Wirtschaftspolitik mit der Kettensäge
Markus Richert, Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH
Die Idee radikaler Freiheit, in der der Staat auf ein Minimum reduziert und individuelle Rechte über alles gestellt werden, hat Verfechter und Kritiker. Seit FDP-Chef Christian Lindner mit der Kettensägen-Politik eines Javier Milei kokettiert, findet die Idee auch in Deutschland Beachtung. Kann radikaler Libertarismus hierzulande funktionieren?
Weltweit sorgt der argentinische Präsident Javier Milei für Schlagzeilen. Er hat das Land in ein Experimentierfeld libertärer Politik verwandelt. Mit drastischen Reformen will er die chronischen Probleme der argentinischen Wirtschaft bekämpfen. Seine Methoden spalten die Gesellschaft. Während einige ihn als Retter sehen, fürchten andere einen sozialen Kahlschlag. In den USA prägen Donald Trump und Elon Musk ebenfalls mit libertären Ideen den politischen Diskurs. In Deutschland entdeckt die FDP den Libertarismus à la Milei.
Libertarismus stellt die individuelle Freiheit in den Mittelpunkt. Der Staat soll auf ein Minimum reduziert werden, während die Marktwirtschaft als bestes Mittel zur Lösung gesellschaftlicher Probleme gilt. Steuern gelten als Diebstahl, staatliche Eingriffe als Hindernis für Wohlstand. Die Wurzeln dieser Philosophie reichen zu Denkern wie Adam Smith und Ökonomen wie Friedrich von Hayek und Milton Friedman zurück. Milei sieht sich in dieser Tradition. Für ihn ist der Staat der „größte Feind der Freiheit“. Doch der Libertarismus ist nicht homogen. Während Anhänger von Donald Trump wirtschaftsliberale Ansätze mit konservativen Werten verbinden, setzt Milei fast ausschließlich auf radikale wirtschaftliche Reformen. Kritiker werfen der Ideologie vor, soziale Ungleichheit und Marktversagen zu ignorieren.
Experiment Argentinien
Milei hat Argentinien in ein Experimentierfeld verwandelt. Er verfolgt die radikale Minimierung des Staates, Abschaffung staatlicher Institutionen und völlige Hingabe an die freie Marktwirtschaft. Die Kettensäge, mit der er im Wahlkampf bürokratische Strukturen symbolisch zerstörte, wurde zu seinem Markenzeichen. Seit seinem Amtsantritt im Dezember 2023 hat Milei Ministerien geschlossen, Staatsbedienstete entlassen und die Abschaffung der argentinischen Währung zugunsten des US-Dollars angekündigt. Diese Maßnahmen sollen Inflation und Korruption eindämmen.
Mileis Politik hat Argentinien in eine wirtschaftliche Disruption geführt. Tatsächlich gelang es ihm, die Inflationsrate zu senken, doch die sozialen Kosten seiner Politik sind hoch. Die Armutsquote stieg auf über 50 Prozent, die Wirtschaft steckt in einer tiefen Rezession. Dennoch zeigen Umfragen, dass mehr als die Hälfte der Argentinier ihn wieder wählen würden. Argentinien ist damit ein Testfall, ob extreme Formen des Libertarismus langfristig funktionieren oder das Land noch tiefer in die Krise führen.
Perspektive für Deutschland
Wie wäre diese Ideologie in Deutschland oder Europa umsetzbar? Deutschland mit seinem sozialen Sicherungssystem, starken Gewerkschaften und regulierten Märkten steht im Gegensatz zu den Prinzipien des Libertarismus. Befürworter einer Staatsverschlankung sehen Potenzial für mehr Effizienz, Kritiker hingegen warnen vor Risiken für die soziale Sicherheit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die exportorientierte deutsche Wirtschaft könnte durch radikale Deregulierung destabilisiert werden.
Mileis Reformen sind daher kaum auf europäische Verhältnisse übertragbar und dürften am deutschen Konsens für sozialen Ausgleich scheitern.
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