„Ich glaube, Individualität wird Trumpf bleiben“

Die Berliner HONORIS Treuhand GmbH gehört in der Hauptstadt zu den ersten Adressen für Stiftungen, die eine individuelle und wenn erwünscht auch nachhaltige Verwaltung ihres Vermögens suchen. Wir sprachen mit den beiden Geschäftsführern von HONORIS, Thomas Abel (Bild links) und Jens Ammon, über Herausforderungen der Stiftungsvermögensverwaltung, über deren Besonderheiten und über aktuelle Entwicklungstendenzen.

Private Banker: Gibt es Unterschiede zwischen Stiftungskunden und anderen Kunden? 

Jens Ammon: Ja, die gibt es. Zum einen aufgrund der Regulatorik – bei Stiftungen müssen wir immer auch die Stiftungsaufsicht im Blick behalten, und die kann je nach Bundesland unterschiedlich sein. Zum anderen treffen bei Stiftungen meist Vorstände, Angestellte oder Ehrenamtliche die Entscheidungen, und die müssen mehr Vorsicht walten lassen als Privatkunden, die über ihr eigenes Geld verfügen. Denn wenn etwas schief geht, besteht für Stiftungs-Gremien immer auch das Risiko, persönlich zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Thomas Abel: Ergänzend möchte ich noch hinzufügen: Stiftungen müssen oftmals – anders als Privatkunden – vorab definierte Anlagerichtlinien beachten. Für die Stiftungsvermögensverwaltung bedeutet das, dass bestimmte Anlagen von vornherein ausgeschlossen oder risikomäßig begrenzt sind – da ist dann der Stiftungsvorstand in seinen Entscheidungen auch deutlich weniger flexibel als ein Privatanleger.

Ein Teil der Stiftungen verwaltet das Vermögen selbst, andere delegieren an Vermögensverwalter. Wie ist da die Arbeitsteilung? Gibt es auch Mischformen?

Jens Ammon: Nach unserer Erfahrung gibt es eine klare Trennung: Entweder verwaltet eine Stiftung ihr Vermögen komplett selbst oder sie überträgt diese Aufgabe – mit Ausnahme etwa von Liquidität, Festgeldern oder eigenen Immobilien – an externe Vermögensverwalter. In einigen Fällen unterstützen wir selbstverwaltende Stiftungen bei der Erstellung von Anlagerichtlinien, die Umsetzung erfolgt dann jedoch eigenständig. Typischerweise sind dies kleinere Stiftungen oder solche, deren Vorstände selbst einen Finanzhintergrund haben.

Thomas Abel: Zu beachten sind in diesem Zusammenhang auch Risikoaspekte. Für einen Vorstand einer Stiftung, die er nicht selbst gegründet hat, ist eine Externalisierung der Wertpapieranlage auch deshalb sinnvoll, weil er damit Haftungsrisiken auslagern kann. Die trägt dann der Vermögensverwalter, der für die Einhaltung der Risikogrenzen verantwortlich ist.

Wie intensiv ist eigentlich die Kommunikation zwischen Ihnen als Vermögensverwalter und den Stiftungen?

Jens Ammon: Das ist sehr unterschiedlich. Bei langjährigen Mandaten mit gewachsenem Vertrauen reicht oft ein jährliches Treffen. Bei größeren oder staatlich beaufsichtigten Stiftungen ist der Austausch intensiver. Wir begleiten beispielsweise eine Bundesstiftung, da sind umfangreiche Abstimmungen, regelmäßige Reportings und detaillierte Berechnungen der Zinserträge erforderlich. Zwei Ministerien, die über Fördermittel entscheiden, prüfen das alles genau. Wenn die Stiftung in einem Jahr zu viel Mittel erwirtschaftet, sind gegebenenfalls Zuschüsse des Bundes wieder zurückzahlen. Das Mandat wird zudem alle vier Jahre neu ausgeschrieben. Das ist definitiv ein hoher Aufwand.

Kommen wir zu stiftungsspezifischen Qualifikationen. Gibt es hierfür Lehrgänge und Zertifikate?

Thomas Abel: Ja, es gibt anerkannte Zusatzqualifikationen. Ich möchte die zwei wichtigsten in Deutschland anführen. Die Deutsche Stiftungsakademie (DSA) bietet – unter anderem hier in Berlin auf Schwanenwerder – Lehrgänge für Stiftungsmanagement und Stiftungsberatung an. Ich selbst habe den Kurs zum Stiftungsberater absolviert. Da geht es um die Vermittlung von Grund- und Fachwissen für Gremienmitglieder und Mitarbeiter von Stiftungen.    

