Grüne Anleihen – Forschungsstand

Finanzinstrumente gegen anthropogenen Klimawandel. Neue Literaturstudie zu Green Bonds von Lukas Jäger, Marc Ringel und Dirk Schiereck, TU Darmstadt

2007 wurde der erste Green Bond ausgegeben. Emittent war die Europäische Investitionsbank. Seither ist der Markt für Green Bonds rapide gewachsen. Betrug das Emissionsvolumen 2007 noch 800 Mio. Euro, war dieses im Jahr 2019 bereits auf 258 Mrd. US-Dollar angestiegen. Daher verwundet es nicht, dass der Markt für Green Bonds derzeit das am schnellsten wachsende Bondsegment ist. Sein Anteil am gesamten Rentenmarkt ist mit rund 2 Prozent aber immer noch gering.

Diese Zahlen entnehmen wir der Studie „Green Bonds als Instrumente der Klimaschutzfinanzierung: Eine Literaturübersicht“. Die Literaturstudie wurde am Fachgebiet für Unternehmensfinanzierung der TU Darmstadt von Lukas Jäger, Marc Ringel und dem Leiter dieses Fachgebiets Professor Dirk Schiereck erstellt. Sie ist in der aktuellen Juni-Ausgabe der „Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft ZBB; Heft 3/2021“ erschienen. Es handelt sich um den derzeit neuesten verfügbaren Überblick zur Green-Bonds-Forschung. Im Folgenden referieren wir daraus einige wichtige Ergebnisse.

Der Markt der Green Bonds

Green Bonds sind themenbezogene Anleihen, die an vorab bestimmte Zwecke gebunden sind: „Green Bonds sind festverzinsliche Wertpapiere, die Emittenten wie auch Investoren die Möglichkeit zur Unterstützung von Umwelt- und Klimaschutzprojekten … bieten“ (Studie). Es handelt sich somit um eine Spielart des wirkungsorientierten Investierens (Impact Investing), das zur Finanzierung neuer ökologischer Projekte oder auch bereits laufender Projekte erfolgt. Die Studienautoren unterteilen Green Bonds in vier Kategorien, auf die wir hier jedoch nicht weiter eingehen können: Standard Green Use of Proceeds Bonds; Green Revenue Bonds; Green Project Bonds; Green Securitised Bonds.

Der Rückblick auf die kurze Geschichte der Green Bonds zeigt, dass im Vergleich der Regionen Vorreiter zunächst Europa war. Mit 45 Prozent der Emissionen ist Europa immer noch die anteilig wichtigste Großregion. Hier spielt offenbar die treibende Kraft der Europäischen Investitionsbank eine wichtige Rolle. Differenziert man jedoch nach Ländern, dann rangierten 2019 die USA mit einem Emissionsvolumen von 51,3 Mrd. USD deutlich vor China mit 31,3 und Frankreich mit 30,1 Mrd. USD.

Zunächst kamen die Emittenten von Green Bonds ausschließlich aus dem staatsnahen bzw. staatlichen Bereich (suprastaatliche oder internationale Organisationen miteingeschlossen). Erst seit 2013 begeben auch privatwirtschaftliche Unternehmen Green Bonds. Seither wuchs auch auf Unternehmensseite das Interesse an dieser Finanzierungsform immens. Die Studienautoren beziffern den Anteil von Corporate Green Bonds am derzeitigen Gesamtemissionsvolumen mit rund einem Drittel (34%). Deren Anteil an der Gesamtzahl (also nicht am Volumen) der Green Bonds schätzen Jäger et al. mit rund 85 Prozent noch deutlich höher ein.

Beschränkt man sich auf Unternehmensanleihen, sind die Emittenten der Anleihen am häufigsten Unternehmen des industriellen Sektors, die auch im Bereich Umwelt/Umweltschutz geschäftlich tätig sind. Nach Angaben der Climate Bond Initiative kamen im Zeitraum zwischen 2017 und 2019 die meisten Green Bonds aus den Bereichen Energie (34%), Immobilien (26%), Transport (15-20%) und Wasser (10%). Speziell in Deutschland gingen im Jahr 2019 rund 70% der Emissionserlöse in erneuerbare Energien und 25% in den Bereich Immobilien.

