Finger weg von Wertsicherungskonzepten

Frank Wettlauffer, Wettlauffer Wirtschaftsberatung GmbH 

Von Frank Wettlauffer, Wettlauffer Wirtschaftsberatung GmbH 

Finger weg von Wertsicherungskonzepten

Wertsicherungskonzepte sind teure Spekulationen auf steigende Aktienkurse. Meistens werden die Folgen eines Eintritts des Risikofalls nicht berücksichtigt. Bedenkt man dessen Konsequenzen, ist ein einfaches gemischtes Mandat für die allermeisten Anleger die bessere Wahl.

Von Frank Wettlauffer, Wettlauffer Wirtschaftsberatung GmbH  

Das Wesen von Wertsicherungskonzepten

Mangels attraktiver Alternativen wenden sich viele Anleger dem Aktienmarkt zu. Allerdings machen sie dies mit dem mulmigen Gefühl, dass das Engagement zu Verlusten des Kapitals führen könnte. Denn Aktien schwanken nun mal stark und Kursverluste von bis zu 50 % sind üblich. Aktienengagements sind also nichts für schwache Nerven. Wie schön, dass die findige Finanzindustrie auch für dieses Problem eine teure Lösung parat hat, die den Einstieg in die Aktienwelt erleichtern soll: Wertsicherungskonzepte, Kapitalschutzprodukte oder Garantiefonds. Egal unter welchem Namen sie daherkommen, das Versprechen ist immer das Gleiche: Zu einem bestimmten Zeitpunkt, z.B. dem 31.12., oder auch in der Zwischenzeit, verliert der Anleger nicht mehr als z.B. 10 %. Das hört sich doch gut an. Statt 50 % nur 10 % riskieren und dennoch am Aktienmarkt mit dabei sein. Gemäß der Erkenntnis: „es gibt nichts umsonst“ (TANSTAAFL https://de.wikipedia.org/wiki/TANSTAAFL)  ist zwar allen Parteien bewusst, dass es dies natürlich nicht umsonst gibt. Aber wenn ich statt 6 % nur 4 % Wertsteigerung erhalte, dafür aber die Sicherheit habe, maximal 10 % zu verlieren, dann ist das doch attraktiv! Oder?

Ein näherer Blick auf das Wesen von Wertsicherungskonzepten hilft bei der Beantwortung der Frage. Dabei ist es gar nicht so wichtig, sich mit den verschiedenen Konzepten auseinanderzusetzen. In ihrem Kern weisen sie alle das gleiche Muster auf: Man riskiert z.B. 10 % des anzulegenden Betrags und schaut mal, was dabei herauskommt. Ähnlich wie der Spielkasinobesucher, der 100 Euro mit an den Tisch bringt, immer auf Rot setzt und dessen Ergebnis davon abhängt, ob an diesem Abend mehr Rot als Schwarz fällt. (Experten sprechen in diesem Fall von „Pfadabhängigkeit des Wertverlaufs“.) Fällt schon am Anfang mehr Schwarz als Rot, ist der Abend kurz. Es sei denn, ein Gang zum Geldautomaten ermöglicht das Spiel von vorne.

Nun bringt die Bank die Kundengelder nicht ins Spielkasino, sondern an die Aktienbörse. Hier funktioniert das jährliche Wertsicherungskonzept ökonomisch so: Man erwirbt in Höhe des Spielkapitals (Vermögen – minus Wertsicherungsgrenze) eine Kaufoption auf einen Aktienindex mit einer einjährigen Laufzeit. Notiert der Aktienindex zum Jahresende unter dem vereinbarten Ausübungspreis (Basispreis), verfällt die Kaufoption wertlos; die Wertsicherungsgrenze wurde aber eingehalten. Steigt der Aktienmarkt allerdings, profitiert der Anleger an der Wertentwicklung der Kaufoption. (Die jährliche Kaufoption entspricht also einer passiven Variante des Wertsicherungskonzepts mit der sich die jeweiligen Produkte der Banken eigentlich vergleichen müssten.)