Daneben gibt es im Bankenbereich die Frankfurt School of Finance & Management – bei der Herr Ammon und ich jahrelang als Dozenten tätig waren – und die bietet ähnliche Lehrgänge wie die DSA an.

Welche Stiftungskompetenz ist denn eigentlich für Vermögensverwalter erforderlich?

Thomas Abel: Für die reine Stiftungs-Vermögensverwaltung benötigen wir keine zusätzliche Qualifikation. Sofern man jedoch wie wir umfassender mit Stiftungen zusammenarbeitet, sind Kenntnisse in Stiftungsrecht und über die Strukturen von Stiftungen sehr von Vorteil – gerade, wenn Stiftungsgründungen begleitet werden sollen oder umfassende Beratungen gewünscht sind. Eine rechtliche oder steuerliche Beratung übernehmen aber weiterhin spezialisierte Juristen, Notare oder Steuerberater, mit denen wir auch kooperieren.

Jens Ammon: Unsere Erfahrung zeigt, dass fundiertes Wissen über die Anforderungen von Stiftungen – etwa Reportingpflichten gegenüber Behörden – zu einer deutlichen Qualitätsverbesserung in der Zusammenarbeit mit Stiftungen führt. Deshalb hat mein Geschäftspartner Thomas Abel die Zusatzqualifikation erworben, um auch formell zu dokumentieren, dass dieses Wissen bei uns im Haus vorhanden ist und wir unsere Stiftungskunden auf Augenhöhe begleiten können. Ich bringe in diesem Bereich hingegen meine langjährigen Erfahrungen aus der Praxis und der Zusammenarbeit mit Stiftungen ein.

Der Stiftungsbereich gilt als nachhaltigkeitsaffin. Wie erfolgt die ESG-Integration in Ihrem Haus?

Jens Ammon: Ähnlich wie Privatkunden müssen wir Stiftungen im Beratungsprozess fragen, ob diese eine nachhaltige Geldanlage wünschen. Bejahen sie dies, dann setzten wir das – im Gegensatz zu vielen anderen Vermögensverwaltungen – auch um. Sofern Stiftungen ihre ESG-Präferenzen nicht selbst definieren, greifen wir auf die Vorgaben des Gesetzgebers zurück – die sich allerdings häufig nicht mit den individuellen Nachhaltigkeitsvorstellungen unserer Kunden decken.

Einfacher bei der Definition, aber teilweise schwieriger bei der Umsetzung ist, wenn Stiftungen eigene ESG-Kriterien formulieren, etwa wenn ihre Anlagerichtlinien Ausschlüsse von Unternehmen vorsehen, die Umsätze aus der Erschließung oder dem Verkauf von fossilen Energieträgern generieren. Das können wir dann umsetzen und sind sehr flexibel in der gemeinsamen Gestaltung. Solche individuellen Vorgaben können wir gut erfüllen.

Wie gehen Sie bei der ESG-Integration praktisch vor?

Thomas Abel: Bei standardisierten Vorgaben arbeiten wir mit Scoring-Modellen in Kooperation mit unserem Verband Unabhängiger Vermögensverwalter (VUV). Der VUV hat ein Vertragsrahmenwerk entwickelt, das uns ermöglicht, ein Basisportfolio Nachhaltigkeit anzubieten. Es erfüllt die gesetzlichen Mindestanforderungen, repräsentiert jedoch nicht die höchste ESG-Stufe. Die Kriterien lassen sich über unser Portfolio-Management-System abbilden. Titel werden nur dann ins Portfolio aufgenommen, wenn sie ein bestimmtes Mindest-Scoring bei Umwelt, Sozialem und Governance erreichen. Bei unserem Basisportfolio „Nachhaltigkeit“ müssen einzelne Werte ein ESG-Scoring von mindestens 30 und Portfolios von mindestens 50 haben bei einer Skala von 0 bis 100. Die Datengrundlage und KI-basierte ESG-Bewertung liefert Clarity AI innerhalb unserer Portfolio-Management-Software von Infront.

Verwenden Sie für ihre Stiftungs-Anlagestrategien spezielle Modelle?

