Soziale Infrastruktur: Schlüssel zu nachhaltiger Entwicklung und stabilen Erträgen

Thomas Kotyrba, Head Of Research and Strategy bei BNP Paribas Real Estate Investment Management Germany

Soziale Infrastruktur umfasst eine Vielzahl von Einrichtungen und Dienstleistungen, die das Rückgrat unserer Gesellschaft bilden – von Kinderbetreuungs- und Bildungsstätten über Wohnraum im Allgemeinen und bezahlbaren Wohnraum im Besonderen bis hin zu Institutionen der öffentlichen Sicherheit. Auch Pflege- und Gesundheitsimmobilien fallen in das Segment. Diese Infrastruktur ist nicht nur für das individuelle Wohl und die soziale Gerechtigkeit von großer Bedeutung, sondern auch für die langfristige wirtschaftliche Stabilität und das Wachstum einer Gesellschaft. Doch wie steht es um diese essenzielle Infrastruktur in Deutschland? Welche Herausforderungen und Chancen bestehen, und warum könnten Investitionen in diesen Bereichen besonders lohnenswert sein?

Engpässe in Kitas und Schulen: Deutschlands dringender Aufholbedarf

In Deutschland fehlen laut Bertelsmann Stiftung 384.000 Kita-Plätze. Auch Krippen und Horte sind oft überbelegt und haben lange Wartelisten. Die Folgen sind weitreichend: Eltern, beziehungsweise einzelne Elternteile, können oft nicht in den Arbeitsmarkt zurückkehren oder müssen in Teilzeit arbeiten. Dies beeinträchtigt die finanzielle Situation der Familien und wirkt sich letztendlich auch negativ auf die volkswirtschaftliche Produktivität aus. Auch im Bildungsbereich besteht in Deutschland erheblicher Nachholbedarf. Laut Zahlen der KfW besteht ein Investitionsstau von 55 Milliarden Euro allein im Schulsegment. Grund- und weiterführende Schulen sind häufig überlastet, es fehlt an ausreichend qualifizierten Lehrkräften. Hochschulen und Universitäten kämpfen mit überfüllten Hörsälen und unzureichender Ausstattung. Ohne Investitionen in diesem Bereich droht die Qualität der Bildung weiter zu sinken, was langfristig die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gefährdet.

Wohnungsmangel trifft Arbeitskräftemangel: Auch hier besteht Handlungsbedarf

Wohnraum sollte für jeden Menschen bezahlbar und zugänglich sein, doch in vielen Städten und Ballungsräumen ist dies längst nicht mehr der Fall. Steigende Mietpreise und der Mangel an Sozialwohnungen verschärfen die soziale Ungleichheit und fördern die Segregation. Seit 2019 ist die Zahl der armutsgefährdeten Menschen in Deutschland um 3 Millionen auf 17,3 Millionen Menschen gestiegen, zeitgleich ist die Anzahl an Sozialwohnungen um knapp 100.000 auf 1,07 Millionen weiter gesunken. Ein sicherer, erschwinglicher Wohnraum ist jedoch entscheidend, um allen Menschen ein würdevolles Leben zu ermöglichen und gesellschaftliche Spannungen zu mindern. Darüber hinaus ist die Verfügbarkeit von leistbarem Wohnraum in vielen Regionen ein Schlüsselfaktor für die Anwerbung dringend benötigter Arbeitskräfte.

Investitionen in soziale Infrastruktur: eine Win-win-Situation

Aus gesellschaftlicher Sicht sind Investitionen in Kinderbetreuung, Bildung, Wohnen und Gesundheit unerlässlich, um eine solide Basis für die alternde als auch die nachwachsende Generation zu schaffen, ein attraktives Einwanderungsland zu sein und die soziale Transformation im urbanen Raum voranzutreiben. In soziale Infrastruktur zu investieren, kann sich – unabhängig von der allgemeinen Notwendigkeit – auch finanziell bezahlt machen. Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten und Sozialwohnungen generieren verlässliche Einnahmen mit zumeist sehr langfristigen Mietverträgen mit staatlichen Mietern, beziehungsweise, im Fall von Wohnungen, mit geringer Fluktuation. Darüber hinaus trägt die Verbesserung der sozialen Infrastruktur zu einem stabilen und produktiven Umfeld bei, das langfristig die Wirtschaft stärkt. Davon können wiederum institutionelle Investoren profitieren, die mit ihrem Engagement in einen Fonds mit sozialer Infrastruktur anspruchsvolle ESG-Anforderungen erfüllen. Denn tatsächlich ist auch das S in ESG mittlerweile managebar und letztendlich auch messbar. Eine bedeutende Rolle kommt dabei dem vom Institut für Corporate Governance (ICG) entwickelten Praxisleitfaden zu, aus dem nachvollziehbar hervorgeht, wie soziale Wirkungsziele präzise definiert und durch spezifische Key Performance Indicators (KPIs) kontinuierlich überwacht und verbessert werden können. International ist das IRIS+ System des GIIN (Global Impact Investing Network) eine fundierte Anlaufstelle für die Definition und Messung von nachhaltigen Investmentzielen. Übergeordnet orientieren sich Nachhaltigkeitsstrategien zumeist an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, den sogenannten UNSDG.

