Autobranche in Not! Eine Chance für Investoren?
Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds (ISIN: LU0370217092) nimmt die Automobilindustrie unter die Lupe.
„BMW (ISIN: DE0005190003) schockt mit Gewinnwarnung“, „MERCEDES-BENZ (ISIN: DE0007100000) – Aktie in höchster Not“, „VW (ISIN: DE0007664039) droht mit Werkschließung“. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus den jüngsten Schlagzeilen zur deutschen Automobilindustrie. Tatsächlich steht es nicht gut um Deutschlands ehemalige Vorzeigebranche. Das vom Münchner ifo-Institut erhobene Geschäftsklima hat sich dort zuletzt drastisch verschlechtert. Vor allem die Geschäftserwartungen für die kommenden sechs Monate sind regelrecht abgestürzt. „Die Unternehmen der deutschen Autoindustrie leiden unter einem Mangel an neuen Aufträgen – insbesondere aus dem Ausland. Dies schlägt sich mittlerweile auch in der Personalplanung nieder“, sagt ifo-Branchenexpertin Anita Wölfl.
Autobauer kommen von drei Seiten unter Druck.
Bis zum Ausbruch der Corona-Krise wurden in der EU 30 Jahre lang Monat für Monat durchschnittlich 1,1 Millionen PKW neu zugelassen. In Krisenzeiten waren es 950.000 in Boomzeiten 1,3 Millionen. Seit 2020 hat sich die Situation allerdings drastisch verändert. In den letzten vier Jahren wurden nur noch durchschnittlich 900.000 PKW zugelassen und damit im Schnitt deutlich weniger als in den Krisenjahren der Vergangenheit.
Diese Kaufzurückhaltung ist verständlich. Die deutschen Bürger sind verunsichert wie lange nicht mehr. Und wer Angst vor der Zukunft hat, kauft eben keine langlebigen Konsumgüter. Es gibt aber einen Hoffnungsschimmer. Aufgrund der geringen Neuzulassungen in der Vergangenheit hat das Durchschnittsalter der zugelassenen PKWs in Europa gemäß dem Branchenverband ACEA deutlich zugenommen. Allein In Deutschland ist es seit 2022 von 9,6 auf nunmehr 10,3 Jahre gestiegen. um mehr als ein halbes Jahr gestiegen. Eines ist auch klar: Je höher das Durchschnittsalter der PKW, desto größer der Ersatzbedarf in der Zukunft.
Ein anderer Kritikpunkt richtet sich direkt an die Hersteller: Sie hätten den Trend zum Elektroauto verschlafen, könnten keine Volumenmodelle mit Elektromotoren zu marktfähigen Preisen anbieten. Vergessen wird dabei, dass Innovationen immer zuerst in Oberklassefahrzeuge angeboten werden, damit durch die höheren Margen die Entwicklungskosten gedeckt werden. Erst danach gehen sie in Massenprodukte.
Eine Sonderrolle spielt zudem China. Nicht nur, dass dort die Nachfrage schon länger schwächelt. Gleichzeitig drücken die chinesischen Überkapazitäten bei Elektroautos in den Weltmarkt und auf die Preise. Auch von dieser Seite kommt also Druck auf die Autobauer.
Die Gretchenfrage – spiegeln die Aktienkurse die fundamentale Situation richtig wider?
All das sind natürlich keine guten Perspektiven. Entsprechend schlecht hat der DAXsector Automobile (ISIN: DE0009660084) abgeschnitten und liegt in diesem Jahr mit mehr als 25% im Minus. Die Marktkapitalisierung von Volkswagen (DE0007664039) ist seit Mai 2021 sogar um rund 70% eingebrochen. Viele Kommentatoren sehen eine langfristige Strukturkrise, aus der sich die erfolgsverwöhnten deutschen Autobauer nicht mehr befreien können. Warum sonst sollte VW die Beschäftigungsgarantie für knapp 120.000 Mitarbeiter, die bis 2025 gilt, nicht mehr verlängern?
