Aktien oder Anleihen – was ist nachhaltiger?

Nachhaltige Kapitalanlage oder Anlage nach ESG-Kriterien (E=Environment (Ökologie), S = Social (Soziales) und G = Governance (Unternehmensführung)) spielen eine immer größere Rolle im Investmentprozess. Im Stiftungsbereich gehören sie schon fast zur Norm. Aber sollten Stiftungen eher auf nachhaltige Aktien oder lieber auf nachhaltige Anleihen setzen? Ein Vergleich

von Elmar Peine

Anleihen oder Aktien – Was ist moralisch besser?

Keine Stiftung will mit ihren Anlagen in moralischen Widerspruch zum Stiftungszweck geraten. Paradebeispiel ist die Lungenkrebsstiftung, die sich nicht gleichzeitig in einer Tabakmanufaktur engagieren sollte, weder als Eigentümer noch als Gläubiger. Die richtigen Ausschlusskriterien sind deswegen für beide Investmentformen gleichermaßen vonnöten. 

Entsprechendes gilt umgekehrt auch im Fall einer „Belohnung“. Eine Stiftung, die gegen die Klimaerwärmung angeht, erfüllt mit einem Kauf von Wasserstoffaktien wie mit dem Kauf der Anleihe eines Wasserstoffproduzenten den Stiftungszweck. Vielleicht ist die „Belohnung“ in Form der Anleihe der Aktie vorzuziehen, sofern das investierte Geld über den Primärmarkt direkt dem Unternehmen zugutekommt, während der Aktienkauf in der Regel am Sekundärmarkt erfolgt und daher nur ein Eigentümerwechsel stattfindet.  

Anleihen oder Aktien – Was verbessert die Welt mehr?

Beim sogenannten Impact geht es um die Frage, welche Wirkung ein nachhaltiges Investment hat. Wenn sehr viele Stiftungen und andere Investoren Aktien von Textilproduzenten mit Kinderarbeit meiden, dann berührt dieser Eigentumswechsel unmittelbar das Geschäft der betroffenen Unternehmen nicht. Selbst wenn deren Aktienkurse relativ sinken, hat das keine direkten Auswirkungen. Nur für den Fall, dass der Textilkonzern eine Kapitalerhöhung plant, könnte sich mangelndes Interesse des Publikums negativ auswirken, wenn nicht alle angebotenen Aktien gekauft oder nicht zu dem erhofften Preis verkauft werden können. Mit anderen Worten: Die Eigenkapitalbeschaffungskosten steigen. Der Effekt dürfte aber nur sehr schwer zu messen sein. Untersuchungen darüber gibt es meines Wissens nach nicht.       

Andererseits können am ehesten Eigentümer, also Aktionäre, die Geschäftspolitik eines Unternehmens ändern und ESG-verträglicher gestalten. Das aber hat eine fast schon zynische Konsequenz, denn wenn es um das größtmögliche Verbesserungspotenzial geht, macht es wenig Sinn, ein eh schon nachhaltiges Unternehmen zu kaufen. Vielmehr dürften die „dreckigsten“ Firmen das größte Potenzial haben. Aber sollte man einer Kinderschutz-Stiftung wirklich raten, Miteigentümer von Textilunternehmen zu werden, die Kinder ausbeuten?

Wer Anleihen kauft, hat keine Mitspracherechte wie ein Eigentümer. Dennoch schätzt Uli Krämer, Investmentchef des österreichischen Rentenspezialisten Kepler, das Veränderungspotenzial als sehr hoch ein, wenn man sich mit anderen Renteninvestoren zusammenschließt und gemeinsame Forderungen an das Management des betroffenen Unternehmens stellt. Kepler macht das etwa mit Briefen, die von der Nachhaltigkeitsagentur aufgesetzt und von großen Investoren unterschrieben werden. „Immer weniger können es sich leisten, auf ‚stumm‘ oder ‚Durchzug‘ zu schalten“.

Bei Anleihen tritt auch der finanzielle Aspekt klarer hervor. Wenn viele Investoren die Anleihen der Tabakkonzerne meiden, müssen die mehr Zinsen bieten, um Geld geborgt zu bekommen. Mit anderen Worten: Zwischen Anleihen nachhaltiger und nicht nachhaltiger Unternehmen tut sich (bei gleicher Bonität) eine Rendite-Differenz, ein Spread, auf. „Dieser Stachel hilft am besten“, sagt Uli Krämer, „die Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit zu bewegen“. Fazit: Wer auf den Impact abzielt, hat mit einem Investment in einen nachhaltigen Anleihenfonds wahrscheinlich mehr Veränderungspotenz.  