Bei Unternehmen erkennen Jäger et al. nach Literaturlage drei mögliche Hauptmotive der Finanzierung mittels Green Bonds: Kapitalkosten (Cost of Capital), reputationsförderliche Nachhaltigkeitssignale in der Öffentlichkeit (signaling); und damit verbunden eventuell die Möglichkeit, eine trügerische Nachhaltigkeitsfassade aufzubauen (Greenwashing).

Mit den Kapitalkosten sind insbesondere günstigere Finanzierungsbedingungen für Unternehmen gemeint. Die können sich aus einem positiveren Kreditrating ergeben, das etwa aus einer besseren Nachhaltigkeitsbewertung aufgrund einer Green-Bond-Emission resultiert. Oder sie können auf der Hoffnung beruhen, dass Investoren bereit sind, für nachhaltige Bonds geringere Renditen zu akzeptieren. In der einschlägigen Literatur wird der letztgenannte Effekt als Green Bond Premium oder Greenium bezeichnet (siehe unten).

Green Bond Standards

Wesentlich für wirkungsorientiertes Investieren generell und für Green Bonds speziell ist die Transparenz der Ziele und der zweckbezogenen Mittelverwendung wie auch die Vergleichbarkeit der Produkte. Dies kann durch segmentspezifische allgemeine Regeln erreicht werden. Der Green-Bond-Markt war anfänglich naturgemäß nicht bereichsspezifisch reglementiert. Die 2014 erfolgte Veröffentlichung von Green Bond Principles (GBP) war ein erster größerer Schritt zu einer Standardisierung. Seither hat sich neben den auf allgemeinere Kriterien bezogenen GBP der mehr technisch und sektorspezifisch ausgerichtete Climate Bond Standard (CBS) etabliert; Unternehmen, die dem CBS genügen, können dafür ein Siegel beziehen. Die EU beabsichtigt ebenfalls einen Green Bond Standard festzulegen, der aber umfassender an ESG-Zielen orientiert sein und etwa auch Menschenrechte miteinbeziehen soll.

Der wichtigste Aspekt im Zusammenhang mit der Etablierung von Standards ist die Fixierung von Nachhaltigkeitszielen für Green-Bond-Projekte und die Überprüfung der zweckspezifischen Verwendung der Geldmittel, die mit einer Emission eingespielt werden. Diese Aufgaben übernehmen in der Regel externe Auditunternehmen.

Jäger et al. zufolge bringt eine Standardisierung diverse ökonomische Vorteile. Spezifische Regeln und Transparenzvorgaben sind sowohl für Investoren wie für Emittenten wichtig, da sie für beide Gruppen Informationsasymmetrien und damit verbundene Transaktionskosten reduzieren. Standards sind darüber hinaus für Unternehmen als „Medien“ der Kommunikation sehr vorteilhaft: Sie signalisieren durch Erfüllung von Vorgaben Integrität und erhöhen die Glaubwürdigkeit im Hinblick auf die Umweltziele. Für Investoren bedeuten Standards eine erhebliche Verringerung des Research-Aufwands, und eine Verifizierung durch Auditunternehmen reduziert zudem die Gefahr, dem vielfach befürchteten Greenwashing auf den Leim zu gehen.

Greenwashing

Einen Verdacht ziehen viele Nachhaltigkeitsprodukte seit Anbeginn auf sich: Dass ihr Schein mehr Nachhaltigkeit vorgaukelt als ihr Sein realisiert. Greenwashing eines Unternehmens kann im Kontext von Green Bonds auf zwei Weisen erfolgen: Erstens „klassisch“, indem das Unternehmen geschönte Informationen über die eigene Nachhaltigkeitsbilanz veröffentlicht. Zweitens „anleihe-spezifisch“, indem ein Unternehmen mit der Ausgabe von Green Bonds eine Nachhaltigkeitsreputation erlangen möchte, der es real nicht entsprechen kann. Da Green Bonds als Variante des wirkungsorientierten Investierens konkrete Nachhaltigkeitsziele verfolgen – häufig im Zusammenhang mit dem anthropogenen Klimawandel – ist die Verifikation der manifesten Ziele und der Mittelverwendung der Schlüssel, um die Gefahr des Greenwashings zu minimieren. Dies setzt, wie eben bereits angesprochen, Standards und die Kontrolle durch unabhängige Auditunternehmen voraus. Kann dies generell vorausgesetzt werden?

