„Ich muss verstehen, was die Manager machen“

Klaus Stüllenberg

Klaus Stüllenberg ist geschäftsführender Vorstandsvorsitzender der 1995 von ihm eingerichteten gemeinnützigen Stüllenberg Stiftung für Kriminalprävention. Er gehört mittlerweile zu den renommierten Gesprächspartnern, wenn es um das Thema Vermögensanlage für kleine und mittlere Stiftungen geht und steht auch anderen Stiftungen als Ratgeber, Kooperationspartner und Informationsaustauscher gerne zur Verfügung (kontakt@stuellenberg-stiftung.de).  Wir fragten ihn nach seinem Weg vom Anfänger zum erfahrenen Finanzmarktanleger.

RediteWerk: Herr Stüllenberg, es gibt nicht viele Stifter, die auch Vermögensverwaltungsexperten sind, wie sind Sie einer geworden?

Klaus Stüllenberg: Das sind eine ganze Reihe von Schritten und Erfahrungen gewesen. Es hilft, neugierig zu sein und die Dinge verstehen zu wollen.

RW: War das ein gerader Weg zum Lichte der Erkenntnis?

KS: Gibt es so etwas wie einen geraden Weg? Nein, das waren verschiedene Etappen, aus denen ich gelernt und Konsequenzen gezogen habe. Informationen gibt es ja zuhauf, aber man bemerkt irgendwann, dass auch die Profis nur mit Wasser kochen.  

RW: Wie hat alles angefangen?

KS: Vor gut 25 Jahren haben wir die Stiftung gegründet und mit Kapital ausgestattet, das verwaltet werden musste. Wie wahrscheinlich bei vielen Stiftungen war zu Beginn so etwas wie die Sparkasse unser Begleiter. Damals schien es noch ausreichend, in fünf Anleihen und fünf Aktien investiert zu sein. Dann haben sich die Zeiten geändert. Stichwort z.B. sinkende Zinsen. Und damit ließen sich die beiden Anforderungen, die es in der Stiftungsvermögensverwaltung zu befriedigen gilt, nämlich zum einen der möglichst reale Werterhalt des Vermögens und zum anderen der laufende Ertrag, nicht mehr hinreichend erfüllen.

RW: Die zweite Station …

KS: … war dann eine Privatbank, die bekannt dafür war und ist, mit Stiftungsvermögen besonders aufmerksam umzugehen. Allerdings waren bei denen die Kosten in etwa so hoch wie die Erträge, und deswegen haben wir uns nach zwei Jahren nach Alternativen umgesehen.

RW: Und sind zu unabhängigen Vermögensverwaltern gelangt.

KS: Ja. Zuerst haben wir da bei einer fondsbasierten Vermögensverwaltung investiert. Allerdings war die nicht wirklich auf die Bedürfnisse von Stiftungen zugeschnitten, insbesondere nicht, was die Ausschüttungen angeht. Wir sahen unsere freien Rücklagen schwinden, damit die Verfolgung der Stiftungszwecke gefährdet und sind deswegen zum ersten Mal eigenständig auf „spezialisierte“ sog.  Stiftungsfonds gewechselt.  

RW: Wie waren Ihre Erfahrungen dort?

KS: Durchwachsen. Stiftungsfonds sind, das sage ich heute, eher träge; sie sind an den Anleihenmarkt gefesselt und sind sehr vorsichtig. Das ist vorteilhaft, wenn es an den Märkten nach unten geht, aber leider gilt es auch und vielleicht noch mehr in Aufwärtsphasen. Wegen der überschaubaren Performance müssen sich die Fonds dann oft entscheiden, ob sie sich auf die Wertentwicklung oder die Ausschüttung konzentrieren. Häufig kommt ein Aspekt der Stiftungsanlage zu kurz. Aus heutiger Sicht würde ich deshalb keiner Stiftung empfehlen, den überwiegenden Teil des Kapitals nur in Stiftungsfonds zu investieren.     

RW: Also muss es individueller und flexibler sein?

KS: Genau mit der Anforderung sind wir dann auf einen süddeutschen unabhängigen Vermögensverwalter gestoßen, der in der Immobilienkrise 2008 mit einer Anlage, die mal auf steigende, mal auf fallende Kurse setzte, Erfolg hatte.

RW: Wie waren ihre Erfahrungen da?

