Anleihen und Nachhaltigkeit
Der inzwischen allgegenwärtige Aspekt, die Nachhaltigkeit zu beachten, ist in alle Anlageklassen eingedrungen. Jedoch entpuppt sich ein Dilemma für die Anlage des Stiftungsvermögens.
Prof. Volkmar Liebig, Ulm
Anleihen sind typischerweise ein fester Bestandteil von diversifizierten Anlageportfolien. Nach einschlägiger Theorie und gängiger Praxis verringert die Diversifikation, repräsentiert durch unterschiedliche Anlageklassen, das Gesamtrisiko eines Anlageportfolios. Stiftungen legen durch ihre Anlagerichtlinien in der Regel fest, wie die Anlageklassen sich aufteilen sollen. Auf dieser Basis stellen Stiftungen in zunehmendem Maße zusätzlich die Anforderung, dass die Investitionen in möglichst allen Anlageklassen nachhaltig zu sein haben. Damit ist der inzwischen allgegenwärtige Aspekt, die Nachhaltigkeit zu beachten, in alle Anlageklassen eingedrungen.
Das dürfte jedem vernünftigen Investor klar und nachvollziehbar sein, insbesondere Stiftungen. Wenn unter Nachhaltigkeit „zeitlich dauerhaft“ verstanden wird, gibt es keine nachhaltiger aufgestellte Institutionsform als eine Stiftung. Die Investments mithilfe des Stiftungskapitals haben folgerichtigerweise entsprechend nachhaltig zu sein. Hier ist nicht der Platz, um auf die Frage einzugehen, was unter nachhaltig zu verstehen ist. Es geht um die Frage: Was bietet der Markt an? Am Beispiel von nachhaltigen Anleihen wird es spannend.
Anleihen werden von staatlichen Gebietskörperschaften oder Unternehmen ausgegeben. Deutschland hat vor einem Monat eine erste „Öko-Bundesanleihe“ mit einem Volumen von 6,5 Mrd. Euro, einer Laufzeit von zehn Jahren und einem Zins von null Prozent platziert. Das eingenommene Kapital muss nach den Regularien des Bundes für ökologische Projekte ausgegeben werden. Konkret sind das etwa Ladestationen für E-Autos, Industriestrom aus Wasserstoff oder Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern. Der Ausgabekurs lag bei etwas über 104 Prozent, was eine negative Rendite in Höhe von 4,6 Prozent ergibt.
Unter Renditegesichtspunkten muss erstaunen, dass diese Bundesanleihe etwa fünfmal überzeichnet worden ist. Natürlich zählen Bundesanleihen zu den wichtigsten Wertpapieren im Euro-Raum. Die Renditen von Bundesanleihen gelten als Referenz für den Euro und haben Benchmark-Status, nunmehr auch bei den grünen Staatsanleihen. Unabhängig davon, dass vor allem Zentralbanken, Investmentfonds, Versicherungen und Hedgefonds gezeichnet haben, bleibt die Frage: Und was machen Stiftungen?
Wenn Stiftungen Anleihen dieser Provenienz – geringes Risiko, mittlere bis lange Laufzeiten, keine laufenden Rückflüsse durch positive Zinsen und insgesamt eine negative Rendite – kaufen, verringern sie ihr Stiftungsvermögen und können die laufenden Projekte ihrer Stiftungsarbeit nicht finanzieren. Als einziges Argument verbleibt, dass sie ihr Stiftungsvermögen nachhaltig anlegen – möglicherweise mit der Philosophie, Mission Investing zu betreiben. Damit schaffen sie aber keine Basis für die Nachhaltigkeit der Stiftung selbst, indem sie sinnvolle Aktivitäten für den Stiftungszweck finanziell ermöglichen.
Es entpuppt sich ein Dilemma: Einerseits sind Stiftungen gehalten, ihr Stiftungsvermögen zu erhalten, von Verbrauchsstiftungen einmal abgesehen. Und die Erträge des Vermögens sollen den Eigenbedarf der Stiftung abdecken und möglichst effektiv für die Stiftungsarbeit eingesetzt werden. Andererseits ist es aktuell und wohl auch in absehbarer Zeit nicht möglich, mit festverzinslichen Papieren eine Rendite zu erwirtschaften. Es bleibt den Stiftungen wohl nichts anderes übrig, zur Erwirtschaftung von Erträgen höhere Risiken einzugehen. Risiken bestehen sowohl bei Direktinvestitionen, in diesem Zusammenhang etwa bei Unternehmensanleihen, und in der Abnahme der Diversifikation des Anlageportfolios. Dazu müssen gegebenenfalls die Anlagerichtlinien angepasst werden. Da bleibt nur die Hoffnung, dass dabei die Nachhaltigkeit nicht auf der Strecke bleibt. Sowohl für die Nachhaltigkeit der Stiftung als auch für die Nachhaltigkeit der Investments, in die das Stiftungsvermögen gesteckt wird. Mit als nachhaltig deklarierten Bundesanleihen ist es jedenfalls aktuell nicht möglich, dem eigenen Stiftungszweck zu dienen.