Geografische, sektorale und risikobezogene Vielfalt

Bei der Auswahl eines Investmentproduktes für soziale Infrastruktur stehen Investoren vor einer Vielzahl von Möglichkeiten. Regionale Fonds konzentrieren sich auf bestimmte geografische Gebiete und bieten Investoren damit die Möglichkeit, sich in ihrer eigenen Region sozial stärker zu engagieren. Sie profitieren von einer tiefgehenden Kenntnis lokaler Märkte und regulatorischer Rahmenbedingungen. Globale Fonds streuen ihre Investitionen über verschiedene Märkte weltweit, bieten somit ein breiteres Spektrum und diversifizieren die geografischen Risiken. Einige Fonds spezialisieren sich auf einen bestimmten Sektor und fokussieren auf dessen gezielte Förderung und Entwicklung. Andere Fonds hingegen setzen auf ein Portfolio aus mehreren Bereichen der sozialen Infrastruktur, streuen so die Risiken und profitieren von einer größeren Angebotspalette an Assets, was in einem Segment außerhalb des Mainstreams gerade beim Portfolioaufbau aufgrund der breiteren Auswahl Druck aus den Ankaufsrenditen nehmen kann.

Verschiedene Formen an Investitionsmöglichkeiten

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, in soziale Infrastruktur zu investieren. Sie erstrecken sich von eher liquiden und flexiblen offenen Fonds über geschlossenen Fonds und Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) bis hin zu Direktinvestitionen in Projekte mit direkter Kontrolle und Einflussnahme. Artikel 9-Fonds, die sich auf rein nachhaltige Investments konzentrieren, sind für Investoren mit besonderen Vorteilen verbunden. Dazu gehören langfristige, verlässliche Einnahmequellen, die Erfüllung von ESG-Anforderungen, eine verbesserte Compliance und eine zusätzliche Reputation. Um letztere nicht zu gefährden, muss ein solcher Fonds die Offenlegungspflichten der SFDR erfüllen, die positiven sozialen Auswirkungen anhand von KPIs nachweisen und regelmäßige Reportings durchführen, um die sozialen Auswirkungen der Investitionen zu bewerten und zu verbessern. Darüber hinaus bieten diese Fonds abseits der regulatorischen Anforderungen die Umsetzung von intrinsisch motivierten Nachhaltigkeitszielen, welche immer häufiger durch Investoren artikuliert werden.

Integration in das Gesamtportfolio: Stabilität und Diversifikation

Investments in soziale Infrastruktur sind häufig durch langfristige Verträge und staatliche Unterstützung abgesichert, was sie in gewisser Weise immun gegen die täglichen Schwankungen der Finanzmärkte macht. Dies führt tendenziell zu einer geringeren Korrelation mit zyklischen Anlageklassen wie Aktien. Da soziale Infrastrukturleistungen Grundbedürfnisse abdecken, ist die Nachfrage nach diesen Leistungen relativ unabhängig von konjunkturellen Entwicklungen, was wiederum zu einer geringeren Korrelation mit konjunktursensitiven Anlageklassen wie Rohstoffen oder Industrieaktien führt. Im Gegensatz dazu können sie aufgrund der genannten, stabilisierend wirkenden Charakterzüge wiederum eine höhere Korrelation mit Anleihen aufweisen, insbesondere mit Staatsanleihen und hochwertigen Unternehmensanleihen. Im Allgemeinen gelten Investitionen in soziale Infrastruktur als relativ stabil und wenig volatil. Und da sie sowohl eine ethische als auch eine finanzielle – also eine doppelte – Dividende bieten, stellen Investitionen in Investmentprodukte für soziale Infrastruktur eine sinnvolle und sinngebende Portfoliobeimischung dar.