ESG ist mehr als Klimaschutz

von Evi Vogl

Rendite und Sicherheit als Kriterien bei der Auswahl von Vermögensanlagen sind vielen Kapitalanlegern nicht mehr genug. Sie wollen ihr Geld auch nach ethischen und ökologischen Kriterien anlegen. Dass es heute bereits eine Vielzahl an Produktlösungen gibt, ist den wenigsten von ihnen bewusst. Im Vordergrund steht aktuell das Thema Umwelt- und Klimaschutz, doch die Themen Soziales und gute Unternehmensführung holen auf.

Evi Vogl ist Deutschland-Chefin von Amundi

Hätte vor mehr als 30 Jahren jemand geäußert, dass es einmal eine Zeit geben wird, in der es ohne die Buchstaben E, S und G[1] nicht mehr geht – er wäre ausgelacht worden. Oft bedarf es eines Auslösers, um Themen in die öffentliche Wahrnehmung zu katapultieren. Für das Thema ESG war es die „Fridays for Future“-Bewegung, die diesen Punkt markierte. Seither nimmt das Thema „Nachhaltiges Investieren“ Fahrt auf und wird, schenkt man der Betrachtung der Mehrheit der Ökonomen Glauben, auch nach der Corona-Krise weiter auf der Tagesordnung stehen. Neben so etablierten Institutionen wie Kirchen und Stiftungen, die von jeher darauf achten, dass ihr Geld ökologisch und ethisch vertretbar investiert wird, hat der Trend zu nachhaltigen Investments mittlerweile auch große Bereiche der institutionellen Investoren erreicht – und aufgrund der starken öffentlichen Berichterstattung auch immer mehr Privatanleger.

Soziale Komponente und gute Unternehmensführung werden immer wichtiger

Lag der Schwerpunkt bisher auf den Themen Umweltverträglichkeit und Klimaschutz, so wurde durch COVID-19 der Fokus der Betrachtung erweitert. Der Buchstabe S, der für die soziale Komponente bei ESG steht und eng mit einer guten Unternehmensführung verknüpft ist, erhält mehr und mehr Aufmerksamkeit. Als Auslöser kann hier die weltweite COVID-19-Pandemie gesehen werden. Sie hat dazu geführt, dass die offenkundige soziale Ungleichheit in vielen Ländern noch evidenter wird. Die am stärksten benachteiligten sozialen Gruppen und Regionen zahlen den höchsten Preis, und kurzfristig steigt die soziale Ungleichheit sogar weiter: Die Arbeitslosigkeit wächst, Armut und soziale Ausgrenzung nehmen zu. Die Einkommen eines großen Teils der Bevölkerung sinken und es könnte zu einer Preisinflation kommen.[2] Im Zuge dieser Bewusstwerdung sind Themen wie transparente Lieferketten, soziale Arbeitsbedingungen und faire Entlohnung zuletzt stärker diskutiert worden – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Tragfähigkeit des ESG-Ansatzes im Rahmen einer auch zukünftig auf Globalisierung ausgerichteten Weltwirtschaft.

Es lässt sich daher erkennen, dass die Einhaltung der mit den drei Komponenten des ESG-Ansatzes verbundenen Kriterien für lokal wie weltweit tätige Unternehmen immer wichtiger wird und bei Investitionsentscheidungen auf Investorenseite eine immer größere Rolle spielt. Altbundeskanzler Schröder fasste die Notwendigkeit dieses Wandels und die Schaffung eines Bewusstseins dafür Anfang des Jahres auf dem Branchenkongress der Investmentindustrie in Mannheim wie folgt zusammen: „Zukunftsfähig wirtschaften heißt, dass wir unseren Kindern und Enkeln eine ökologisch, gesellschaftlich und ökonomisch intakte Welt hinterlassen wollen.“[3]

Impact Investing ist wirkungsvoller Motor für gesellschaftliche, soziale und ökologische Innovationen

Die aktuelle Entwicklung zu mehr S und G im Rahmen von ESG wirkt auch für ein relativ neues Investmentthema als Katalysator: das Thema Social Impact Investing. Social Impact Investments bewirken nachweislich Positives für die Gesellschaft und erzielen gleichzeitig eine finanzielle Rendite. Anders als das Thema Nachhaltigkeit hat Impact Investing noch nicht den Mainstream erreicht. Jedoch wächst das Interesse von Seiten der Investoren und der Sozialwirtschaft an diesem Thema seit Jahren und der Markt für Anleihen, die soziale Projekte finanzieren, sogenannte Social Bonds, wird seit einiger Zeit größer.

