Den Lemmingen folgen — oder lieber der eigenen Überzeugung?
Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds, über Anleger, die allen Trends folgen.
In einer Schlange stellen wir uns oft gedankenlos an. Da sind wir oft wie die Lemminge. Man folgt der Masse, denn die wird schon Recht haben. Sie fragen sich, weshalb tangieren mich solche Fragen in der Vermögensanlage? Nun: „Es ist unmöglich, eine überragende Performance zu erzielen, wenn man nicht etwas anders macht als die Mehrheit“, philosophierte einst die Investmentlegende Sir John Templeton. Aber nur anders zu sein als die Mehrheit ist sicherlich kein Garant für gute Performance, auch wenn Sir John eine der Investment-Ikonen war.
Immer der Masse hinterher
Dass anders nicht unbedingt besser ist, wissen Value Investoren genau. Seit 15 Jahren leidet ihr Anlagestil. Zuerst waren es die „Magnificent Seven“, also die glorreichen Sieben, wie die Tech-Giganten Alphabet, Apple, Facebook, Tesla, Amazon, Meta und Microsoft genannt werden. Heute sind es alle Firmen aus dem Bereich Künstliche Intelligenz „die in keinem Portefeuille fehlen dürfen“. Ein Trend, den kein Investor verpassen möchte. Man will dabei sein bei der Performance-Party und wird auf die letzten Quartalszahlen der KI-Konzerne angesprochen. Blöd, wenn man nicht investiert ist. Bewertungen sind irrelevant, die Story ist das Party-Thema.
Haben wir schon gehabt, hat sich nicht bewährt
In solchen Aktien ist die Mehrheit investiert, aber diese sind sicherlich keine Schnäppchen mehr. Die gute Performance führt zu weiteren Investitionen von Anlegern. „The trend is your friend“ heißt es dann. Eine Börsenweisheit, der ein Contrarian Value-Investor entgegnet: „I ever find an idiot, who is willing to overpay me.”
Mit Fundamentaldaten sind die Bewertungen der meisten Highflyer nicht mehr zu rechtfertigen, aber alle sind dabei. Man will ja mitreden können. Despektierlich nennt man dies im Börsenjargon eine „Dienstmädchenhausse“, eine Bezeichnung für steigende Börsenkurse, die vor allem durch Käufe von wenig informierten Kleinanlegern getragen wird und die letzte Phase einer Spekulationsblase anzeigt. Und hier schließt sich der Kreis zu Sir John Templetons Aussage zur Outperformance. Oder wie Warren Buffett sagt: „Wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer ohne Badehose geschwommen ist.“
Von „Zittrigen“ und „Hartgesottenen“
Die Börse läuft zur realen wirtschaftlichen Entwicklung nicht immer parallel. Kurse fallen heftig, bis irgendwann die „Zittrigen“ all ihre Papiere verramscht haben, während die „Hartgesottenen“ sie dankend billig einsammeln konnten, wie André Kostolany die beiden vorherrschenden Börsentypen charakterisierte.
Der Durchschnittsanleger ist ein Herdentier, ein Lemming sozusagen. Und wer meint, dies sei eine ziemlich negative Charakterisierung, der hat Recht. Denn die Masse der Anleger verliert Geld und die große Mehrheit der Fondsmanager performt schlechter als ihr Vergleichsindex. Doch woran liegt das?
Die Antwort ist so simpel wie einleuchtend: Psychologie. Wenn Aktien steigen, will jeder dabei sein und die Kursgewinne mitnehmen. Und wenn die Börse abwärts rauscht, will jeder aussteigen. Möglichst schnell und egal zu welchem Preis. Was psychologisch nachvollziehbar ist und an der Börse im Bereich „Behavioral Finance“ gut erklärt wird, ist dann auch der Grund, weshalb Anleger nicht
besser, sondern überwiegend schlechter abschneiden als der Gesamtmarkt. Sie folgen der Herde und können daher nicht besser sein. Und sie verkaufen erst, wenn die Kurse schon im Sturzflug sind.
Mut und Überzeugung
Wir gehören zu den „Hartgesottenen“. Wir folgen nicht dem Markt, sondern nutzen seine Mechanismen. Wir kaufen, wenn alle anderen verkaufen und wir verkaufen, wenn jeder im Markt Aktien haben will. Dazu braucht es oft Mut, denn sich gegen die vorherrschende Meinung zu stellen, ist nicht immer einfach. Aber: Als Contrarian Value-Investor sind wir solche Situationen gewöhnt und warten auf günstige Gelegenheiten. Das Portfolio unseres Contrarian Value Euroland Fonds hat ein durchschnittliches KGV zwischen 5 und 6 (z.B. Salzgitter mit einem KGV von 1,5, W&W mit einem von 5,5 und Eni mit 6,0). Wir wundern uns derweil mit dem Hedgefonds-Manager Martin D. Sass: „Der Aktienmarkt ist der einzige Markt, vor dem die Leute weglaufen, wenn dort ein Ausverkauf stattfindet.“ Dem haben wir nichts hinzuzufügen.