Genial oder nicht das Gelbe vom Ei?

Von Thomas Keller, Investmentstratege bei der Spiekermann & CO AG in Osnabrück

Seit November 2023 befinden sich die weltweiten Aktienmärkte in einem starken Aufwärtstrend. Insbesondere große Werte wie Microsoft (ISIN US5949181045), Nvidia (ISIN US67066G1040) und Meta Platforms (ISIN US30303M1027) haben die Indizes nach oben gehievt. Kein Wunder, dass ETFs auf den MSCI World glänzen und die Aufmerksamkeit vieler Anleger auf sich ziehen. Ein simples Indexinvestment gilt vielfach als der Weisheit letzter Schluss. Als unabhängige Vermögensverwalter setzen auch wir ETFs ein. Gleichzeitig sind wir der Überzeugung, dass ein robust aufgestelltes Depot mehr als den MSCI World benötigt.

Konzentration auf allen Ebenen

Der MSCI World wird als breites Investment vermarktet, das über 1.479 Aktien, sehr viele Länder und sämtliche Branchen streut. Doch hinter der angeblich so breiten Streuung verbergen sich Klumpen. Gut 70 Prozent der Anlagegelder fließen in Unternehmen, die in den USA gelistet sind. Nur rund 15 Prozent wandern in europäische Firmen. Sechs Prozent werden in Japan angelegt.

Die Schwellenländer und damit der Großteil der Weltbevölkerung kommen gar nicht in dem Index vor. Fast drei Viertel des Geldes stecken in fünf von elf Wirtschaftssektoren. Allein 25 Prozent entfallen dabei auf Unternehmen aus der Informations- und Telekommunikationswelt.  Die zehn größten Konzerne nehmen 20 Prozent des Kuchens in Anspruch. Der Anteil der letztplatzierten 500 Firmen dürfte zusammen nicht diesen Anteil erreichen.

Gefahr durch Regulierung

Nun muss die Konzentration nicht zwingend negativ sein. Als 2023 vor allem die Kurse der Mega Caps aus dem Tech-Sektor stiegen, arbeitete die Fokussierung für die Anleger. Doch es gibt ein regulatorisches Risiko. Aktuell lässt man in der westlichen Welt die großen IT-Plattform-Unternehmen relativ frei gewähren. China geißelt seine Tech-Giganten schon tiefgreifender. Sollte der politische Wind in den USA und in Europa drehen und die Wettbewerbshüter härter durchgreifen, ist der Index aufgrund der hohen Gewichtung überexponiert. Quasi als Vorgeschmack verdonnerte die EU- Kommission vor einigen Tagen Apple (ISIN US0378331005) zur Zahlung von 1,8 Milliarden Euro, weil die Firma aus Cupertino ihre marktbeherrschende Stellung für den Vertrieb von Musik- Streaming-Apps bei iPhone- und iPad-Nutzern missbraucht habe. Ein rein auf dem MSCI World basierendes Depot ist von der der kräftigen Kursdelle bei Apple stärker betroffen als ein wirklich breit gestreutes.

Die Devise „Ein Weltaktien-ETF reicht“ verfängt aus einem weiteren Grund nicht. Seitdem die westlichen Notenbanken die Zinsen wegen der Inflation nach oben geschraubt haben, gibt es neben Aktien andere Anlageklassen mit attraktivem Rendite-Risiko-Profil. Dazu gehören Unternehmens- und Staatsanleihen, die insbesondere risikobewusste Anleger ansprechen, sowie Rohstoffe und Gold. In der reinen Aktien-ETF-Variante kommen diese Assets, die ein Depot stabilisieren können, nicht vor. Anleger, die nur auf den MSCI World setzen, setzen sich einem größeren Risiko aus, ohne dass sie dafür sicher mit einer höheren Rendite belohnt werden.

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