Effektive Auszahlungsquoten

Stiftungen können unterschiedliche Regeln für ihre Auszahlungs-Quoten festlegen. Von diesen organisations-„politischen“ Quoten können die realen Auszahlungs-Quoten abweichen. Eine Studie wirft Licht auf die Bestimmungsgrößen der Ist-Quoten bei US-Stiftungen.

Auszahlungsregeln bei Stiftungen

Die Auszahlungspolitik gemeinnütziger Stiftungen wird von Stiftungsverantwortlichen festgelegt, aber innerhalb eines gesetzlichen Rahmens. In den USA erfolgt dies durch den „Uniform Prudent Management of Institutional Funds Act“ (UPMIFA), der neben dem Stifterwillen und den Stiftungszielen eine Reihe von ökonomischen Kriterien anführt, die bei der Festlegung der Ausschüttungsquote zu beachten sind.

Wir haben in einem RenditeWerk-Artikel vor einiger Zeit (Das Hoch und Nieder des Stiftungskapitals) bereits eine Systematik von Ausgabenregeln vorgestellt, die vor allem US-Universitätsstiftungen anwenden.

Eine alternative Klassifizierung schlugen Sedlacek und Jarvis vor  („Endowment Spending: Building a Stronger Policy Framework“).

Demnach lassen sich vier Haupttypen von Auszahlungsregeln unterscheiden: a) einfache Regeln, b) inflationsbasierte Regeln, c) Glättungsregeln und d) hybride Regeln.

Einfache Regeln: Stiftungen definieren einen Prozentsatz für Auszahlung nur in Bezug auf laufende Erträge (Zinsen, Dividenden) oder einen fixen Prozentsatz des Anfangsmarktwerts.

Inflationsbasierte Regeln: Die Auszahlungen steigen jährlich mit der Inflation und können innerhalb eines bestimmten Rahmens begrenzt sein (z. B. 3–6 % des Stiftungswerts).

Glättungsregeln: Es wird ein fester Prozentsatz des gleitenden Durchschnitts der Marktwerte der letzten – meist 3 – Jahre ausgeschüttet, womit die Volatilität reduziert wird.

Hybride Regeln: Kombination aus gleitendem Durchschnitt und inflationsbasierter Anpassung (z. B. Yale-/Stanford-Methode).

Soll vs. Ist der Auszahlungsquoten

Die vorab festgelegten Auszahlungsquoten sind Sollgrößen. Die wirkliche Ausschüttungsrate kann davon abweichen und diese Abweichung kann zeitlich variieren. In der Regel befasst sich die Forschung zu Auszahlungsquoten auch in den USA mit den Soll-Quoten. In einer Studie, die wir im Folgenden vorstellen, hat Heng Qu von der Texas A&M University die tatsächlich realisierten Ausschüttungsquoten im Hinblick auf Bestimmungsgründe jenseits der Determinanten der Richtlinienquote erstmals eingehender analysiert. Heng Qu untersucht Stiftungen gemeinnütziger Organisationen in den USA (public charity), denen die Auszahlungen dieser Stiftungen zufließen. Er analysiert dabei drei mögliche Erklärungsfaktoren für die effektive Rate und damit indirekt für Abweichungen von den Soll-Vorgaben: a) die Jahresrendite des Stiftungsportfolios; b) das Wachstum stiftungsunabhängiger Betriebseinkommen einer gemeinnützigen Organisation, die eine Stiftung eingerichtet hat (also z.B. eine Universität, ein Museum usw.); c) Zuwendungen an Stiftungen.

Modelle der Stiftungsfunktionen

Zunächst stellt Qu für die Hypothesenbildung vier in der US-Stiftungsforschung offenbar gängige Modelle zu eher latenten Stiftungsfunktionen bzw. -zielen im „public charity“-Bereich vor, die eine Abweichung der Ist-Quoten von den Soll-Quoten erklären könnten: a) ein Modell der Leistungsnachhaltigkeit, b) ein Puffermodell, c) ein Prinzipal-Agent-Modell und d) ein Akkumulationsmodell.

