Auf was müssen sich Stiftungen jetzt einstellen, Herr Behr?

Der Ukraine-Krieg hält die Welt in Atem und rückt Katastrophen in den Blick, an die wir lange nicht denken mussten. Sollten Stiftungen aus dem Krieg Konsequenzen für ihre Vermögensanlage ziehen? Wir fragten Karsten Behr, Anlageexperte und Vorstand der Niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung aus Hannover.  

RenditeWerk: Ist der Krieg in der Ukraine eine Bedrohung für das Stiftungsvermögen?

Karsten Behr: Der Krieg ist für bestimmte Bereiche der Vermögensanlage sicher eine Belastung und könnte zu spürbaren Verwerfungen insbesondere bei Aktien führen. Das ist vor allem für Anleger, die ihr Geld bald brauchen – ich denke etwa an Menschen, die kurz vor der Rente stehen – ein Problem. Die sollten überlegen, schnell sichere Formen der Kapitalanlage zu wählen, also etwa auf weniger schwankungsanfällige Werte setzen. Für Stiftungen, die auf Ewigkeit angelegt sind und denen zwischenzeitliche Schwankungen weniger wichtig sein sollten, ist das wohl weniger relevant. Für sie gilt die alte Weisheit „Politische Börsen haben kurze Beine“. Nein, eine direkte Notwendigkeit, das Stiftungsvermögen neu zu justieren, sehe ich nicht.  

RW: Die größte Gefahr für das Stiftungsvermögen sind ja historische Katastrophen, Kriege, Hyperinflationen, deflationäre Krisen etc. Rücken solche Dinge wieder in den Bereich des Möglichen?  

KB: Sie scheinen heute jedenfalls wieder eher möglich als noch vor einem oder zwei Jahren. Trotzdem plädiere ich für eine Stiftungsvermögensanlage mit ruhiger Hand. Wohlgemerkt: Der Ukraine-Krieg ist jetzt noch keine solche Katastrophe, eher eine ärgerliche Situation, wie wir sie nach 45 nicht mehr hatten. Und bedenken Sie bitte auch: Selbst den Zweiten Weltkrieg haben die meisten Stiftungen überstanden. 

RW: Aber muss man jetzt tendenziell mehr Cash halten, wie es die sogenannten institutionellen Anleger tun würden?

KB: Mit Cash kann man kurzfristigen Schwankungen an der Börse aus dem Wege gehen, Sachwerte sind dagegen besser geeignet, Katastrophen von historischem Ausmaß zu überstehen. Wer jetzt etwas ändern will, der sollte als Stiftung eher mehr Sachwerte kaufen, also in Aktien und Immobilien und – wenn es passt – auch Private Equity investieren. Es gilt, dass Aktienmärkte kurz- und mittelfristig stärker schwanken, diese Volatilität aber für eine Stiftung wenig gefährlich ist. Gefährlicher können etwa die Folgen einer höheren und andauernden Inflation für die Kurse von Anleihen sein. Ich halte eine aktuell entstehende Lohn-/Preisspirale für alles andere als ausgeschlossen.    

RW: Und Gold, das ultimative Krisen-Investment?

KB: Ich bin kein großer Freund von Gold, aber manchmal kann es besser sein, in Gold als in Anleihen zu investieren, etwa wenn Zentralbanken die Zinsen anheben und Anleihen Bewertungsabschläge hinnehmen müssen.

RW: Haben Stiftungen denn den gesetzlichen Spielraum, jetzt mehr in Sachwerte zu investieren?

KB: Was die Aktien- und Immobilienanteile angeht, sicher. Wenn Stiftungsvorstände eine vernünftige kaufmännische Entscheidungsfindung belegen können, sind sie damit spätestens mit der Novellierung des Stiftungsgesetzes und der Einführung der sogenannten Business Judgment Rule aus der Haftung.       

RW: Wie viel Sachwerte können Sie Stiftungen empfehlen?

KB: Mein erster Rat an Stiftungen ist, dass sie nicht nervös werden sollen, wenn es wie jetzt mal eine deutlichere Korrektur an den Märkten gibt. In fallende Märkte zu verkaufen, ist wohl einer der größten Fehler unerfahrener Marktteilnehmer. Der Ukraine-Krieg ist fürs Vermögen noch keine globale Katastrophe, aber unabhängig davon kann man eine mittelfristige Erhöhung der Aktienquote vielen Stiftungen empfehlen. In der Bingo-Umweltstiftung haben wir etwa zwei Drittel des Vermögens in Sachwerte, also Immobilien, Aktien und Private Equity investiert. Der Rest steckt in Anleihen und Cash, übrigens auch deshalb, weil sich einige Opportunitäten ergeben könnten, in die wir dann schnell investieren könnten.