Interessant ist jedoch, dass trotz dieser drei Herausforderungen alle drei großen deutschen Automobilhersteller seit der Finanzkrise im Jahr 2009, als die Abwrackprämie kurzfristig eingeführt werden musste, keine Verluste mehr erwirtschaftet haben (die einzige Ausnahme bildet das VW-Ergebnis im Jahr 2015, das von der Diesel-Affäre beeinflusst war).
Als Massenhersteller hatte Volkswagen in der Vergangenheit eine operative Marge zwischen 6% und 8% verdient. Das lag durchaus im Einklang mit den Ergebnissen der direkten Konkurrenz Renault und Stellantis (Citroen, Fiat, Peugeot), wenngleich weit unter den Resultaten der Premium-Hersteller BMW (Durchschnitt 11%) und Mercedes (Durchschnitt 8%-10%).
Aktuell liegt die VW-Umsatzrendite am unteren Ende der historischen Bandbreite. Für das Jahr 2024 gehen die Wertpapieranalysten nun im Schnitt von einem Gewinn pro Aktie in Höhe von 29 Euro aus. Das sind zwar drei Euro pro Aktie weniger als 2023. 2025 sollen es aber schon wieder 34 Euro, 2026 dann 35 Euro werden.
Natürlich können Wertpapieranalysten irren. Wir wären aber auch mit Gewinnen um die 20 Euro völlig zufrieden. Dann läge das Kurs-Gewinn-Verhältnis eben nicht mehr bei 3,5 sondern „nur noch“ bei 5. Die entsprechende Gewinnrendite – 20% pro Jahr – würde uns als Investoren völlig ausreichen, um ein Engagement zu rechtfertigen. Selbst dann, wenn künftig größere Gewinnwachstumsraten ausbleiben würden.
Wir beginnen, in VW zu investieren
Der langfristige Vergleich zeigt: Das Unternehmen ist nicht nur vom langjährigen Trend weit entfernt (Grafik unten), sondern auch billiger als während des Höhepunktes der Corona Krise. Der gesamte VW-Konzern kostet an der Börse aktuell 45 Milliarden Euro. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass Volkswagen im Automobilgeschäft über rund 40 Milliarden € an Nettoliquidität verfügt (das sind etwa 80 Euro pro Aktie). Geht die Liquidität in die Kalkulation ein, wird VW nur mit einem Unternehmenswert (Enterprise Value) von 5 Milliarden bewertet.
Was erhält der Investor dafür? Rund 330 Milliarden Umsatz, 20 Milliarden Gewinn vor Zinsen und Steuern. und 4,5 Milliarden Euro an Dividenden. Selbst dann, wenn die Gewinnmargen künftig zurückgehen sollten, wäre dieses Datenset attraktiv.
Außerdem ist nicht alles schlecht bei VW. Teile des Konzerns sind hochprofitabel. Wer zum Beispiel einen Lamborghini Huracán kauft, erhält einen Audi A8 mit anderem Chassis und bezahlt dafür einen Aufpreis von 200.000 Euro. Trotzdem gibt es Nachfrage.
Solche Aspekte werden in der derzeitigen, tiefschwarzgefärbten VW-Diskussion nicht beachtet. Mag sein, dass sich das auch nicht so schnell ändert und der Aktienkurs weiter unter Druck bleibt. Gerade deshalb ist VW aktuell eine sehr interessante Contrarian-Story. Wir haben wir mit ersten Investments begonnen und gehen davon aus, dass wir weiter investieren werden.
Für unseren Contrarian Value Euroland Fonds (ISIN: LU0370217092) investieren wir seit 25 Jahren in unterbewertete Firmen mit Potenzial und nachvollziehbarem Geschäftsmodell. Dabei agieren wir wie ein Unternehmer, der die gesamte Firma kaufen möchte und schwimmen bewusst gegen die herrschende Marktmeinung. Dieser Anlagephilosophie bleiben wir treu.