Anleihen oder Aktien – was gibt dem Investor größere Möglichkeiten?

Grundsätzlich hängt das Universum von den Filtern und Einstellungen der Agenturen bzw. der Fondsmanager ab. Sie bestimmen, wie viele Unternehmen durch das Netz fallen, ob eher nach E, nach S oder nach G gefiltert wird und wie groß das Universum ist, das übrigbleibt. Zu bedenken ist allerdings, dass sich nicht nur Unternehmen Geld leihen, sondern auch supranationale und halböffentliche Institutionen (wie die KfW) und öffentliche Kommunen wie etwa Staaten. Wer auf die zielt, hat mit Anleihen klar den besseren Hebel. Ein häufiges Ausschlusskriterium im Anleihebereich ist etwa die Todesstrafe; dem in aller Regel Bonds aus den USA oder China zum Opfer fallen. Solche Makro-Kriterien spielen bei Aktieninvestments keine Rolle.

Anleihen oder Aktien – Wo kostet die Nachhaltigkeit mehr?

Eine komplizierte Frage, die zuerst die Fondsebene und die Frage berührt, wie hoch der Gebührenaufschlag für nachhaltige Fonds ist. Dazu gibt es eine Untersuchung der Fondsratingagentur Morningstar von 2017. Überraschenderweise zeigt die für 12 Aktienkategorien im Schnitt niedrigere Gebühren der nachhaltigen Fonds gegenüber dem Kategoriendurchschnitt. Nur in zwei Kategorien waren die Gebühren der ESG-Fonds höher (Wasser und Ökologie). Bei den vier untersuchten Anleihen-Kategorien waren die ESG-Fonds jeweils billiger als der Durchschnitt der Kategorie. Ein erstaunliches Ergebnis, das man laut dem Autor der Studie allerdings nicht überinterpretieren sollte. Ein möglicher Erklärungsgrund könnte der größere Anteil passiver Fonds im ESG-Bereich sein.  

Neben den Fondskosten interessiert die Frage, ob nachhaltige Investments gegenüber vergleichbaren Nicht-ESG-Anlagen einen Performance-Nachteil haben? Im Aktienbereich haben eine ganze Reihe von Studien gezeigt, dass ESG-Aktien mindestens keinen Nachteil haben. Im Gegenteil: Kurzfristig könnte der Drang vieler Investoren in den ESG-Sektor genau deren Aktien treiben. Langfristig erwarten die meisten Beobachter für nachhaltige Aktieninvestments einen Ertragsvorteil gegenüber Nicht-ESG-Aktien, weil sich dann eben die Nachhaltigkeit (z.B. die bessere Unternehmensführung) auszahlen sollte. Allerdings ist zu bedenken, dass aus der teils erheblichen Verkleinerung des Universums im Zuge der Filterprozesse zumindest theoretisch eine höhere Schwankung resultieren könnte.

Im Anleihebereich sieht es für die Investoren ertragsmäßig vergleichbar aus – nachhaltige Rentenfonds rentieren gegenüber herkömmlichen vergleichbar. Auch wenn zukünftig der Fall eintreten könnte, dass nachhaltige Unternehmen sich tatsächlich für weniger Zinsen Geld leihen können. Wie groß dieser Effekt ist, ist meines Wissens nach bislang nicht untersucht worden. Einen Hinweis darauf, dass dieser Effekt momentan noch sehr gering ist, könnte die grüne Bundesanleihe geben, deren Einnahmen der Staat nur für Öko-Projekte ausgeben darf. Sie „rentierte“ am 12.10.2020 mit minus 0,563 Prozent. Der im gleichen Zuge herausgegebene herkömmliche Zwilling kostet den Anleger dagegen nur minus 0,548 Prozent pro Jahr. Darüber hinaus gibt Rentenexperte Krämer zu bedenken, dass Anleihenemittenten mit einem guten Nachhaltigkeitsrating gegenüber Emittenten mit gleichem Finanz-Rating „a la long geringere Ausfallswahrscheinlichkeiten aufweisen sollten, weil der zusätzliche Blick mit einem breiten Nachhaltigkeitsfilter bestehende Probleme wahrscheinlich früher erkennt.“      

Fazit: Anleihenfonds sind im Nachhaltigkeits-Bereich noch immer eher die Ausnahme. Zu Unrecht, denn ihre Nachhaltigkeitspotenz steht denen von Aktienfonds in keiner Weise nach.