KS: Nur so viel: Es gibt diese Verwaltung nicht mehr und das nicht ohne Grund. Man denkt ja immer, hinter den Anlageentscheidungen stecken hochkomplexe Formeln und ausgetüftelte Indikatoren. Tatsächlich hatte ich das Gefühl (und so waren auch die Ergebnisse), es würde hier nach der Temperatur des morgendlichen Duschwassers oder ähnlichem entschieden. Da steckte offenbar kein Plan hinter. Das haben wir Gottseidank rechtzeitig erkannt, denn ich bin und bleibe im Gespräch mit denen, die unser Geld anlegen. Ich will das verstehen.

RW: Sie haben etwa um diese Zeit auch Ihr erstes eigenes quantitatives Handelssystem entwickelt, das aber auch kein Erfolg wurde. Sind sie da zu naiv rangegangen?

KS: Es war schon erfolgreich, und wir führen es aus Interesse in den Dateien auch fort. Das Problem an formelbasierten Handelssystemen, die nach dem Prinzip, „Wenn A oder B zutrifft, dann kauft oder verkauft man“ funktionieren: Eine Zeitlang oder in bestimmten Marktphasen sind sie gut und dann eben auch mal nicht. Unter dem Strich sind die Ergebnisse nicht schlecht, aber für eine Stiftung, die dann auch noch börsentäglich selbständig handeln muss, eher nicht geeignet.    

RW: Worauf kommt es Ihnen heute an?

KS: Um das Ziel, realen Werterhalt und auskömmliche Erträge um drei Prozent, zu erreichen, sind aus meiner Sicht verschiedene Voraussetzungen nötig. „One fits all“ funktioniert nicht. Schon aus diesem Grund braucht es eine Streuung über verschiedene Anlageklassen, Stile und Produkte. Immobilien machen beispielsweise bei unserer Vermögensanlage mittlerweile 20 Prozent aus, und darunter befinden sich übrigens auch unternehmerische Beteiligungen.

RW: Solche Anlagen schließen viele Stiftungen von vorneherein aus

KS: Ich nicht, solange ich verstehe, wohinein ich investiere.  Gerade direkte Eigentümerschaften an Einzelhandelsimmobilien, bei denen man von der Planungs- über die Realisierungs- bis hin zur Vermietungsphase und der endlichen Verwertung dabei ist, versprechen (unseren) Erfolg. Nicht also wie üblich erst nach der Gebäudeerstellung vom Entwickler kaufen: Da ist regelmäßig der potenzielle Substanzwertgewinn schon vom Verkäufer abgeschöpft, es bleibt nur die Ertragsaussicht – wem das reicht, o.k.

RW: Welchen Anlagehorizont haben Sie?

KS: Das Investment, im Falle der von mir geführten Stiftung überwiegend fondsbasiert, muss zum Zeitpunkt des Kaufs aussichtstreich sein und nach den Erklärungen des Fondsmanagements unsere wirtschaftlichen Ziele erfüllen können. Und solange es das ist und solange uns die Manager nicht enttäuschen, bleiben wir investiert.

RW: Was ist denn eine Enttäuschung? Ein Verlust?

KS: Nein, natürlich ist ein Verlust nicht schön, aber wenn ich verstehe, warum der eingetreten ist, und wenn der Manager mich überzeugen kann, und zwar mit echten Argumenten und nicht mit Vetriebsslogans – ich kann das nach etlichen Gesprächen mittlerweile ganz gut unterscheiden –, bleiben wir investiert. Es gibt wohl kein Investment, das in allen denkbaren Marktphasen überzeugt, das haben wir ja mit dem oben beschriebenen, eigenständig entwickelten Handelssystem gelernt. Aber ich möchte vom Fondsmanagement erfahren, welches die Stärken und welches die Schwächen des jeweiligen Konzeptes sind. Nur so kann ich unterschiedliche Investments mit möglichst geringer Korrelation im Stiftungsdepot bündeln. 

RW: Sie reden als einfacher Anleger mit dem Management eines Fonds?

KS: Ja, und zwar ziemlich oft. Ich will im Zweifel verstehen, was vor sich geht, was schiefgelaufen ist und warum das so ist. Das wissen Vertriebsleute selten, da muss man mit dem Management reden. Übrigens habe ich die Erfahrung gemacht, dass die das ganz gerne tun, sich erklären. Die wollen nicht abgeschottet sein.

RW: Abschließend Herr Stüllenberg: Hat Ihr Respekt vor den Märkten und der Effizienz der Informationsverarbeitung der Märkte eigentlich im Laufe der Zeit zugenommen?

KS: Ich habe angesichts der irren Verfallszeit der täglichen Erklärungen zum Geschehen an den Märkten eher den Verdacht, dass wir es oft mit Beobachtungsobjekten für die Chaosforschung zu tun haben.