Für den Anleger stellt sich zum einen die Frage, ob er dieses Wertsicherungskonzept preiswert selbst durchführen oder aber teuer an eine Bank delegieren soll. Zum anderen die grundsätzliche Frage, ob er sich auf diese kurzfristige Spekulation einlassen will. Das positive Argument: „Sie können nicht mehr verlieren als 10 %“ heißt ja nichts anderes, als „Wenn es runter geht verlieren Sie sicher und für immer 10 %.“ Denn ebenso wie man im Spielkasino nur dann den Verlust aufholen kann, wenn neues Geld investiert wird, können Anleger von einem eventuellen Aufschwung nur profitieren, indem sie wieder den Sicherheitspuffer von 10 % einsetzen. Ob es dann wieder hoch geht, oder ob ein dritter Gang zum Geldautomaten notwendig wird, ist auch nicht sicher.

Das Problem des Wiedereinstiegs teilen also Wertsicherungskonzepte mit allen Stop-Loss-Konzepten, aber auch mit aktivem Management, welches Market Timing betreibt. Man kommt schon irgendwie raus aus dem Markt. Aber dann? Wie kommt man wieder rein?

Wertsicherungskonzepte sind Spekulationen auf einen kurzfristigen Kursverlauf. Damit sind sie nur für Zocker geeignet, die für ihren Renditebedarf nicht über die notwendige Risikotragfähigkeit verfügen. Stiftungen und andere Anleger mit hoher Risikotragfähigkeit dank eines langfristigen Anlagehorizonts sollten die Finger davon lassen.

Gemischtes Mandat als Alternative zu Wertsicherungskonzepten

Wertsicherungskonzepte haben zum einen das Problem, dass Investoren nach dem Erreichen des Garantiebetrags üblicherweise noch mal frisches Geld einschießen müssen, um weiterhin ertragreich anlegen zu können. Neben diesem Nachteil haben fast alle Wertsicherungskonzepte ein Ertragsproblem. Denn um das Garantielevel einzuhalten, handeln die Konzepte üblicherweise prozyklisch. Steigen die Aktien, so kann man mehr Risiko eingehen und mehr Aktien kaufen, fallen sie, werden Aktien verkauft, da das Risiko besteht, die Garantiesumme in einem Crash über Nacht anzukratzen. Statt blash – buy low and sell high – wird systematisch kateuvebi – kaufe teuer und verkaufe billig – betrieben. In schwankenden Märkten ist dies eine sichere Methode, Geld zu vernichten.

Wertsicherungskonzepte sind also nur bei einem von drei möglichen Pfadverläufen attraktiv: Steigt der Aktienmarkt kontinuierlich, steigt auch der Wert der Anlage. Für den Fall des schwankenden Aktienmarktes wird sukzessive Geld vernichtet. Sinkt der Aktienmarkt, verliert man seinen Einsatz und muss dann entscheiden, entweder den Verlust auf Dauer zu akzeptieren oder wieder ins Risiko zu gehen. Etwas was man eigentlich vermeiden wollte. Wenn man dann wieder 10 % riskiert, hätte man auch gleich 20 % riskieren können.

Statt zwei Mal 10 % mit einer unterdurchschnittlichen Performanceerwartung zu riskieren erscheint es also attraktiver, ein Mal 20 % mit durchschnittlicher Performanceerwartung zu riskieren. Bei einem angenommenen maximalen jährlichen Verlust von 50 % könnte ein gemischtes Mandat in diesem Beispiel eine Aktienquote von 40 % aufweisen. Damit lässt sich sicherlich eine höhere Rendite erwirtschaften als mit den meisten Wertsicherungskonzepten, ohne de facto größere Risiken einzugehen.

Empfehlenswert ist es also, nicht seinen – meistens willkürlich festgelegten – Wunschbetrag, den man für die nächsten 12 Monate riskieren möchte, als Kriterium für den Produkterwerb einzusetzen. Vielmehr ist es sinnvoll, das durch harte Auszahlungsverpflichtungen in der Zukunft oder der Risikotragfähigkeit von Gremien und Aufsichtsbehörden bestimmte maximale Verlustrisiko als Basis für die Vermögensstruktur zu nehmen. Dann kann man statt in Wertsicherungskonzepten in gemischte Mandate investieren und hat in den allermeisten Fällen mehr Rendite bei gleichem Risiko.