In der ersten Phase der kurzen Geschichte der Green Bonds sicher nicht, weil, wie oben gesagt, der  Markt noch weitgehen unreglementiert war. Der Literaturstudie zufolge gibt es denn auch nicht wenige Studien, die Greenwashing durch Emission von Green Bonds als wahrscheinlich erachten, etwa weil Unternehmen wichtige Informationen im Zusammenhang mit einer Verifikation nicht veröffentlichten. Aber das scheint eher für die Anfangsjahre zuzutreffen. Die Studienautoren vertreten nämlich durchaus überzeugend die Position, dass die in jüngerer Zeit begebenen Green Bonds nicht mehr großflächig unter den Greenwashing-Verdacht fallen. Dafür benennen sie zwei Hauptgründe. Erstens einen regulatorischen: die Standards für Green Bonds wurden, wie oben beschrieben, vereinheitlicht und verschärft. Daher kann auch der positive Nachweis, dass die Gelder aus der Emission von Green Bonds dem intendierten Zweck zugeführt werden, mit höherer Wahrscheinlichkeit erbracht werden. Der zweite Grund, den die Studienautoren anführen, ist ein ökonomischer: sie argumentieren, dass Greenwashing durch Green Bonds heute einen sehr hohen Aufwand – einschließlich Auditierung usw. – abverlangt, der nicht nur Arbeit, sondern auch Kosten verursacht. Greenwashing via Green Bonds werde dadurch – wenn es überhaupt gelingt – teuer. Insbesondere sei es ökonomisch wenig rational, teures Greenwashing per Emission von Green Bonds zu betreiben, wenn es auch billigere Alternativen hierfür gibt.

Die Studienautoren heben in diesem Zusammenhang einen weiteren interessanten Gesichtspunkt hervor: Es genügt bereits der mehr oder weniger unbelegte Verdacht in der Öffentlichkeit, Greenwashing zu betreiben, um einem Unternehmen Reputationsprobleme zu bescheren. Schon das allein stellt für Emittenten von Green Bonds erhebliche Risiken dar. Angenommen ein Unternehmen setzt die Mittel aus Green Bonds zweckgerecht ein und betreibt damit gerade kein Greenwashing. Wenn es dadurch entsprechende Aufmerksamkeit erweckt, aber in der Öffentlichkeit unter Greenwashing-Verdacht gerät – etwa weil es sich um ein Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft handelt – verkehrt sich die mögliche positive Reputation ins Gegenteil. Anstatt von der Öffentlichkeit als jenes vorbildliche Unternehmen wahrgenommen zu werden, das es ist, steht es nun im Verdacht, ein scheinheiliger Simulant zu sein, der die Öffentlichkeit in die Irre führt. Die Möglichkeit eines falschen Vorwurfs der Art, mit der Ausgabe von Green Bonds Greenwashing zu betreiben, hielt in der Vergangenheit offenbar nicht wenige Unternehmen davon ab, Green Bonds zu emittieren. Unternehmen haben hier selber die Beweislast und bringen sich durch Ausgabe von Green-Bonds unter entsprechenden Zugzwang. Diese Gefahr können Unternehmen heute, wie gesagt, von vorneherein durch Zertifizierung der Einhaltung von Standards und externe Verifikation reduzieren. Damit sinkt aber, um es nochmals zu wiederholen, die Wahrscheinlichkeit von Greenwashing. Aufgrund dessen erachten die Studienautoren Greenwashing bei Green Bonds heute als nur noch geringes Problem.   

Das Greenium

Das Greenium ist eine spezielle Green Bonds Prämie bzw. in der englischsprachigen Literatur: ein „Green Bond Premium“. Üblicherweise sind z.B. mit Faktor-Prämien positive Mehrerträge (meist in Bezug auf einen Marktdurchschnitt) aus Investorensicht gemeint. Beim Green Bond Premium ist es genau anders herum: hier handelt es sich, relativ zu „Normalbonds“, aus Investorensicht um eine negative Prämie, also um eine Ertragseinbuße gegenüber „Normalbonds“. Aus Emittentensicht handelt es sich um eine positive Prämie, die es Unternehmen ermöglicht, sich über Green Bonds billiger zu finanzieren als über vergleichbare Normalbonds. Aufgrund dieses abweichenden Verständnisses von Green Bond Prämien sprechen wir im Folgenden vom Greenium. Ein Greenium wird mit der Bereitschaft von Anlegern begründet, bewußt einen monetären Abstrich in Kauf zu nehmen, um grüne bzw. „Klimaschutz“ – Projekte zu finanzieren. Der Nutzen, der für die Geldeinbuße kompensiert, liegt dann im Impact, in der erwarteten Umwelt-Wirkung der grünen Anleihen.

