Einzigartiger Einblick: Verwaltung von Stiftungsvermögen

Das Institut für Vermögensaufbau untersuchte auch für 2023 auf Basis von Depotdaten der V-Bank, wie unabhängige Vermögensverwaltungen Stiftungsportfolios managten

Die V-Bank hat als depotführende Bank zum zweiten Mal in Folge für das Anlagejahr 2023 eine statistische Analyse von Stiftungsportfolios durchführen lassen, die unabhängige Vermögensverwaltungen (UVV) managen.

Wir fragten Dominik Fietz, Key Account Manager für Vermögensverwalter und Stiftungen bei der V-Bank, nach dem Erkenntnisinteresse der V-Bank. Über die Studienergebnisse sprachen wir mit Dr. Andreas Ritter, Vorstandsmitglied beim Institut für Vermögensaufbau, das die empirischen Untersuchungen durchführt.

Dominik Fietz

RenditeWerk: Herr Fietz, was verspricht sich die V-Bank von den Stiftungsdepot-Analysen, welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich?

Dominik Fietz: Immer mehr Stiftungen vertrauen auf unabhängige Vermögensverwalter bei der Verwaltung ihres Vermögens. Gleichzeitig ist die Dienstleistung eines bankenunabhängigen Finanzexperten noch immer eher unbekannt. Die Untersuchung soll dazu beitragen, die Dienstleistungen der Branche bekannter zu machen. Stiftungen können die Leistungsfähigkeit unabhängiger Vermögensverwalter besser einschätzen und aufsichtsrechtlich dokumentieren.

Unabhängig von der Frage, auf welche Beratungsform Stiftungen setzen, erhalten sie mit den Untersuchungsergebnissen valide Orientierungspunkte für die eigene Geldanlage. Jede Stiftung kann jetzt prüfen, ob die eigene Anlagestrategie einer Mehrheitsmeinung entspricht oder aus guten Gründen davon abweicht. Stiftungsverantwortliche können ihre Finanzberater nach den inneren Produktkosten fragen und vergleichen, wie diese im Markt liegen.

RenditeWerk: Die statistische Untersuchung führte das Institut für Vermögensaufbau (IVA) durch. Dr. Andreas Ritter, was macht das IVA überhaupt?

Dr. Andreas Ritter: Das IVA analysiert seit 2005 Portfolios von Banken und Vermögensverwaltern in großer Anzahl und strebt dabei stets einen ganzheitlichen Blick auf die untersuchten Depots an. Mit der V-BANK analysieren wir mittlerweile über 50.000 Portfolios pro Jahr und erreichen dabei eine bis dato einzigartige Auswertungstiefe. Viele der am Markt verbreiteten Studien konzentrieren sich mehr oder weniger auf Performanceergebnisse, die in der Vergangenheit realisiert wurden und aus statistischer Sicht eine geringe Aussagekraft bezüglich des zukünftig zu erwartenden Anlageerfolgs besitzen. Wir setzen deshalb einen besonderen Schwerpunkt bei einer breit diversifizierten Portfoliostruktur, der Vermeidung von – unnötigen – Risiken ohne eine systematische Risikoprämie sowie der Qualität der Produktauswahl. Mit unserer Stichprobe von etwa 500 realen Stiftungsportfolios und insgesamt rund 50.000 Vermögensverwaltungsportfolios schaffen wir einen einzigartigen Einblick in das Anlageverhalten der deutschen Vermögensverwalter und Stiftungsmanager.

Dr. Andreas Ritter

RenditeWerk: Wir haben den Eindruck, dass die Stiftungsvermögensverwaltung in Deutschland deutlich weniger erforscht ist als etwa in den USA. Wo sehen Sie derzeit die größten weißen Flecken in Deutschland?

Dr. Andreas Ritter: Im Grunde können wir diesen Eindruck bestätigen. Es gibt hierzulande insgesamt noch recht wenig Informationen und Transparenz über das Anlageverhalten von Stiftungsvermögensverwaltern. Insbesondere ist die Erforschung der langfristigen Aufteilung auf die verschiedenen Anlageklassen und damit der innerhalb der Stiftungsportfolios verfolgte Risikoappetit von großem Interesse und könnte Stiftungsmanagern eine wertvolle Orientierungshilfe bieten. Als Zustifter wüsste man darüber hinaus auch gern, wie erfolgreich die verschiedenen Stiftungen ihr Vermögen bewirtschaften.

RenditeWerk: Kommen wir zu einigen Ergebnissen der Studien: Der Analyse von 2022 lagen 383 Depots von 83 UVV zugrunde, für 2023 waren es 475 Depots von 96 UVV. Das ist ein deutliches Wachstum. Inwiefern sind Ihre Ergebnisse repräsentativ?

