„2023 wird nicht einfach, aber gut!“

Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds, über die Aussichten für das kommende Börsenjahr.

Das Jahr 2023 wirft seine Schatten voraus. Vor allem für die Börse ist das laufende Jahr eines der schlechtesten seit langem gewesen. Doch, was kommt jetzt? Um ehrlich zu sein, hier wohnen zwei Seelen in meiner Brust. Wir werden sicherlich eine Verlangsamung, bzw. einen Rückgang beim Bruttosozialprodukt sehen. Das wird dann einen Einfluss auf die Gewinne der Unternehmen haben. Wir können wohl davon ausgehen, dass wir kurz vor einer Rezession stehen. Ich sehe aber eher einen kleinen Einbruch, auch wenn es von der Definition her eine Rezession sein wird.

Der Fokus liegt auf Unternehmen mit einem niedrigen KGV

Das hat dann zur Folge, dass zyklische und insbesondere energieabhängige Unternehmen mehr leiden werden als zum Beispiel Dienstleistungsunternehmen. Aber das ist bei vielen zyklischen Aktien bereits in hohem Maße eingepreist. Doch generell gilt: Wenn sich die Gewinne abschwächen und die Zinsen steigen, dann ist das negativ für Aktien. Wenn man auf die Gewinne schaut, dann ist das aber nur ein Aspekt. Viel wichtiger ist die Entwicklung der Zinsen. Ein Beispiel: Wenn ich heute ein Unternehmen kaufe mit einem KGV von 1, 2 oder 3, dann kann ich kaum etwas falsch machen. Kaufe ich aber Unternehmen mit hohen Gewinnerwartungen, dann geht man nicht nur ein Gewinnrisiko, sondern auch ein Zinsrisiko ein. Von den künftigen Gewinnen bleibt nicht mehr viel übrig. Diese sind bei steigendem Zins auf heute bezogen deutlich weniger wert.

Positiv ist auf der anderen Seite zu sehen, dass Investoren aktuell Unternehmen finden mit einem KGV von unter 5. Das ist absolut vielversprechend. Es gibt derzeit Unternehmen, die mitten im Abwärtstrend stehen, also deren Gewinne sich voraussichtlich reduzieren werden. Das finden wir äußerst spannend, denn wenn es wieder aufwärts geht, haben diese Unternehmen einen ungeheuer großen Hebel. Salzgitter mit einem KGV von 1,1, eine K+S mit 1,7 oder Eni mit 2,8. Die Gewinne werden sich zwar reduzieren. Gleichzeitig ist davon bereits viel eingepreist, sonst hätte man ja kein KGV von 3 oder weniger.

Vorsicht ist bei hochbewerteten Unternehmen geboten

Allerdings sind manche Unternehmen immer noch hoch bewertet. Da reichen schon kleine negative Überraschungen und die Kurse rauschen in den Keller. Ich will ein Beispiel geben. Wenn man 40 bis 45 Milliarden Euro hätte, welches Unternehmen würden Sie kaufen? BASF, die Münchener Rück oder Ferrari? Alle drei sind derzeit knapp über 40 Milliarden Euro wert. Bei BASF und der Münchener Rück sind schlechte Nachrichten bereits eingepreist und die Unternehmen relativ fair bewertet. Ferrari hat aber ein KGV von über 40. Das Unternehmen baut großartige Autos, keine Frage. Die Gefahr, dass die nächsten Quartalszahlen aber mal nicht so gut ausfallen, ist allerdings hoch. Entsprechend hoch ist das Risiko, dass der Kurs dann einbricht.

Bleibt ein Blick auf die Entwicklung der Zinsen und der Inflation. Die niedrige Inflation der Vergangenheit, und damit der niedrige Zins, war aus Sicht von Value-Investoren, wie wir es sind, der Grund für die schlechte Entwicklung der Value Aktien. Zum anderen muss man feststellen, dass Inflation auf jeden Fall ein Thema bleibt. Die Lohn-Preis-Spirale hat bereits auf breiter Front begonnen. Die Inflation wird zwar nicht unbedingt bei 10 Prozent bleiben, aber auf die zwei Prozent, die wir mal hatten, wird sie auch nicht so schnell zurückkommen. Damit hat sich das Zinsumfeld gewandelt. Zudem war auch die Globalisierung in den letzten Dekaden mit ein Grund für die geringe Preissteigerung. Dieser Trend ist mittlerweile gestoppt.

Positive Überraschungen werden wieder belohnt

Ein anderes Thema, das die Märkte weiterhin beeinflussen wird, ist die politische Komponente, denn es beginnt wieder eine Art von Blockdenken. Um auch hier ein Beispiel zu geben: Die untersagten chinesischen Beteiligungen an Unternehmen wie dem Hamburger Hafen oder Elmos wären vor ein paar Jahren kein Problem gewesen. So durfte sich Katar bei Daimler und bei der Deutschen Bank einkaufen. Und die chinesische BAIC Group hält 9,98 Prozent der Anteile an Mercedes. Das ist heute anders, wobei sich diese Tendenz eher noch verschärfen wird. Eine chinesische Übernahme wie die von Kuka wird es auf absehbare Zeit nicht mehr geben. Darüber hinaus haben die Unternehmen in den letzten zwei Jahren schmerzlich gelernt, dass die Verlagerung von Produktion zu Lieferengpässen führen kann.

Warum wir dennoch optimistisch auf das Börsenjahr 2023 blicken? Nun, es wird mit Sicherheit kein einfaches Jahr und wir werden wohl weiter eine hohe Volatilität erleben. Aber die meisten negativen Faktoren sind in den aktuellen Kursen bereits eingepreist und wir finden eine ganze Reihe von Aktien, die sehr spannend bewertet sind. Außerdem haben sich viele Unternehmen auf die neue Situation mit steigenden Zinsen und hohen Inflationsraten eingestellt, wie die jüngsten Quartalszahlen gezeigt haben. Deshalb werden positive Überraschungen von der Börse wieder belohnt. Und das treibt die Kurse.