Ein Greenium als negative Prämie für Investoren mag zunächst ungewohnt sein, denn die meisten Anleger haben sich an die Standardauskunft gewöhnt, dass sich Renditeziele und ESG-Kriterien ohne Abstriche vereinbaren lassen. Das wird insbesondere im Aktienbereich so sein, bei Green Bonds scheint es hingegen vielfach nicht der Fall zu sein.

Jäger et al. haben 13 wissenschaftliche Arbeiten gesichtet, die unter anderem nach einem Greenium empirisch suchten. Von diesen 13 fanden 9 Arbeiten Hinweise auf ein Greenium und 4 fanden keine Hinweise. In den Arbeiten mit Hinweisen auf ein Greenium variiert dessen durchschnittliche Höhe stark: „zwischen statistisch signifikant, aber ökonomisch unbedeutsam (1 bis 2 bps) bis hin zu hochgradig bedeutsam (69 bps)“ (bps steht für Basispunkte, 100 Basispunkte sind 1 Prozentpunkt). Die Herkunft des Greeniums und seine treibenden Faktoren sind allerdings noch nicht gut verstanden. Es gibt Zusammenhänge. Es kommt wohl auch auf die Bondart an sowie auf die emittierenden Unternehmen, ebenso vermutlich auf das Rating; auch eine Notierung im grünen Börsensegment mache ein Greenium wahrscheinlicher. Nach Auskunft der Studienautoren ist jedoch noch nicht geklärt, ob das Greenium aus dem Wohlwollen der Investoren, aus Renditedifferenzen in nichtbe(ob)achteten Renditedimensionen oder aus einer überhöhten Nachfrage resultiert. Auch weisen Jäger et al. darauf hin, dass der Risikoaspekt bisher wenig berücksichtigt worden sei; demnach würden in den meisten Studien durchschnittliche Renditen verglichen, aber ohne Berücksichtigung des zugleich eingegangenen Risikos. Zu guter Letzt sei nicht auszuschließen, dass das Greenium Ergebnis methodologischer Defizite sei: offenbar bereitet der Vergleich von grünen und konventionellen Bonds stärkere Probleme, da Bonds, die verglichen werden, im Idealfall in allen relevanten Vergleichs-Dimensionen gleich und nur im Hinblick auf das Merkmal grün/nichtgrün different sein sollten. Dennoch gilt bisher: „Insgesamt kommt die Mehrheit der Studien aber zu dem Ergebnis, dass Green Bonds mit einem Premium gehandelt werden und so für Emittenten die Möglichkeit bieten, Fremdkapital günstiger aufzunehmen, als dies im Falle konventioneller Bonds möglich wäre“ (Studie).

Fazit

Green Bonds bilden ein bisher schnell wachsendes Segment der nachhaltigen Geldanlage; sie werden bisher vor allem zur Finanzierung von Projekten im weiten Kontext des „Klimaschutzes“ genutzt und zunehmend von Unternehmen der Privatwirtschaft begeben. Der Literaturüberblick stellt überzeugend dar, dass Green Bonds als Mittel des Greenwashings unter den neuen Standards kaum geeignet sind und Greenwashing daher eher ein geringeres Problem darstellt. Im Hinblick auf das Greenium stellt die Mehrheit der Studien ein solches fest. Demnach sind Investoren im Green-Bond-Segment bisher bereit, gewisse finanzielle Einbußen hinzunehmen. Aber die Gründe für ein Greenium sind bisher noch nicht gut verstanden – und auszuschließen ist auch nicht, dass es sich um ein Artefakt handelt. Abschließend kommen die Studienautoren zu dem Ergebnis, dass beim Thema Greenium noch erheblicher Forschungsbedarf besteht.