Dr. Andreas Ritter: Die Zahl der Stiftungen in Deutschland wächst stetig – 637 Stiftungen wurden laut dem Bundesverband Deutscher Stiftungen allein 2023 neu errichtet. Auch die Anzahl der bei der V-BANK geführten und an uns übermittelten Stiftungsdepots hat im Vergleich zum Vorjahr deutlich zugelegt. Da unsere Stichprobe alle bei der V-BANK geführten Stiftungsdepots der deutschen Vermögensverwalter beinhaltet und bis auf die Anforderung hinreichend vollständiger Depot- und Wertpapierdaten keine weitere Selektion stattfindet, ermöglicht unsere Stichprobe allgemeingültige Rückschlüsse auf das Anlageverhalten der bei unabhängigen Vermögensverwaltern geführten Stiftungsdepots und ist für diese Grundgesamtheit repräsentativ, jedoch nicht notwendigerweise für die gesamte deutsche Stiftungslandschaft.

RenditeWerk: Welche Veränderungen gegenüber dem Vorjahr waren 2023 besonders bedeutsam und welche Trends etwa in Abhängigkeit von der Zinsentwicklung lassen sich erkennen?

Dr. Andreas Ritter: Im Vergleich zum Vorjahr hat der Rentenanteil um 4,8 Prozentpunkte zugelegt, reduziert wurde vor allem der Liquiditätsanteil. Die Ursache für diese Entwicklung sehen wir in der seit 2022 eingetretenen Zinswende. Aufgrund der derzeit inversen Zinsstruktur und der augenscheinlichen Attraktivität des kürzesten Laufzeitensegments wurde dieses im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls noch einmal merklich aufgestockt (+2,8 Prozentpunkte) – damit sind die Stiftungsmanager innerhalb ihrer Rentenanlagen zu beachtlichen 42 Prozent in das kürzeste Laufzeitensegment unterhalb von drei Jahren investiert.

In diesem Kontext ist weiterhin bemerkenswert, dass der Aktienanteil im Vergleich zum Vorjahr vergleichsweise stabil geblieben ist und trotz der inzwischen wieder attraktiveren Zinsen am Anleihenmarkt nicht in nennenswertem Umfang von Aktien in Renten umgeschichtet wurde.

Im Hinblick auf die Wertpapierauswahl haben Einzelanleihen und Einzelaktien im Vergleich zum Vorjahr insgesamt um 3,5 Prozentpunkte zugelegt, wobei neben dem Liquiditätsanteil vor allem auch der erhebliche Anteil in aktiven Investmentfonds etwas reduziert wurde, was wir mit Blick auf eine kosteneffiziente Depotumsetzung natürlich begrüßen. Da jedoch noch immer rund 45 Prozent des durchschnittlichen Stiftungsdepots in aktive Investmentfonds investiert ist und diese Produktklasse nach wie vor das höchste Gewicht besitzt, hoffen wir auf eine Fortsetzung dieser Entwicklung in Richtung einer noch etwas ausgewogeneren und kosteneffizienteren Produktumsetzung.

RenditeWerk: Bei den aktiven Fonds fällt ein Multi-Asset-„Ausreißer“ auf: Rund 11 Prozent der Depots sind in einen einzigen Stiftungsfonds investiert, der in diesen Depots ein durchschnittliches Gewicht von fast 40 Prozent hat. Welche Rolle spielen Stiftungsfonds in den untersuchten Depots?

Dr. Andreas Ritter: Ein relevanter Anteil der Vermögensverwalter setzt etablierte Stiftungsfonds wie den genannten „Ausreißer“ innerhalb ihrer Depots als Kerninvestment ein, daraus ergibt sich das hohe durchschnittliche Depotgewicht. Bemerkenswert ist auch, dass gleich sechs offene Immobilienfonds in der Liste der 20 am häufigsten eingesetzten (aktiven) Fondsbausteine auftauchen. Sieht man sich jedoch die Verteilung der Assets innerhalb der von Stiftungen investierten aktiven Fonds an, fallen die offenen Immobilienfonds insbesondere im Vergleich mit den für Stiftungen konzipierten Multi Asset Fonds deutlich zurück. Dies lässt den Schluss zu, dass vor allem innerhalb der kleineren Stiftungsdepots auf offene Immobilienfonds zurückgegriffen wird, während die Stiftungsfonds auch bei den Verwaltern größerer Stiftungsdepots beliebt sind.

In diesem Kontext weiterhin erwähnenswert: Stiftungsfonds nehmen ein Gewicht von 13,4% am durchschnittlichen Stiftungsdepot ein, beinhalten jedoch 14,6% des untersuchten Stiftungsvermögens. Offene Immobilienfonds belegen einen Anteil von 2,8% am durchschnittlichen Stiftungsdepot, beinhalten jedoch nur einen Anteil von 1,5% am insgesamt untersuchten Stiftungsvermögen.

RenditeWerk: Von den 20 beliebtesten Aktien (Einzeltiteln) gehört nicht ganz die Hälfe dem DAX an. Man könnte also einen Home Bias vermuten. Welches Aktien-Universum sahen Sie insgesamt?

