Wirtschaft unten, Börse oben
Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds (ISIN: LU0370217092) über den scheinbaren Widerspruch zwischen Rekordkursen beim DAX und schlechter Stimmung in der Wirtschaft.
Am Dienstag, den 03. September erreichte der Deutsche Aktienindex DAX ein Rekordhoch. Fast gleichzeitig verhießen Wirtschaftsforscher der deutschen Industrie eine düstere Zukunft. Von „Sturzflug“ ist da die Rede, vom „freien Fall“. Wie passt das zusammen?
Aktienmärkte müssen immer steigen
Zunächst einmal sind Allzeithochs an den Börsen nichts Besonderes. Im Gegenteil: Sie sind die Regel, nicht die Ausnahme. Durch reales Wachstum und Preiserhöhungen nehmen Umsätze und Gewinne im Unternehmenssektor über die Zeit kontinuierlich zu. Daten aus den USA belegen: Seit Januar 1926 erreichte der US-Aktienmarkt auf Monatsbasis betrachtet in rund 30 Prozent der Fälle ein neues Hoch. So muss das auch sein. Solange unser Wirtschaftssystem Bestand hat, müssen die Kurse eines breiten Aktienindex immer weiter steigen.
Aufsehenerregender ist für mich deshalb die Performance kleiner und mittlerer Werte in Deutschland. So müsste der MDAX spektakuläre 38 Prozent, der SDAX 27 Prozent steigen, um ein neues Rekordhoch zu erreichen. Dort zeigt sich das ganze Ausmaß des Pessimismus in den Kursen. Und hier liegen heute auch eindeutig die größeren Chancen
Die großen Chancen liegen außerhalb des DAX
Natürlich ist die wirtschaftliche Lage in vielen deutschen Industrieunternehmen schlecht. Wer aber mit Blick auf die nächsten Jahre investiert, tun gut daran, die ökonomische Situation jenseits effektheischender Schlagzeilen nüchtern zu hinterfragen. Besteht wirklich keine Hoffnung auf Besserung?
Vor allem zwei Punkte werden immer als Belastung aufgeführt. Erstens lähme Europa seine Wirtschaft durch überbordende Bürokratie. Das mag sein. Allerdings scheint mir das Thema Regulierung eher in Wellen zu verlaufen. Das Pendel war vor 2008 vor allem im Bankensektor in die entgegengesetzte Richtung ausgeschlagen – mit unangenehmen Folgen. Heute dagegen haben wir zu viel Regulierung. Mittelfristig werden wir wohl einen Mittelweg finden, bei dem wir uns auf das Setzen von Zielen konzentrieren, anstatt wie in der Vergangenheit starre Maßnahmen vorzuschreiben. Von heute aus gedacht wäre das dann eher ein Plus für die Unternehmen.
Lagereffekt sollte künftig stimulieren
Das zweite Problem: Viele deutsche Industriefirmen – vor allem in den Sektoren Autobau, Chemie, Maschinenbau – leiden unter einer Auftragsflaute. Dafür werden in der Regel die Probleme im wichtigsten Absatzmarkt China verantwortlich gemacht, der den Kater nach seinem massiven Bau- und Infrastrukturboom noch nicht überwunden hat.
In den Gesprächen mit den Unternehmern kristallisiert sich aber ein weiterer Aspekt heraus. Viele Kunden haben nach den Lieferkettenproblemen der Vergangenheit im Verlauf des Jahres 2022 enorme Lager aufgebaut und deshalb in den letzten sechs Quartalen viel weniger bestellt als üblich. Doch irgendwann sind die Lager leer. Und dann sollte sich auch die Stimmung in der Industrie wieder bessern.
Normalisiert sich die Auftragslage, sind besonders die europäischen Unternehmen gut für einen Aufschwung positioniert. Anders als in den USA wurden nach der Finanzkries 2008/2009 die Bilanzen saniert und die Verschuldung abgebaut. Jetzt sind die Firmen – was die Verschuldung angeht – wieder auf dem Niveau von 1990 angekommen. Sie sind in der Lage, künftig problemlos Erweiterungsinvestitionen durchzuführen, Aktien zurückzukaufen oder höhere Dividenden zu bezahlen. Alles Dinge, die gut für ihre Anteilseigner sind. Es braucht nur eine Initialzündung. Wo die herkommen könnte? Wie wäre es mit einer Entspannung in den aktuellen Krisenregionen der Welt, einer Trendwende zur Wachstumspolitik in Europa, einem Turn-Around in China oder einem KI-getriebener Innovationsboom?
Europäische Nebenwerte profitieren vom nächsten Aufschwung
Perspektivisch halten wir eine positive Entwicklung für deutlich wahrscheinlicher als ein weiteres Abgleiten der europäischen und vor allem der deutschen Wirtschaft in Krise und Stagnation. Deshalb haben wir uns in unserem Contrarian Value Euroland Fonds schon entsprechend positioniert.
Ein Beispiel ist die Salzgitter AG (ISIN: DE0006202005). Die Marktkapitalisierung des Unternehmens liegt derzeit mit knapp 900 Millionen Euro auf demselben Niveau wie vor 20 Jahren, obwohl der Umsatz sich seither verdreifacht hat. Allein die 29,9-prozentige Beteiligung am Kupferproduzenten Aurubis ist aktuell rund eine Milliarde wert. Würde diese an die Aktionäre ausgeschüttet, müsste der Kurs der Salzgitter-Aktie negativ werden. Das ist natürlich nur ein Gedankenspiel, zeigt aber, wieviel Skepsis Anleger derzeit der Firma entgegenbringen. Mit Stahl, so das Vorurteil, lasse sich einfach in Deutschland kein Geld verdienen. In der Vergangenheit stimmte das allerdings definitiv nicht. In den letzten 20 Jahren hat Salzgitter 3 Milliarden Euro an Gewinnrücklagen erwirtschaftet und insgesamt 620 Millionen Euro ausgeschüttet. Zukünftig könnte sich positiv auswirken, dass Salzgitter die Weichen für die Produktion von „Grünem Stahl“ in nennenswertem Umfang längst gestellt hat. Das ruft jedoch auch wieder Skeptiker auf den Plan, die zweifeln, ob die Firma das Investitionsvolumen von über 2 Milliarden Euro stemmen kann. Sie ignorieren dabei, dass die Firma für diese Transformation eine Milliarde an Zuschüssen erhält – quasi ein Geschenk an die Anteilseigner in Höhe des aktuellen Marktwertes. Für uns ist Salzgitter eine sehr gut geführte Stahlfirma mit solider Bilanz, guten Geschäftsaussichten sowie extrem niedriger Bewertung und passt perfekt in unser Investitionsmuster.
Wir ändern unsere Logik nicht
Bei unserem Contrarian Value Euroland Fonds (ISIN: LU0370217092) bleiben wir seit 25 Jahren unserer Anlagephilosophie treu. Wir investieren in unterbewertete Firmen mit Potenzial und nachvollziehbarem Geschäftsmodell. Dabei agieren wir wie ein Unternehmer, der die gesamte Firma kaufen möchte und schwimmen bewusst gegen die herrschende Marktmeinung.