Europäische Bankaktien bleiben selektiv attraktiv

Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds, über die aktuelle Titelauswahl im Bankensektor.

Die Aktien der europäischen Banken haben seit Jahresbeginn den breiten Markt outperformt. Die gestiegenen Zinsen sind den Instituten zugutegekommen. Was aber passiert, wenn die EZB wie erwartet im Sommer die Zinsen wieder senkt? Dann dürften die Zinserträge in den kommenden Monaten sinken, wobei die Banken mit Hilfe von Zinsabsicherungen einen stärkeren Rückgang vermeiden dürften. Der Markt könnte sich zunehmend auf Institute konzentrieren, die über gut diversifizierte und wachstumsstarke Ertragskanäle verfügen. Dazu gehören beispielsweise Engagements in Schwellenländern, das Investmentbanking oder eine ertragreiche Vermögensverwaltungs-Sparte. Angesichts des niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnisses und einer bis zu zweistelligen Dividendenrendite dürften sich die Werte aber weiterhin gut entwickeln. Die Outperformance gegenüber dem Gesamtmarkt könnte sich jedoch abschwächen.

Bei Outperformance wird reduziert

Das sind Aspekte, die wir auch bei unserem Contrarian Value Euroland Fonds berücksichtigen. Aber uns interessiert weniger ein einzelnes Ereignis wie eine Zinssenkung. Wir investieren auf Basis des mittelfristigen Ertragspotentials. Der Bankensektor hat in den letzten 3 Jahren um rund 50 Prozent zugelegt. Darauf haben wir natürlich reagiert und das Gewicht der Financials um fast 10 Prozentpunkte reduziert. Damit bleiben wir unserem Ansatz treu: Outperformer werden reduziert, denn wir investieren nach dem Prinzip, wonach wir die Portfoliotitel nach ihrem Kurspotential möglichst gleichgewichten.

Kernkapitalquote wurde fast verdoppelt

Das bedeutet aber nicht, dass wir keine Bankaktien mehr im Portfolio halten. So sind Aktien der Deutschen Bank und der französischen Crédit Agricole weiterhin vertreten. Denn die Bilanzqualität der Banken hat sich in den letzten Jahren massiv verbessert. So hat sich die Tier 1 Capital Ratio, also die Kernkapitalquote, in den letzten 15 Jahren fast verdoppelt. Das heißt, die Banken haben ihre Risk Weighted Assets reduziert und gleichzeitig ihre Gewinne reinvestiert, um das Eigenkapital zu stärken. Das hat dazu geführt, dass auch die Aktionäre wieder stärker in den Fokus der Institute gerückt sind, wie etwa das Aktienrückkaufprogramm der Deutschen Bank zeigt.

KBV bei Banktiteln derzeit niedrig

Doch es gibt noch eine andere Kennziffer, auf die wir achten: Das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV). Denn: Wird die Sicherheit einer Aktie danach bemessen, welches Rückschlagrisiko sie hat, liefert die Kurs-Buchwert-Relation eine gute Hilfestellung. Der Buchwert ist der in der Bilanz ausgewiesene Betrag, um den das Vermögen die Schulden übersteigt. Wird das Eigenkapital durch die Anzahl der

Aktien geteilt, errechnet sich der Buchwert pro Aktie. Ist das Kurs-Buchwert-Verhältnis kleiner als eins, wird das bilanzielle Vermögen im Kurs nicht bezahlt. Je geringer die Relation, umso größer ist die Vermutung, dass der größere Teil der Risiken im Kurs abgebildet ist. Bei Crédit Agricole liegt dieser Wert bei 0,46, und bei der Deutschen Bank beträgt er gerade mal 0,36 für 2023.