Diese Auswirkungen haben Zinssenkungen

Nicolas Glasek, Portfoliomanager bei der Hansen & Heinrich Aktiengesellschaft.

Nach einer Phase hoher Leitzinsen, um die Inflation zu bekämpfen, senkte die Europäische Zentralbank (EZB) zuletzt mehrmals den Leitzins. Das hat erhebliche Auswirkungen auf verschiedene Anlageklassen, insbesondere auf Tagesgeldkonten, Anleihen und Aktien. Daraus ergeben sich Chancen und Risiken für Anleger.

Tagesgeld

Niedrigere Zinsen bedeuten eine geringere Verzinsung auf Tagesgeld- und Festgeldkonten, da Banken ihre Sparzinsen an die Leitzinsen der EZB koppeln. Die Inflation verschärft das Problem zusätzlich.

Wer 50.000 Euro auf einem Tagesgeldkonto mit 0,5 Prozent Zinsen jährlich anlegt, erhält 250 Euro an Zinserträgen. Bei einer Inflation von drei Prozent jährlich verliert das Geld real an Kaufkraft. Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag sorgen dafür, dass nur rund 184 Euro übrig bleiben. In einem Jahr beträgt der Kaufkraftverlust in unserem Beispiel 1.500 Euro. Anleger sollten daher alternative Anlagemöglichkeiten in Betracht ziehen.

Anleihen

Zinssenkungen beeinflussen den Anleihemarkt auf unterschiedliche Weise. Bestehende Anleihen mit höheren Kupons gewinnen an Wert, da ihre Zinsen im Vergleich zu neu emittierten Anleihen attraktiver werden. Neue Anleihen hingegen werden mit niedrigeren Zinssätzen ausgegeben.

Allerdings ist für die Preisentwicklung von Anleihen mit längeren Laufzeiten nicht allein der kurzfristige EZB-Zins entscheidend. Der Marktzins für langfristige Anleihen setzt sich zusammen aus dem aktuellen Leitzins, einer Laufzeitprämie sowie den Inflations- und Wachstumserwartungen. Falls Investoren beispielsweise eine höhere Inflation oder ein stärkeres Wirtschaftswachstum erwarten, können die langfristigen Zinsen trotz einer Zinssenkung stabil bleiben oder sogar steigen. Es gilt: Je länger die Laufzeit, desto höher der Zins.

Das können wir derzeit am Anleihemarkt beobachten. Die EZB senkte in den letzten Monaten den Leitzins von 4,25 auf 2,65 Prozent. Dennoch stieg der langfristige Zins für Bundesanleihen, da die deutsche Regierung ein großes Investitionspaket plant, welches die Markteinschätzungen für Bonität, Wachstum und Inflation beeinflusst.

Anleihen mit längerer Laufzeit reagieren besonders sensibel auf Veränderungen der Marktzinsen, sodass Chance und Risiko mit der Länge der Laufzeit zunehmen. Wer eine geringere Schwankung bevorzugt, sollte sich eher in Anleihen mit kurzer Restlaufzeit (ein bis drei Jahre) positionieren.

Neue Anleihen mit geringer Restlaufzeit bieten oft geringere Erträge, sodass Anleger abwägen müssen, ob die verbleibende Rendite ausreicht oder sie mehr Durationsrisiken eingehen möchten. Zudem entsteht bei kurzen Laufzeiten ein Wiederanlagerisiko, da in einem Trend sinkender Zinsen die Wiederanlage nur zu schlechteren Zinskonditionen möglich ist.

Aktien

Unternehmen profitieren unterschiedlich von sinkenden Zinsen. Branchen, die stark auf Fremdfinanzierung angewiesen sind, können günstigere Kredite aufnehmen und dadurch wachsen. Kurzfristige Zinssenkungen wirken stimulierend auf die Wirtschaft, jedoch ist gerade für zyklische Unternehmen die Entwicklung der langfristigen Zinsen für die Finanzierung neuer Investitionen ausschlaggebend.

Einige Sektoren sind traditionell auf langfristige Finanzierungen angewiesen. Zu diesen gehören Immobilien- und Bauunternehmen, Industrie oder Öl- und Gasproduzenten. Für diese Unternehmen wirken langfristig hohe Zinsen negativ, da sie nur zu schlechteren Konditionen an Fremdkapital kommen.

Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Ihren Meinungen und Online-Anlagestrategien finden Sie auf https://www.v-check.de/