Jens Ammon: Nein – oder positiv formuliert: wir sind hier nicht standardisiert. Wir möchten den individuellen Vorgaben der Stiftungen gerecht werden. Aufgrund unserer Größe und weil wir keine zentrale Portfolioverwaltung haben, können wir uns den Luxus leisten, Mandate individuell zu betreuen. Das erlaubt uns, glaubwürdig zu vermitteln, dass wir die Vorgaben und Vorstellungen der Stiftungsvorstände auch tatsächlich umsetzen.

Thomas Abel: Zudem verzichten wir auf eigene Fonds. Andere Vermögensverwalter bündeln Vermögen in eigenen Fonds, was buchhalterisch für Stiftungen einfacher ist. Wir haben uns jedoch von Anfang an gegen eigene Fondslösungen entschieden und setzen gegebenenfalls auf externe Fonds.

Hat sich die Asset Allocation bei Stiftungskunden in den letzten 10 oder 15 Jahren verändert?

Thomas Abel: In der Niedrigzinsphase standen Stiftungen unter Druck, laufende Erträge zu sichern. Da Bundesanleihen teilweise negative Renditen brachten, musste man Alternativen wie Unternehmensanleihen oder andere Anlagen mit höherem Risiko wählen. Heute sieht es besser aus: Anleihen mit 3 bis 4 Prozent Kupon sind wieder verfügbar. Ältere Anleihen mit niedrigem Kupon bleiben allerdings eine Herausforderung, wenn man die Realisierung von Kursverlusten vermeiden möchte.

Jens Ammon: Wir setzten in der Niedrigzinsphase zudem auf alternative Anlagen wie Mikrofinanzfonds oder Cat Bonds, die trotz Schwankungen ordentliche Erträge lieferten. Zeitweise hatten wir auch offene Immobilienfonds im Portfolio, weil sie Ausschüttungen bei begrenztem Risiko ermöglichten. Nach Beginn des Ukrainekriegs haben wir aber alle Immobilienfonds-Anteile verkauft, um die sich andeutenden Marktrisiken zu minimieren.

Wie bewerten Sie eigentlich alternative Anlagen – auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeitswirkung?

Thomas Abel: Investitionen in Projekte wie z.B. Aufforstungen von Wäldern in Mittel- und Südamerika bieten oft mehr nachhaltigen Impact als klassische Fonds oder Aktien. Allerdings sind solche Investments meist nicht liquide, sie erfordern Vertrauen in das Management und es bestehen sicherlich auch höhere Risiken. Für eine Stiftung kann es daher sinnvoller sein, ihre Impacts nicht indirekt über die Geldanlage, sondern direkt über die Stiftungstätigkeit zu erzielen, denn über diese hat sie volle Kontrolle. Aufgrund der Erfahrungen in den letzten Jahren, raten wir aber grundsätzlich von außerbörslichen Anlagen ab!

Jens Ammon: Mikrofinanz- und Cat Bond Fonds sind für uns weiterhin interessant, auch weil sie neben einem ESG-Impact einen guten Beitrag zur Diversifikation leisten. Ein Vorteil für uns ist, dass die ganz großen Häuser diese Art von Anlagen teilweise nicht beimischen können, da die von ihnen bewegten Volumina im Rahmen von großen Stiftungsfonds oder Stiftungsmandaten vom Markt gar nicht aufgenommen werden könnten bzw. zu starken Marktveränderungen führen würden.

Ist die Hinwendung der Stiftungen im letzten Jahrzehnt zu riskanteren Anlagen wie etwa Aktien oder alternativen Anlagen irreversibel?

Jens Ammon: Irreversibel ist in diesem Bereich natürlich nichts. Der Trend geht aber  klar dahin, wieder klassische Anleihen oder Rentenfonds aufzunehmen. Wenn sichere Erträge über der Zielausschüttung liegen, etwa 3,5 Prozent nach Kosten bei einem Ziel von 3 Prozent, greifen wir weiterhin lieber zu schwankungsarmen Instrumenten als zu risikoreicheren Strategien.

Besteht auch im Stiftungsbereich ein Zielkonflikt zwischen kurzfristigen kräftigen Marktschwankungen und langfristiger Perspektive?

