2025: Et hätt noch immer jot jejange!

Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds (ISIN: LU0370217092) über Chancen und Risiken für Aktienanleger im Jahr 2025

„Neue Schock-Prognose für unsere Wirtschaft“ titelte am 5.12 die Bild Zeitung und bezog sich dabei auf eine Prognose des Instituts der deutschen Wirtschaft, nach der 2025 in Deutschland nur ein Wachstum um 0,1 Prozent zu erwarten sei. Kaum eine Nachrichtensendung kommt ohne einen Beitrag zum Absturz der Automobilindustrie aus. Und selbst das ifo-Institut schreibt: Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft im freien Fall?

Fast scheint es so, als stünde die deutsche Wirtschaft vor einem gewaltigen Kollaps. Kann es sein, dass hier zu schwarzgemalt wird? Wir tendieren dazu, de Dom in Kölle und die Kirche im Dorf zu lassen. Stagnation ist keine gute Nachricht – klar – aber es ist auch kein Grund, in Depression zu verfallen. Die Schwäche in der Industrie, auf die sich die schlechten Nachrichten beziehen, hat nur einen Anteil von 20% an der Wertschöpfung. Dass die Industrielenker in einer schwierigen Situation restrukturieren, ist ihr Job und gehört zum Konjunkturzyklus dazu. Wer ausgewogen über die deutsche Wirtschaft berichtet, müsste eigentlich auch erwähnen, dass der Abschwung im Verarbeitenden Gewerbe immerhin durch einen Anstieg im Dienstleistungssektor wettgemacht wird.

Wenn die Nacht am dunkelsten ist, …

Mittlerweile verdichten sich sogar die Anzeichen, dass die deutsche Industrie 2024 den Tiefpunkt erreicht haben könnte und sich 2025 wieder langsam erholt. Am Kapitalmarkt wird in den nächsten zwölf Monaten mit weiteren Zinssenkungsschritten der Europäischen Zentralbank gerechnet. Niedrigere Zinsen sollten Investitionen und damit die Nachfrage nach Industriegütern stimulieren. Außerdem könnte es nach den Neuwahlen Ende Februar zu einem Stimmungsumschwung kommen. 50 Prozent der Wirtschaft – das wissen wir seit Ludwig Ehrhard – ist eben Psychologie.

Unsere persönlichen Frühindikatoren sitzen in der chemischen Industrie. Erholungen dort haben schon in vielen früheren Zyklen den Wendepunkt angezeigt. Wenn wir heute mit Unternehmen in dieser Branche sprechen, berichten diese von Produktionssteigerungen und selbst die Zweckpessimisten des Verbandes der Chemischen Industrie weisen darauf hin, dass leere Lager zu einem Produktionsplus führen. Für uns ist das ein Hinweis, dass der dritte Artikel des Kölner Grundgesetzes immer noch Gültigkeit hat: Et hätt noch immer jot jejange.

Bei vielen Werten bieten sich mit Blick auf 2025 Chancen  

Stimmt diese Annahme, dürften sich 2025 für Aktienanleger eine Vielzahl an Chancen bieten. Allerdings gilt es, genau hinzuschauen. Unternehmen, die im letzten Jahr Wachstum geliefert haben, waren sehr gefragt und sind deshalb heute hoch bewertet. Das Segment der Nebenwerte, um nur ein Beispiel zu nennen, ist dagegen so günstig bewertet wie seit 20 Jahren nicht mehr. Diese Firmen zeichnen sich durch überdurchschnittliche Zinssensitivität und eine hohe Abhängigkeit von der Binnenkonjunktur aus. Stabilisiert sich die Konjunktur und fallen die Leitzinsen wie erwartet, sollten sie profitieren.

Wir finden aktuell zu Hauf Aktien mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen unter 10 – und zwar auf Basis der gedrückten Erträge 2024. Kann dieses Gewinnniveau in Zukunft nur gehalten werden, rentiert ein Investment in diesen Titeln mit 10 Prozent, die zum Wohle der Aktionäre reinvestiert oder ausgeschüttet werden können. Dagegen stehen Festgeldrenditen um zwei Prozent. Aus 1000 investierten Euro werden nach 10 Jahren 1022 Euro. Eine Anlage mit zehn Prozent Rendite dagegen steigert das Vermögen von 1000 auf 2590 Euro – und zwar auch dann, wenn der Gewinn des jeweiligen Unternehmens in den kommenden zehn Jahren stagniert. Wer langfristig denkt und nicht vor kurzzeitigen Schwankungen zurückschreckt, sollte nicht lange überlegen müssen, welche Anlage heute die bessere ist.

Beispiel für ein KGV weit unter 10 gefällig

Ein Unternehmen, bei dem Stimmung und Lage aktuell besonders weit auseinanderklaffen, ist Volkswagen (ISIN: DE0007664039). In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit (und interessanterweise auch nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden in der Betriebsversammlung) ist VW ein Sanierungsfall. Das sehen offenbar auch die meisten Marktteilnehmer so.  Einem Umsatz von mehr als 300 Milliarden steht mittlerweile nur noch ein Marktwert von 42 Milliarden Euro gegenüber.

Weit weniger pessimistisch lesen sich dagegen die von der Konzernspitze im Neun-Monats-Bericht publizierten Prognosen. „In Bezug auf das Operative Ergebnis geht das Unternehmen davon aus, 2024 rund 18 Milliarden Euro zu erreichen“. Und: „Die Netto-Liquidität im Konzernbereich Automobile wird 2024 in der Bandbreite von 36 bis 37 Milliarden Euro erwartet.“ Mit anderen Worten: Das operative Ergebnis soll sich gegenüber dem Rekordjahr lediglich um 20 Prozent verschlechtern und macht dann immer noch die Hälfte des Marktwertes aus. Dazu kommt eine Netto-Liquidität fast in Höhe des Marktwertes. Dass diese im Jahresverlauf um rund vier Milliarden Euro zurückgegangen ist, hat übrigens auch etwas damit zu tun, dass das Unternehmen 5 Milliarden Euro als Dividende ausgeschüttet hat. Aus all diesen Zahlen errechnen wir für 2024 ein EV/EBIT von 0,33, ein KGV von 4 und eine Dividendenrendite von 8 Prozent. Nebenbei: Gemäß den Schätzungen der Wertpapieranalysten sollen Gewinn und Dividende in den kommenden beiden Jahren um rund 15 Prozent ansteigen. Wir sind und bleiben deshalb bei VW investiert.

Contrarian-Investing ist eine Strategie, bei der sich Anleger bewusst gegen den vorherrschenden Markttrend stellen. Anstatt der Masse zu folgen, suchen sie nach Gelegenheiten in unterbewerteten oder unpopulären Vermögenswerten, bei denen sie einen zukünftigen Stimmungsumschwung erwarten. 2025 könnte es in vielen Fällen soweit sein. Wir sind bereit.

Unser Investment Ansatz

Bei unserem Contrarian Value Euroland Fonds (ISIN: LU0370217092) bleiben wir seit 25 Jahren unserer Anlagephilosophie treu. Wir investieren in unterbewertete Firmen mit Potenzial und nachvollziehbarem Geschäftsmodell. Dabei agieren wir wie ein Unternehmer, der die gesamte Firma kaufen möchte und stellen uns – wenn nötig – bewusst gegen die herrschende Marktmeinung.