Eine zweite Welle baut sich auf

Von Gottfried Urban, Geschäftsführer der Urban & Kollegen GmbH Vermögensmanagement in Altötting

Die EZB lag schon mit ihren Inflationserwartungen für 2022 ziemlich daneben. Auch jetzt könnten die Projektionen wieder zu optimistisch sein. Wenn es vergleichbare Entwicklungen wie in den USA in den 1940er- und 1970er-Jahren gibt, müssen wir eine zweite Inflationswelle erwarten – mit Jahresraten von über vier Prozent.

Die Inflationsrate ist im Euroraum zuletzt auf 2,4 Prozent gefallen. Damit liegt sie immer noch über der Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2,0 Prozent. Nach er jüngsten EZB-Projektion wird diese Marke erst im zweiten Halbjahr 2025 erreicht werden. Trotzdem hat die Zentralbank bereits die Zinspolitik gelockert. Das könnte verfrüht gewesen sein. Denn der Preisdruck nimmt wieder zu. Dafür gibt es vier Gründe:

Im Moment steigen die Lohnkosten schneller als die Produktivität und damit schneller als die Wirtschaft nominal wächst. Gleichzeitig schrumpft die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Arbeitskräfte bleiben also knapp, während die Forderungen nach mehr Lohn anhalten, um die gestiegene Inflation auszugleichen. Es droht eine Lohn-Preisspirale.

Preistreiber Nummer 2 ist die De-Globalisierung. Handelshemmnisse, Zölle, steigende Transportkosten und die Diversifizierung der Lieferketten verteuern Importe und die Produktion.

Dritter Grund ist die Dekarbonisierung der Welt, etwa durch die Bepreisung des CO2-Ausstoßes. Die Aufschläge erhöhen direkt die Energiekosten. Der ökologische Umbau der Produktion kann nicht gelingen, ohne die Konsumenten an den Kosten zu beteiligen.

Zuletzt brauchen die EU-Staaten und die USA immer mehr Geld. Bereits hoch verschuldete Staaten müssen jedoch am Kapitalmarkt höhere Zinsen bezahlen, sofern die Notenbanken nicht wieder Staatsanleihen aufkaufen.

Zinskurven bleiben invers

Die Inflation könnte sich also nicht wie gewünscht bei zwei, sondern bei drei Prozent einpendeln. Da die Zentralbanken die Inflation kontrollieren wollen, halten sie an hohen Zinsen wahrscheinlich noch länger fest oder gehen bei Zinssenkungen noch zögerlicher vor. Die Folge: Die Zinskurven bleiben invers. Das bedeutet, dass Anleihen mit kurzen Laufzeiten höher rentieren als die Langläufer.

Aktuell liegt der Zins für zehnjährige europäische Staatsanleihen um etwa einen Prozentpunkt unter denen mit einjährigem Zins. Diese Langfristanleihen werden eher durch die Erwartungen an die zukünftige Inflation beeinflusst. Schon auf die jüngste Zinssenkung der EZB haben sie nicht mehr reagiert.

Für Anleger bedeutet das, dass Euro-Staatsanleihen ab einer Laufzeit von vier Jahren im Verhältnis zu ihrem Laufzeitrisiko nicht attraktiv verzinst sind. Wir bevorzugen Zins-Kurzläufer und variabel verzinste Anleihen, die laufend den Zins anpassen (Floater). Euro-Unternehmensanleihen, insbesondere solche mit Investment-Grade-Rating (also guter Bonität), werfen nicht nur eine positive Laufzeitprämie ab, sondern sind aufgrund ihrer konstanten Zinsaufschläge attraktiv. Sie sind ein gutes Instrument, um hohe Kurzfristzinsen zu kassieren. Gleichzeitig vermeidet man eine längere Festlegung bei unsicherem Zinsumfeld.

Aus Risikogesichtspunkten sollten Anleger in Fonds investieren, die auf eine genügende Streuung und die Bonität der Emittenten achten. Weil das Inflationsproblem länger bleiben wird, wird es wohl bei den langen Anleihelaufzeiten keine große Kursfantasien mehr geben.

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