Warum Mikrowohnen Stellschraube für stabile Erträge sein kann

Kerstin Struckmann, Global Head of Product Management Institutional Clients, Commerz Real
In jüngster Zeit fällt es vielen Stiftungen zunehmend schwer, die zur nachhaltigen Sicherung ihres Vermögens notwendigen Renditen zu erzielen. Der STIIX-Stiftungsindex 2025 dokumentiert diese Entwicklung: Zwar können die meisten Häuser ihren Stiftungszweck weiterhin erfüllen, doch einige stehen unter wachsendem Druck. Die Vermögensstruktur zeigt Anpassungen an die Marktbedingungen: Der Aktienanteil bleibt stabil, während Renten und liquide Mittel an Bedeutung gewinnen und Immobilien an Gewicht verlieren.
Auch die Stimmung spiegelt diese Zwänge wider. Die Zahl der Verantwortlichen, die laut Stiftungsindex „sehr zufrieden“ sind, nimmt ab, die Zahl der Unzufriedenen nimmt zu und das Spannungsverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit wächst. Viele Stiftungen stehen daher vor der Herausforderung, Strategien zu finden, die zwischen Kapitalerhalt und Zweckverwirklichung in einem Markt funktionieren, der längst keine einfachen Antworten mehr bietet. Für viele Häuser markiert 2025 einen Wendepunkt: Sie müssen neue Wege entwickeln, um ihre Ziele nachhaltig zu sichern, ohne dabei den Handlungsspielraum zu verlieren.
Das Dilemma der Diversifikation
Der Ruf nach Alternativen wird lauter. Infrastruktur, Private Equity oder erneuerbare Energien versprechen langfristige Erträge, aber sie verlangen etwas, das vielen Stiftungen fehlt: organisatorische und regulatorische Kapazität. Denn je illiquider das Investment, desto größer der Aufwand in den Bereichen Bewertung, Reporting und laufende Kontrolle. All das erfordert Fachwissen, Systeme und Zeit, die in vielen Stiftungen schlicht nicht ausreichend vorhanden sind. Was auf dem Papier nach „professioneller Diversifikation“ klingt, wird in der Praxis schnell zur Governance-Bürde. Ausgerechnet dort, wo Stabilität gesucht wird, steigt das operationelle Risiko durch Intransparenz, Bewertungsfragen oder unklare Haftungsketten. Viele Stiftungen erleben das inzwischen hautnah: Das Anlagemanagement wächst schneller in der Komplexität als in der Rendite. Gerade kleinere und mittlere Häuser bewegen sich damit in einem gefährlichen Spannungsfeld. Die eigentliche Herausforderung liegt darin, eine Mitte zu finden, die beides beherrschbar macht – Ertrag und Steuerbarkeit.

Mikrowohnen als realwirtschaftlicher Stabilitätsanker
Angesichts der sinkenden Immobilienquote in vielen Stiftungsportfolios stellt sich die Frage, wie Häuser weiterhin von stabilen, realwirtschaftlich verankerten Investments profitieren können. An dieser Stelle tritt eine Assetklasse in den Fokus, die lange unterschätzt wurde: Mikrowohnen. Das Segment hat sich in den letzten Jahren zu einem professionell gemanagten Teilmarkt innerhalb der Wohnimmobilien entwickelt – mit klaren Strukturen, soliden Cashflows und einem planbaren Risikoprofil. Laut Initiative Micro-Living Report Frühjahr 2025 liegt die durchschnittliche Auslastung bei 95,6 Prozent, selbst in C- und D-Städten deutlich über 90 Prozent. Die All-in-Mieten sind im Schnitt auf 599 Euro pro Monat gestiegen, in Neubauten auf 660 Euro – wie aus der Grafik ersichtlich – während die Bewirtschaftungskosten bei planbaren 7,72 Euro pro Quadratmeter liegen.
Damit ist Mikrowohnen ein robustes und belastbares Investment. Die Nachfrage bleibt speziell in Hochschulstädten, Ballungsräumen und Zentren mit einer wachsenden Zahl junger Berufstätiger hoch. Die höhere Fluktuation ist einkalkuliert: Sie erfordert einen guten Betreiber und ein durchdachtes Vermietungskonzept, bietet aber zugleich die Möglichkeit, Mietverträge regelmäßig anzupassen und so Inflationsschutz zu realisieren. Die Vermietung ist weitgehend automatisiert, die Bewirtschaftung professionell ausgelagert. Für Stiftungen – wie auch für Family Offices, Versorgungswerke und andere institutionelle Anleger – bedeutet das: ein klar umrissener Realwert, stabile Einnahmen und geringe operative Last. Das Investment ist greifbar, nachvollziehbar und lässt sich – eingebettet in Fondsstrukturen mit etabliertem Reporting und Risikomanagement – auch bei begrenzten internen Ressourcen verantwortungsvoll steuern. Während viele alternative Anlagen Governance-Kapazitäten binden, fügt sich Mikrowohnen nahtlos in bestehende Prozesse ein.
Planbarkeit ist die neue Rendite
2025 ist kein Jahr für Renditefantasien, sondern für Realismus. Die Märkte bleiben nervös, die Zinsen haben ihr Plateau erreicht, und am Immobilienmarkt zeichnet sich eine neue Bewertungsnormalität ab. Viele Objekte sind preislich korrigiert – und genau darin liegt die Chance: Der Zyklus dreht. Langfristig denkende Anleger haben damit die Möglichkeit, von einem Zeitfenster zu profitieren, in dem Erträge wieder auf realwirtschaftlicher Basis kalkulierbar sind. In diesem Umfeld gewinnt eine Tugend neue Bedeutung: Planbarkeit. Mikrowohnen bietet genau das: einen Cashflow, der nicht von geopolitischen Schocks oder Technologietrends abhängt, sondern vom anhaltenden Bedarf an gut organisiertem Wohnraum in urbanen Lagen.
Obwohl Mikrowohnen nach wie vor ein Nischenprodukt ist, stellt es einen pragmatischen Stabilitätsbaustein für funktionierende Portfolios dar – selbst in einem Marktumfeld, das derzeit durch Unsicherheit und hohe Bewertungsrisiken gekennzeichnet ist. Dass viele dieser Fonds von erfahrenen Managern mit klaren Governance-Strukturen geführt werden, ist dabei Teil des Konzepts. Wo Liquiditätsmanagement, Transparenz und Berichtswesen institutionell verankert sind, können Stiftungen investieren, ohne ihre Organisation zu überfordern – und dabei trotzdem von einem sich öffnenden Zyklus profitieren.
Vom Risiko zur Routine
Erfolg in der Stiftungsanlage entsteht nicht durch immer neue Assetklassen, sondern durch Strukturen, die stabil und belastbar bleiben. Mikrowohnen überzeugt genau deshalb: Es bewegt sich zwischen Renditechance und Realwertabsicherung ohne die institutionelle Balance zu gefährden. Viele Stiftungen haben ihre Lektion gelernt: Zu viel Liquidität kostet Zukunft, zu viel Illiquidität kostet Flexibilität. Die nächste Lektion steht jetzt an: Immobilien als Stabilitätsanker wieder ernst zu nehmen und das rechtzeitig. Wer zu lange auf die Trendwende wartet, verpasst sie. Denn die Phase der Vernunft hat bereits begonnen. Mikrowohnen ist in diesem Umfeld kein Modeprodukt, sondern ein Prüfstein für strategisches Denken.