Modell der Leistungsnachhaltigkeit

Dieses Modell sieht die Funktion einer Stiftung in der intergenerationellen bzw. langfristigen Sicherung eines gegebenen Leistungs-Niveaus einer Stiftungstätigkeit. Die Auszahlungsquote ist bei diesem Modell allein von den aktuellen Renditen des Stiftungsvermögens abhängig – nicht vom stiftungsunabhängigen Betriebseinkommen oder von Zuwendungen.

Puffer-Modell

Das Puffer-Modell sieht die eigentliche Aufgabe einer Stiftung darin, die „Mutter“-Organisation bei unerwartet starken Einnahmeausfällen zu unterstützen. Das impliziert in guten Zeiten eine defensivere Auszahlungspolitik zur Rücklagenbildung, in schlechten Zeiten eine offensive Vorgehensweise. Die Auszahlungsrate reagiert auf Einbrüche des stiftungsunabhängigen Betriebseinkommens, aber nicht auf Stiftungserträge.

Prinzipal-Agent-Modell

Das (Prinzipal-)Agent-Problem besteht darin, dass Stiftungsmanager vom Verwaltungsauftrag abweichende Eigeninteressen verfolgen können, denen die Stiftung dann partiell zu „dienen“ hat. Studien zeigen etwa, dass in Staaten mit schwächerer Aufsicht ein höherer Anteil von Spenden in Stiftungs-Managergehälter fließt als in Staaten mit stärkerer Aufsicht. In diesem Modell liegt die tatsächliche Auszahlungsrate einer Stiftung tendenziell unter der vorgegebenen Rate.

Akkumulations-Modell

Ein viertes Modell besagt, dass ein großes und wachsendes Stiftungsvermögens bereits ein Ziel an sich sei, weil die Kapitalausstattung als „Prestigesymbol“ und Erfolgs-Maßstab betrachtet werde. Die Auszahlungsrate geht hier nach negativen Stiftungsschocks zurück, sie bleibt aber nach positiven Stiftungsschocks oder Änderungen des stiftungsunabhängigen Betriebseinkommens einer Organisation unverändert.

Ergebnisse der Studie – deskriptiv

Qu unterscheidet unter den Organisationen, die eine Stiftung für die eigenen Zwecke errichtet haben, vier „Branchen“: Museen, Krankenhäuser, Universitäten und K-12-Schulen (allgemeinbildende Schulen, die nach 12 Jahren zum Highschool-Abschluss führen).

Er führt mit dem Datenmaterial zu 297 Museen, 787 Universitäten, 366 Hospitälern und 620 K-12-Schulen zunächst eine deskriptive Analyse für den Zeitraum zwischen 2009 und 2016 durch.

Der Median (50% der Stiftungen liegen darüber, 50% darunter) des Stiftungsvermögens pro Kategorie lag im Untersuchungszeitraum zwischen 49,3 Mio. (Universitäten) und 9,3 Mio. USD (K-12-Schulen).

Die effektiven Auszahlungsraten variierten sehr stark, nämlich zwischen 0 und 100 Prozent. 20 Prozent der Stiftungen zahlten zwischen 2009 und 2016 nichts aus und wurden daher aus der Untersuchung ausgeschlossen.

Der Median der Auszahlungsraten lag für die vier Gruppen relativ nah beieinander; er variierte zwischen 4,3 (Universitäten, K-12, Hospitäler) und 4,9 Prozent (Museen). Die arithmetischen Mittelwerte streuten stärker, sie lagen zwischen 5,1 (Universitäten) und 12,3 Prozent (Hospitäler).

Das Verhältnis der Auszahlungen von Stiftungen zu den Ausgaben der Stifter-Organisationen lag für den Median zwischen 0,13 (Museum) und 0,002 Prozent (Hospitäler).

Die Stiftungserträge pro Jahr waren zwischen 2009 und 2016 im Universitätsbereich am höchsten (Median 9,2%), bei Hospitälern am geringsten (Median 4,7%).

Das Wachstum des stiftungsunabhängigen Betriebseinkommens der Organisationen hatte einen Wert zwischen 2,0 bis 2,6 Prozent.

Zuwendungen an Stiftungen machten im Median 0,6 bis 1,9 Prozent aus, im Durchschnitt 4,9 bis 11,2 Prozent, was bedeutet, dass deren Anteil bei einem kleineren Teil von Stiftungen sehr hoch ist.

