Hilfreiches Teufelszeug

Von Claus Walter, Geschäftsführer der Freiburger Vermögensmanagement GmbH in Freiburg

Discount, Bonus, Hebel – die Spielarten von Finanzzertifikaten sind vielfältig. Für den durchschnittlichen Anleger sind diese Investmentvehikel eher nicht geeignet. Unter bestimmten Bedingungen können sie dennoch helfen, Marktschwankungen zu dämpfen.

Eine wichtige Grundregel für Anleger lautet: Investiere nur in Sachen, die du wirklich verstehst. Anfang des Jahres machte ein Fall Schlagzeilen, der einem die Bedeutung dieser Regel mal wieder vor Augen führte. Einer über 90-jährigen Rentnerin wurde in der Nullzinsphase vor zwei Jahren von ihrer Hausbank ein Zertifikat empfohlen. Das strukturierte Wertpapier versprach garantierte 2,3 Prozent Zinsen bei sehr geringem Risiko. Am Ende würden auf jeden Fall 100 Prozent des eingezahlten Geldes ausgezahlt. Trotzdem verkaufte die betagte Dame vor ein paar Monaten das Zertifikat mit rund 50 Prozent Verlust.

Was ihr wahrscheinlich nicht bewusst war: Die Zinsgarantie galt nur für die ersten zwei Jahre. Danach war der mögliche Ertrag gegenläufig an die Entwicklung des Euribor gekoppelt. Im Prinzip war das eine Wette darauf, dass die Zinsen noch lange niedrig bleiben würden. Das ging daneben. Die jährlichen Zahlungen des Zertifikats sanken auf null. Nicht gut, aber kein Drama, denn die Auszahlung des investierten Geldes war ja garantiert. Aber die 90-Jährige hatte wohl noch etwas übersehen: Die Laufzeit des Zertifikats betrug 20 Jahre. Statistisch betrachtet wird sie die Auszahlung ziemlich wahrscheinlich nicht mehr erleben. Um doch noch etwas von ihrem Ersparten zu haben, verkaufte sie am Ende lieber mit Verlust.

Vorsicht bei strukturierten Wertpapieren

Wird so etwas Privatanlegern angeboten, sollten diese tatsächlich ein Bogen darum machen. Das fängt schon bei einem grundsätzlichen Problem an: Bei Zertifikaten gibt es ein Emittentenrisiko. Geht die herausgebende Bank pleite, ist in der Regel das angelegte Geld weg. Bei einem Investmentfonds gehören die Aktien als Sondervermögen selbst bei einer Anbieterpleite weiter dem Anleger. Zusätzlich sind die Emittenten bei der Konstruktion der strukturierten Produkte relativ frei. Es gibt Varianten mit Bonus, Discount, Sprint, Hebel, Reverse, Turbo, Knock-Out und vieles mehr. Jede dieser Varianten kann in einer bestimmten Situation unter bestimmten Voraussetzungen durchaus Vorteile bringen. Kaufen sollte man so etwas nur, wenn wirklich die Feinheiten im Produktprospekt verstanden wurden. Selbst dann kann bei unerwarteten Marktreaktionen aus einer Zertifikatechance schnell ein dickes Minus werden bis zum Totalschaden. Kurz gesagt: Wer langfristig Vermögen aufbauen will, braucht keine Zertifikate.

Bewusster Einsatz als Versicherung

Strukturierte Wertpapiere sind nicht generell verwerflich. Sie können zum Beispiel genutzt werden, um Investments in schwer zugänglichen Märkten zu ermöglichen. In Seitwärtsphasen ermöglichen sie Rendite zu erzielen, wenn die Kurse an der Börse gar nicht vom Fleck kommen. Wir verzichten aber bewusst darauf. In speziellen Situationen kaufen wir lediglich Optionen als eine Art Versicherung gegen Kursschwankungen in unseren Fonds. Zum Beispiel haben wir, kurz bevor in 2020 die Kurse im Zuge der Coronapandemie um 35 Prozent abstürzten, die vorher gute Börsenperformance über Optionen teilweise abgesichert. Das hat unter dem Strich die Quote der durch Schwankungen am Aktienmarkt direkt betroffenen Werte in unserer ausgewogenen Strategie auf durchschnittlich 25 Prozent reduziert. Den Kunden blieben so zehn Prozentpunkte Kursschwankungen im Vergleich zum Markt erspart.

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