Die Übermacht der Schwergewichte
Marc Gabriel, Kundendirektor bei der Oberbanscheidt & Cie. Vermögensverwaltungs GmbH
Immer weniger aktive Manager investieren gegen den Markt. Es ist immer schwieriger geworden, gegen den Strom zu schwimmen. Für ETF-Investoren ist das ein Risiko. Denn die Konzentration führt zu Klumpenrisiken.
Exchange Traded Funds (ETFs) sind die Stars der Börse. Seit Jahren werden sie immer beliebter bei den Anlegern. In Deutschland feiert der erste ETF im kommenden Jahr sein 25-jähriges Jubiläum. Seit dem 11. April 2000 sind zwei Aktien-ETFs auf den Euro Stoxx 50 und den Stoxx Europe 50 an der Börse Xetra handelbar. Inzwischen gibt es über 2.100 in Deutschland gehandelte ETFs. Weltweit sind es über 10.000. Ende 2023 waren in den ETFs fast 11,4 Billionen US-Dollar investiert, ein Plus von 26 Prozent gegenüber dem Vorjahr und eine Verfünffachung innerhalb der letzten zehn Jahre.
Konzentration auf die Großen
Der Boom birgt Gefahren. Denn die großen ETFs investieren vermehrt in die hochkapitalisierten Werte, die den jeweiligen Index entsprechend bewegen können. Da dies alle ETFs machen, die einen entsprechenden Index abbilden, kommt es zu einer Konzentration der Investments in die Indexschwergewichte. Die Großen werden immer größer und die Kleinen, teils sehr viel günstiger bewerteten Investments, werden nicht berücksichtigt.
Das Investment wird so zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung. So entstanden zum Beispiel der Mythos um die „magischen 7 Aktien“ aus dem MSCI World. Der Index wurde 2023 wesentlich von den folgenden sieben Aktien getrieben. Apple (ISIN US0378331005), Amazon (ISIN US0231351067), Alphabet (ISIN US02079K3059), Meta (ISIN US30303M1027), Microsoft (ISIN US5949181045), Nvidia (ISIN US67066G1040) und Tesla (ISIN US88160R1014) überragten die restlichen rund 1.600 Aktien des Index bei weitem. Die Aktien stiegen auf schier utopische Bewertungsniveaus und das Risiko einer Blase liegt entsprechend in der Luft. Gleichzeitig führt die Konzentration auf wenige teurere Investments bei den Anlegern zu einem Klumpenrisiko.
Selbst aktive ETFs bergen Risiken
Selbst bei den aktiv gemanagten ETFs finden wir Risiken. So überraschte es uns, dass in einem von Blackrock gemanagten iShares Stoxx Europe 600 Travel & Leisure UCITS ETF (ISIN DE000A0H08S0) die Top 10 Werte in der Summe 92,5 Prozent des Fonds ausmachen. Die ersten beiden Top-Titel kommen aus dem Glücksspielbereich und machen zusammen 43 Prozent des Fondsvolumens aus.
Ähnliches finden wir in anderen Branchen. Zwar umfasst der iShares Stoxx 600 Oil & Gas UCITS ETF (ISIN DE000A0H08M3) 22 Titel. Die Top 10 vereinen allerdings 86,4 Prozent auf sich. Allein Shell (ISIN GB00BP6MXD84) hat 30 Prozent Gewicht. Die folgenden TotalEnergies (ISIN FR0000120271) und BP (ISIN GB0007980591) machen weitere fast 30 Prozent aus. Fast 60 Prozent des ETF-Vermögens wurden in diese drei Werte investiert. Dass diese Titel deutlich stärker an der Börse gehandelt werden, ist eine Konsequenz daraus.
Gleichwohl haben Anleger die Möglichkeit, mit ETFs in bestimmte Themenschwerpunkte gezielt zu investieren und so ihre Anlagestrategie nach Sektoren und/oder lokalen Märkten zu differenzieren. Sie sollten sich nur der Gefahren bewusst sein.
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