Zusammenfassend zeigt sich folgendes Bild:

Museen haben kleinere Vermögen, das kleinste stiftungsunabhängige Betriebseinkommen, die geringsten Gesamtausgaben; sie waren zur Finanzierung ihrer Aufgaben am stärksten auf Ausschüttungen ihrer Stiftungen angewiesen.

Hospitäler sind am wenigsten auf Stiftungsauszahlungen angewiesen, die Stiftungsperformance ist im Gruppenvergleich am schwächsten (vermutlich aufgrund einer konservativen Anlagestrategie), sie haben das größte stiftungsunabhängige Betriebseinkommen und die größten Gesamtausgaben.

Universitäten halten große Stiftungsfonds, brillieren mit sehr guter Performance, erhalten laufend voluminöse Zuwendungen und haben ein relativ hohes stiftungsunabhängiges Betriebseinkommen sowie hohe Gesamtausgaben; aber die Ausschüttungsquoten sind nicht die höchsten.

K-12-Schulen haben die kleinsten Stiftungsvermögen, ein geringes stiftungsunabhängiges Betriebseinkommen, geringe Gesamtausgaben, aber ähnlich hohe Ausschüttungsquoten wie Universitäten.

Bestimmungsgrößen der effektiven Auszahlungsquote

Heng Qu untersuchte für den Zeitraum von 2009 bis 2016 die Abhängigkeit der realen Auszahlungsquote von a) der Stiftungsrendite, b) das Wachstum des stiftungsunabhängigen Betriebseinkommens einer Organisation und c) den Zuwendungen an eine Stiftung.

Zu a) Stiftungsrenditen

Im Museums- und im Bildungsbereich reagieren die Auszahlungsraten auf die Veränderungen der Stiftungsrenditen, bei Hospitälern nicht.

Bei Museen besteht eine positive Abhängigkeit der Ausschüttungsrate von den Stiftungserträgen.

Universitäten & K-12-Schulen reagieren auf Veränderungen der Stiftungsrenditen verzögert, aber in unterschiedlicher Weise: Bei K-12-Schulen reagiert die Ausschüttungsrate asymmetrisch auf Veränderungen im Bereich negativer Renditen. Bei Universitäten ist die Reaktion symmetrischer und gegenläufig zu den Erträgen im Vorjahr (was auf ein Moving-Average-Strategie hinweist).

Zu b) Wachstum stiftungsunabhängiger Betriebseinkommen

Im Kontext der Betriebseinkommen ohne Stiftungsbezug überprüfte Heng Qu die Hypothese der Pufferfunktion und fand dafür nicht viel Evidenz. Auch gibt es keine statistische Unterstützung für das Akkumulationsmodell.

Zu c) Zuwendungen

Bei Universitäten, Hospitälern und den Bildungsinstitutionen wirken sich Zuwendungen auf die Ausschüttungsqoute aus, nicht jedoch bei Museen.

Im Universitätssegment geht die Auszahlungsrate leicht zurück, wenn Zuwendungen stiegen. Das ist bei dadurch bedingter Erhöhung des Stiftungskapital zu erwarten, wenn die Auszahlung konstant bleibt.

In Krankenhäusern und Schulen werden Zuwendungen oftmals zur Deckung laufender Ausgaben genutzt.

Schluss

Die Studie wirft Licht auf Bestimmungsgründe der realen Auszahlungsraten, die von den Richtlinien-Auszahlungsraten der Stiftungen abweichen können. Die Wirkungen von Stiftungsrendite, Wachstum der stiftungsunabhängigen Betriebseinkommen sowie Zuwendungen auf die Auszahlungsquote sind je nach Organisationskategorie unterschiedlich. Damit bietet Hang Qu zugleich einen Ansatz für die Erklärung von Abweichungen der Ist-Auszahlungsquoten von den Soll-Quoten. Allerdings hat Qu diese Soll-Ist-Differenz direkt gar nicht untersucht. Der Grund: Fehlende Daten zu Soll-Quoten.

Link zur Studie: Endowment for a rainy day? An empirical analysis of endowment spending by operating public charities