Europas Aktienmärkte werden kräftig unterschätzt!

Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds, über die Bewertungsunterschiede zwischen den USA und Europa.

Der Hype um künstliche Intelligenz hat amerikanische Aktien in diesem Jahr nach oben getrieben. Europa hat dagegen bei diesem Megatrend wenig zu bieten. KI spielt zwar in fast jeder Branche eine wichtige Rolle, die großen und klaren Gewinner aus Sicht der Börse finden sich aber in der von den USA dominierten Tech-Welt. Hier wird den Unternehmen die größte Kompetenz zugesprochen und diesen entsprechend auch Finanzmittel von den Investoren zur Verfügung gestellt. Dabei muss man aber auch festhalten, dass es vor allem die sogenannten Big-Player sind, die für den Aufschwung sorgen, nämlich die „Glorreichen Sieben“ Apple, Microsoft, Nvidia, Alphabet, Meta Platforms, Amazon und Tesla. Sie sind für den größten Teil der Kursgewinne an der Wallstreet und der Nasdaq verantwortlich.

Aktienmarkt Europa ist besser als sein Ruf

Doch Europa ist besser als sein Ruf, denn europäische Aktien schlagen sich durchaus beachtlich. Sogar  besser, als die meisten Anleger erwartet hatten. Das zeigt ein Blick auf den Stoxx Europe 600 (inkl. Großbritannien und der Schweiz). Der Stoxx 600 hat in den vergangenen 10 Jahren durchschnittlich einen Wertzuwachs von 8,4 Prozent erzielt. Über die vergangenen 12 Monate konnte sogar ein stolzes Plus von 16 Prozent inklusive Dividenden verbucht werden. Das sind nur knapp 1,5 Prozentpunkte weniger als der S&P 500. Darüber hinaus sind europäische Aktien im Vergleich zu US-Titeln günstig bewertet.

Bewertungen in den USA laufen aus dem Ruder

Apropos Bewertung: Nimmt man den Gesamtaktienmarkt der USA, so liegt dessen Bewertung auf KGV-Basis beim 1,6-fachen gegenüber dem europäischen Gesamtmarkt. Das ist erst das dritte Mal seit 1973, dass dieser Bewertungsunterschied so hoch ist.

Aber es gibt noch eine andere Größe, die man sich vor Augen halten sollte: Den Preis-Buchwert. Während in den USA der Preis-Buchwert seit 2009 von 1,4 auf 4 gestiegen ist, stagniert er in Europa. Hier liegt er im entsprechenden Zeitraum unverändert zwischen dem 1,2- bis 1,6-fachen. Auch hier erscheinen die Unternehmen in den USA mit dem Zweieinhalbfachen deutlich teurer.

Wenn man den Hype um KI mitmachen will, kommt man an den USA nicht vorbei. Chat GPT kann über die Microsoft-Aktie gespielt werden.  Aber die Aktie ist mittlerweile schon sehr ambitioniert bewertet. Das Unternehmen ist derzeit mehr als 2,5 Billionen US-Dollar wert. Damit liegt der Wert des Unternehmens aus Redmond so etwa zwischen dem Bruttoinlandsprodukt von Frankreich und Italien. Das ist schon ein stolzer Wert.

KGV von über 200: Wo soll da noch Fantasie sein?

Wir sind nun aber auf Europa konzentriert. Und selbst wenn wir weltweit investieren würden, wäre Microsoft nicht in unserem Portfolio. Die Bewertung ist einfach zu hoch. Nicht, dass wir uns missverstehen: Microsoft ist ein sehr gutes Unternehmen, das in den letzten Jahrzehnten nie auch nur den Hauch eines Verlustes gemacht hat. Aber die jüngste Rally ist allein dem Hype um Chat GPT geschuldet. Und mit Hypes wollen wir nichts zu tun haben. Oder als Beispiel die Nvidia-Aktie, die mittlerweile ein KGV von 206 ausweist. Hier hat sich die Marktkapitalisierung in den letzten 10 Jahren verzehnfacht. Um in ein Unternehmen mit einem KGV von über 200 zu investieren, muss man schon viel Fantasie mitbringen, um hier noch ein vernünftiges Upside zu finden, außer „The Trend is your friend“. Das ist aber reines Momentum-Investieren. Und das steht im klaren Widerspruch zu unserem Contrarian Value-Ansatz.

KGV des Contrarian Value Euroland Fonds: 6,4 – Rendite von 15 Prozent

Da sind uns doch die Unternehmen aus dem Portfolio unseres Contrarian Value Euroland Fonds und deren günstige Bewertungen lieber. So hat Renault ein KGV von 3,4, die Deutsche Bank eines von 4,5 und der italienische Versorger Eni von 5. Das KGV des Gesamtportfolios liegt bei 6,4. Da müssen die Unternehmen gar nicht groß wachsen, und leichte Rückschläge lassen sich auch gut verdauen. Mit einer Rendite von 15 Prozent können wir sehr gut leben.