Jens Ammon: Grundsätzlich sind Stiftungsgelder auf unbefristete Dauer angelegt, also sehr langfristig. Kurzfristige Marktschwankungen sind daher weniger kritisch. Dennoch möchten wir vermeiden, dass Stiftungen am Jahresende hohe Buchverluste ausweisen müssen, die zu Problemen mit der Stiftungsaufsicht führen könnten. Unsere Anlagestrategien sind daher in der Tendenz konservativ ausgerichtet, um die Volatilität zu begrenzen. Im Fokus stehen eher Fragen wie: Welche laufenden Erträge werden benötigt? Sollen die Erträge direkt ausgeschüttet werden oder in thesaurierende Fonds angelegt werden, um zusätzliche Reserven aufzubauen.

Haben Sie bei den Ausschüttungen für den Stiftungszweck explizite Zielvorgaben, möglicherweise sogar Formeln?

Jens Ammon: Nein. Wir versuchen Formeln aus den Anlagerichtlinien grundsätzlich wieder herauszudiskutieren, weil der Stiftungsvorstand dadurch angreifbar wird. 

Von regulatorischer Seite gibt es auch keine vorgeschriebene Ertragsquote, die eine Stiftung erwirtschaften muss. Eine Stiftung wird auch nicht automatisch sanktioniert, wenn sie nur niedrige Erträge erzielt. Aber wenn sie über Jahre hinweg keine Erträge erzielt und damit auch nicht dem Stiftungszweck nachkommen kann, werden die Aufsichtsbehörden schon mal kritisch nachfragen.

Reguliert ist hingegen, wie Erträge zu verwenden sind: Ein Teil kann als Rücklage für künftige Unwägbarkeiten dienen, der Rest muss zeitnah dem Stiftungszweck zugeführt werden, wobei der Zeitrahmen hierfür gleichfalls vorgegeben ist.

Was sind derzeit für die Stiftungsvermögensanlage die größten Herausforderungen an den Kapitalmärkten – Stichwort Zölle?

Jens Ammon: Vor allem die Unsicherheit an den Märkten. Es heißt zwar in jeder Krise „so schwierig wie heute war es noch nie.“ Das haben wir beim Ukrainekrieg, während Corona und in der Finanzkrise gesehen –, aber letztlich setzten sich die bekannten Marktmechanismen immer wieder durch. Wir gehen davon aus, dass das auch jetzt wieder der Fall sein wird. Dennoch dürfte in diesem Jahr, wie gesagt, die, politisch erzeugte, wirtschaftliche Unsicherheit das große Thema bleiben. Eine weitere aktuell debattierte Frage lautet: Sind Unternehmen aus der Verteidigungs-Industrie nicht auch je nach Betrachtungsweise nachhaltig? Und ist das im Kontext des Umbaus der Wirtschaft in den nächsten Jahren stärker in den Portfolios der Kunden zu berücksichtigen? 

Thomas Abel: Hinzu kommt, auch wenn das Ihre Frage nur mittelbar betrifft, die Reform des Stiftungsrechts. Da gab es eine Reihe von Vereinfachungen, die beispielsweise Stiftungsgründungen erleichtern sollen. Allerdings bleibt das Stiftungsrecht in Deutschland weiterhin noch Ländersache, was für eine gewisse Uneinheitlichkeit sorgt.

Letzte Frage: Welche Rolle spielt die unabhängige Vermögensverwaltung für Stiftungen in zehn Jahren? Werden mehr Stiftungen ihre Gelder selbst verwalten?

Jens Ammon: Ich glaube, Individualität wird Trumpf bleiben. Die wird sogar noch an Bedeutung gewinnen, gerade wenn es darum geht, klare Anlage- und Nachhaltigkeitsrichtlinien zu formulieren.

Ein weiterer Punkt ist, dass sich Banken zunehmend aus dem Stiftungssegment zurückziehen. Das gilt sicher nicht für die Häuser, mit denen die ganz großen Stiftungen kooperieren. Aber in der Breite bauen Banken Kapazitäten ab, und das eröffnet den unabhängigen Vermögensverwaltern in diesem Kundesegment Chancen.

In puncto Selbstverwaltung der Vermögen glaube ich allerdings nicht, dass dies zunehmen wird.

Thomas Abel: Das sehe ich genauso. Die Verantwortung und Haftung bleibt immer beim Stiftungsvorstand – das hemmt eine echte Selbstverwaltung in der Breite. Nur große Stiftungen mit eigenem Finanzvorstand können ein eigenes Portfolio-Management aufbauen. Kleinere und mittlere Stiftungen werden weiterhin auf spezialisierte Vermögensverwalter oder Stiftungsfonds setzen.

Herr Abel, Herr Ammon, wir danken Ihnen für das Gespräch