Bei Social Bonds oder Impact Bonds handelt es sich um Anleihen, mit deren Erlös Unternehmen finanziert werden, die einen gesellschaftlichen Mehrwert erbringen können. Emittenten von Social Bonds sind zum Beispiel Städte, Landesbanken, Banken, aber auch Unternehmen. Es gibt Anleihen, mit deren Erlös sozialer Wohnbau finanziert wird, aber auch Forschungseinrichtungen und Unternehmen im Gesundheitsbereich sind unter den finanzierten Unternehmen zu finden.

Berücksichtigung der ESG-Komponenten bewirkt Veränderung und schafft positive Performance

Bei Fonds, die sich bereits seit Jahrzehnten mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen, war und ist neben dem Umwelt- und Sozialaspekt immer auch das Thema Unternehmensführung ein wichtiger Teil der fundamentalen Analyse. Es zeigt sich, dass Unternehmen, die in den Geschäftsgrundsätzen festgeschrieben haben, nachhaltig und sozialverträglich zu arbeiten, meist auch in puncto G, also Unternehmensführung, bei ESG besser agieren als ihre Mitbewerber. Sie haben ihre Verantwortung beim Thema Nachhaltigkeit und Klimawandel erkannt und zu einem Teil ihrer Unternehmensphilosophie gemacht.

Eine Amundi Studie aus dem Jahr 2018[4], die den Zeitraum 2010–2017 betrachtet, zeigt, dass sich die Berücksichtigung der ESG-Kriterien für Unternehmen mittlerweile positiv auszahlt. Wurden zwischen 2010 und 2013 sowohl passive als auch aktive ESG-Investoren noch eher bestraft, so brachten ESG-Investments seit 2014 in Europa und Nordamerika eine Mehrrendite. Umwelt- und Governance-Faktoren spielten im Betrachtungszeitraum trotz regionaler Unterschiede in Nordamerika und in der Eurozone die wichtigste Rolle. Seit 2015 hat sich die soziale Komponente deutlich erhöht – und wurde von der Börse positiv bewertet. In einem neuen Research Paper von Juni dieses Jahres[5] betrachtet Amundi die Entwicklung der sozialen Komponente innerhalb des ESG-Ansatzes und hält fest, dass die „S“-Kriterien bei der Unternehmensauswahl über einen „Best in class“-ESG-Ansatz einen realen Einfluss auf die Kurse, insbesondere in Europa, haben. Ein Portfolio, das Long-Positionen in den am höchsten bewerteten Unternehmen (obere 20%) und Short-Positionen in den am niedrigsten bewerteten Unternehmen (untere 20%) kombiniert, hätte im Zeitraum 2018–2019 annualisierte Renditen von +2,9% in der Eurozone und +1,6% in Nordamerika erzielt.[6]

Diese Ergebnisse sowie die Ausführungen zuvor weisen darauf hin, dass mittlerweile ein positiver Zusammenhang zwischen der Berücksichtigung von ESG-Kriterien und der Performance von Unternehmen besteht. Nachhaltig wirtschaftende und gut geführte Firmen sind somit Anlagekandidaten, die neben einer klaren Zukunftsorientierung und einer gesellschaftlichen Verantwortung auch auf der Performance-Seite gute Argumente bieten. Vielen institutionellen Investoren ist dies bereits bewusst und für immer mehr Privatanleger spielt es eine immer größere Rolle bei ihrer Anlageentscheidung.

Rechtliche Hinweise: Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von Amundi Asset Management, Stand 24.06.2020. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung von Amundi Asset Management. Diese Einschätzungen können sich aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren jederzeit ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte von Amundi Asset Management zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen.


[1] E = Environment/ökologisch, S = social/sozial und G = Governance/gute Unternehmensführung.

[2] Quelle: Amundi Research, Social inequalities, a rising theme on investors’ shelf, Juni 2020.

[3] Quelle: gesprochenes Wort, Gerhard Schöder, Fondskongress Mannheim, Januar 2020.

[4] Quelle: Amundi Research, The Alpha and Beta of ESG Investing, Januar 2019.

[5] Quelle: Amundi Research, Social inequalities, a rising theme on investors’ shelf, Juni 2020.

[6] Quelle: Amundi Research, Social inequalities, a rising theme on investors’ shelf, Juni 2020.