalisierung und neue Arbeitsformen die Bürofläche schrumpfen lassen. Allerdings ist in den untersuchten sieben Städten zu beobachten, dass die Büromieten nicht zurückgegangen sind: zwischen 2010 und 2021 haben sie durchschnittlich um 40 Prozent zugelegt, in Berlin sogar um 90 Prozent. Hierfür gibt es vor allem zwei Gründe. Erstens der geringe Leerstand vor der Pandemie. Zweitens die Knappheit an modernen Büroräumen. Es dominierten, so die DZ-Hyp, ältere Bürogebäude, die für eine moderne „hybride“ Arbeitswelt nicht attraktiv seien. Verschärfte ESG-Standards würden hier für weitere Nachfrage sorgen, während die Nachfrageschwäche vor allem ältere und ungünstig liegende Bestände betreffen werde. 

Der Wohnungsmarkt sei bestimmt von Knappheit und hohen Mieten. Die Mieten seien in den 7 größten Städten in den vergangenen 10 Jahren um 50 Prozent gestiegen, in Hamburg um 30, in Berlin um 75 Prozent. Damit sei wohl aber der Steigerungs-Zenit erreicht, für die Zukunft rechnen die DZ-Hyp-Analysten mit Entspannung, aber auch mit mehr politischer Regulierung. Den Grund für die starke Preisdynamik sehen die Studienautoren zum einen in verringerter Bauaktivität. Zum anderen im migrationsbedingten Bevölkerungswachstum. So erhöhte sich z.B. zwischen 2011 und 2021 die Bevölkerung in Berlin um 350.000 (Zunahme um rund 10 %), in Frankfurt betrug die Steigerung sogar 13 % (plus 90.000). Für die Zukunft erwartet die DZ-Studie ein abnehmendes Bevölkerungswachstum und die Ausweitung der Bautätigkeit; damit werde sich auch die Mitpreisdynamik abschwächen.

Schluss

Die beiden Studien, deren Ergebnisse wir nur teilweise referierten, sprechen verschiedene Trends an, die für die Immobilienwirtschaft in den nächsten Jahren zentral sein werden: Dazu zählen neben der Digitalisierung vor allem die Dekarbonisierung und der demographische Wandel. Wie sich der gegenwärtige Krieg in der Ukraine auf diese Trendfaktoren und auch auf die gesamtwirtschaftliche Lage in Europa und Deutschland auswirken wird, ist gegenwärtig noch nicht absehbar. Es ist durchaus möglich, dass Prognosen der beiden Studien weitergehend korrigiert werden müssen. Das kann aber nur auf einer soliden Basis geschehen, wie sie die beiden Studien liefern.

Links zu den beiden Studien

Emerging Trends in Real Estate: Europe 2022

https://www.pwc.de/de/real-estate/emerging-trends-in-real-estate.html

Real Estate Market Germany 2021/2022

https://dzhyp.de/de/ueber-uns/markt-research/gewerbeimmobilien-und-pfandbriefmarkt/