Ausschüttungen, Umschichtungsgewinne und stille Reserven – die neue Stiftungsgesetzgebung
Wie wichtig sind Ausschüttungen noch in der neuen Welt, also nach der umfassenden Gesetzgebungsänderung für Stiftungen? Das fragten wir Matthias Uhl, Stiftungsexperte bei der multidisziplinären Kanzlei Peters, Schönberger & Partner in München (PSP München).
RenditeWerk: Dr. Uhl, bislang sind Dividenden, Ausschüttungen etc., beispielsweise im Rahmen von Aktien und Fonds, essentiell für die Verfolgung der Zwecke von Stiftungen. Ändert sich das durch die neue Gesetzgebung?
Matthias Uhl: Aus meiner Sicht bleiben solche laufenden Erträge für die meisten Stiftungen die wesentlichen Mittel für die Stiftungszweckverfolgung. Hinzutreten klassischerweise noch eingeworbene Spenden und Förderleistungen anderer, meist größerer Förderstiftungen sowie die vergleichsweise neuen Denkansätze wie „Mission Investing“ und „Social Responsible Investments“.
RW: Mit dem neuen Recht gibt es ja mehr Freiheiten bei der Verwendungsmöglichkeit für Umschichtungsgewinne.
MU: Ja, das ist richtig, für manche Stiftungen wird dies geradezu eine Kehrtwende mit sich bringen. Gewinne aus Umschichtungen des Grundstockvermögens stehen jedenfalls nach bisheriger Auffassung von einigen Stiftungsbehörden für die Verfolgung des Stiftungszwecks allenfalls zur Verfügung, wenn die Stiftungssatzung das ausdrücklich vorsieht. Ab 1. Juli 2023 können Gewinne aus Umschichtungen des Grundstockvermögens für den Stiftungszweck eingesetzt werden, wenn die Stiftungssatzung das nicht ausdrücklich verbietet und die Erhaltung des Grundstockvermögens gewährleistet ist.
RW: Sind für einen Ausweis von positiven Umschichtungsergebnissen in der Bilanz eigentlich zwingend Transaktionen vonnöten?
MU: Positive Umschichtungsergebnisse resultieren in der Regel aus der Realisierung von stillen Reserven. Diese sind nur im Rahmen von Transaktionen, z.B. Veräußerung von Aktien oder Immobilien, zu heben, zumindest bei kaufmännischer / HGB-orientierter Rechnungslegung. Negative Umschichtungsergebnisse können bei außerplanmäßigen Abschreibungen im Rahmen von dauernden Wertminderungen (z.B. bei dauerhaft gesunkenem Aktienkurs) auch ohne Transaktionen entstehen.
RW: Viele Stiftungen dürften erhebliche stille Reserven aufgebaut haben, z.B. aufgrund von gestiegenen Immobilienpreisen in Ballungszentren. Wie können diese stillen Reserven gehoben werden?
MU: Stille Reserven können lediglich durch Veräußerung realisiert werden. Ob stille Reserven dadurch gehoben werden oder nicht, entscheiden die Gremien frei verantwortlich auf Basis der jeweiligen Satzungsvorgaben, also üblicherweise der Vorstand der Stiftung, gegebenenfalls auch ein Stiftungsrat, falls ein solcher satzungsgemäß auch mit Fragen der Vermögensverwaltung betraut sein sollte. Typischerweise gibt es im Stiftungsvermögen Immobilien und/oder Wertpapierbestände, die im Zeitablauf erheblich an Wert gewonnen haben und dann muss entschieden werden, ob dieser Wert realisiert wird. Den verantwortlichen Gremien steht bei einer solchen Entscheidung vorbehaltlich von Satzungsvorgaben ein weites Geschäftsleiterermessen zu.
RW: Können diese stillen Reserven nach der neuen Gesetzgebung leichter dem Stiftungszweck zugeführt werden?
MU: Wie vorhin bereits erwähnt, sieht das künftige, ab dem 1. Juli 2023 in Kraft tretende Stiftungsrecht vor, dass Gewinne aus Umschichtungen des Grundstockvermögens für den Stiftungszweck eingesetzt werden können, wenn die Stiftungssatzung das nicht ausdrücklich verbietet und die Erhaltung des Grundstockvermögens gewährleistet ist. Bemerkenswert ist, dass laut Gesetzesbegründung Umschichtungsgewinne „wie bisher zur Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden“ können. Falls diese Aussage des aktuellen Gesetzgebers zutreffend sein sollte, sind Teile der Verwaltungspraxis bislang von falschen Vorzeichen ausgegangen.
RW: Kann man sich auch vorstellen, dass eine Stiftung, die die langfristigen Wertentwicklungspotenziale von Aktien nutzen möchte, neben den Dividenden die regelmäßigen Kursgewinne nutzt, um stabile Zweckverfolgungsstrategien umsetzen zu können?
MU: Da zur Zweckverfolgung in diesem Sinne i.d.R. nur liquide Mittel eingesetzt werden können, ist eine Realisierung der Kursgewinne durch Veräußerung der zugrunde liegenden Wertpapiere notwendig.