Dr. Andreas Ritter: Innerhalb der 20 am häufigsten investierten Einzelaktien sehen wir sowohl acht vergleichsweise dividendenstarke Titel aus dem DAX sowie auch die großen US-Technologieunternehmen Microsoft, Apple und Alphabet. Bemerkenswert ist aus meiner Sicht auch, dass die möglicherweise etwas risikoreichere bzw. zyklischere Automobilindustrie in der Liste der am häufigsten gewählten Einzeltitel nicht repräsentiert ist, obwohl dort derzeit mitunter die höchsten Dividendenrenditen vereinnahmt werden können. Demgegenüber nimmt neben dem Technologiesektor vor allem auch der Gesundheitssektor unter den beliebtesten Einzelunternehmen einen hohen Stellenwert ein.

Diese Branchengewichtung setzt sich auch mit Blick auf den gesamten Aktienanteil fort, wo innerhalb der Branchenverteilung neben Technologieunternehmen (15,8%) und Gesundheitsdienstleistern (14,3%) auch noch die vergleichsweise dividendenstarken Finanzdienstleister (15,8%) eine bedeutende Rolle spielen.

Bezüglich der regionalen Verteilung der Aktienanlagen sind die Stiftungsdepots durchschnittlich zu 53 Prozent in Europa investiert, 36 Prozent entfallen auf den Euroraum. Nordamerika wird mit 40 Prozent etwas höher gewichtet als der Euroraum. Bedauerlicherweise spielen Schwellenländer mit 3,3 Prozent im Durchschnitt eine sehr untergeordnete Rolle.

Im Vergleich zum Vorjahr ist der in Nordamerika investierte Anteil des durchschnittlichen Aktienportfolios um 3,2 Prozentpunkte gestiegen, alle anderen Regionen waren leicht rückläufig, vor allem der Euroraum hat 2,2 Prozentpunkte an Gewicht verloren.

RenditeWerk: Die klassischen Assetklassen – also Anleihen, Aktien und Liquidität zusammen – kommen auf eine Quote von 91,6 Prozent. Könnte es auch noch „alternativer“ zugehen?

Dr. Andreas Ritter: An einem hohen durchschnittlichen Gewicht der klassischen Assetklassen gibt es aus unserer Sicht wenig zu bemängeln, dies scheint aus unserer Sicht auch bei der Mehrheit der unabhängigen Vermögensverwalter Zustimmung zu finden. Es ist dabei jedoch zu berücksichtigen, dass die Grundlage unserer Analyse die liquiden Wertpapierdepots der Stiftungen bei der V-BANK sind, welche nicht immer das Gesamtvermögen der Stiftungen abbilden. Insbesondere in der Anlageklasse der Immobilien dürfte es einen gewissen Bestand an Direktanlagen geben, der nicht in den Wertpapierdepots erscheint und damit innerhalb unserer Analyse nicht untersucht werden kann. Somit könnte das Gewicht der Anlageklasse Immobilien innerhalb des Stiftungsvermögens in der Praxis noch etwas höher sein.

Im Vergleich zur Grundgesamtheit aller von uns untersuchten Vermögensverwalterdepots sind die Stiftungsdepots auf der Aktienseite etwas defensiver bzw. etwas weniger prozyklisch investiert, d. h. insbesondere die Gewichtung des US-Aktienmarktes (40% vs. 47%) und des Technologiesektors (16% vs. 20%) ist bei den Stiftungen weniger stark ausgeprägt als bei den Privatkundendepots. Auch auf der Rentenseite sind die Stiftungen etwas konservativer investiert und halten höhere Anteile im Investment Grade (84% vs. 70%).

RenditeWerk: Was können Vermögensverwalter, was können selber verwaltende Stiftungen aus den Studienergebnissen ableiten oder lernen?

Dr. Andreas Ritter: Stiftungen und Vermögensverwalter können aus den Studienergebnissen wichtige Marktstandards im Sinne von gebräuchlichen Bandbreiten bezüglich der Vermögensallokation, der Wertpapierauswahl sowie der anfallenden Produktkosten ableiten und diese mit ihrer eigenen Positionierung vergleichen. Wenn sich ein Vermögensverwalter bezüglich der Gewichtung einer Anlageklasse, einer Region oder einer Branche weit außerhalb der Verteilungsmitte positioniert, ist dies allein noch kein Kritikpunkt – es sollte sich dabei jedoch um eine bewusst getroffene und entsprechend begründbare Anlageentscheidung handeln. Bei der Schaffung der dazu benötigten Vergleichsmöglichkeit und Markttransparenz leistet unsere Studie einen wertvollen Beitrag.

RenditeWerk: Was haben Sie noch vor, um den wachsenden Datenschatz der V-Bank zur Stiftungsvermögensverwaltung statistisch weiter auszuwerten?

Dr. Andreas Ritter: Insbesondere die Beobachtung der Stiftungsdepots über einen wachsenden mehrjährigen Zeitraum wird zukünftig wertvolle Einblicke in das Anlageverhalten der Stiftungsmanager sowie auch die längsschnittliche Analyse des Stiftungspanels während verschiedener Marktphasen ermöglichen. Sobald wir gemeinsam mit der V-BANK eine mehrjährige Auswertungshistorie aufgebaut haben, wird die Untersuchung von Forschungshypothesen wie z. B. die Herleitung statistisch signifikanter Aussagen zu den Performancetreibern innerhalb der Stiftungsdepots möglich.

Vielen Dank für das Gespräch