20 Jahre Eyb & Wallwitz: Zwischen Ratio, Emotion und Innovation
Dr. Georg von Wallwitz, Gründer, Geschäftsführender Gesellschafter und Lead Portfoliomanager (auf dem Bild links), Dr. Ernst Konrad, Geschäftsführender Gesellschafter und Lead Portfoliomanager.
Eyb & Wallwitz wird 20 Jahre. Renditewerk sprach mit den beiden Lead Portfoliomanagern Dr. Georg von Wallwitz und Dr. Ernst Konrad über rationale und emotionale Börsen und woran sich Investoren im neuen Zinsumfeld orientieren sollten.
Herr von Wallwitz, Sie haben Mathematik und Philosophie studiert und über Kants Philosophie promoviert. Was hat Sie dazu gebracht, 2004 eine Vermögensverwaltung zu gründen?
von Wallwitz: Ich hatte 2004 schon einige Jahre Erfahrung in der Finanzbranche und im Portfoliomanagement gesammelt. Mir wurde zu dieser Zeit klar, dass mir als Freigeist die Arbeit in einer unabhängigen Vermögensverwaltung näher liegt als innerhalb von Konzernstrukturen. Der Einstieg in die Branche verlief aber ebenso banal wie kurios.
Das müssen Sie erklären?
von Wallwitz: Zum Ende meines Studiums hatte ich eine kleine Familie und musste feststellen, dass ich sie als Philosoph nicht ernähren konnte. Den Einstieg bei einer großen deutschen Fondsgesellschaft fand ich aufgrund meiner Englischkenntnisse, denn dort stand den internationalen Ambitionen ein gewisser Mangel an sprachlicher Weltläufigkeit entgegen. Meine Ausbildung als Mathematiker wurde erst später relevant.
Und die Philosophie musste hintenanstehen?
von Wallwitz: Ganz und gar nicht, die Kombination hat sich ausgezahlt. Denn die Vermögensverwaltung hat zwar viel mit Datenanalyse und damit auch mit Mathematik zu tun, sie erfordert aber auch einen realistischen Blick auf die Triebkräfte menschlichen Handelns. An den Märkten geht es nicht immer nur rational zu. Die Philosophie hat mir geholfen, das Marktgeschehen besser zu verstehen.
… und dafür gesorgt, dass sich Ihre Fonds anlagestrategisch an die Weisheiten der alten Griechen anlehnen, wie das Fondslabel „Phaidros“ verdeutlicht. Was hat es damit auf sich?
von Wallwitz:Der platonische Phaidros-Dialog dient uns in der Herangehensweise als eine Blaupause für unsere erfolgreichen Phaidros Funds. Wenn der griechische Philosoph Platon ein Investor gewesen wäre, hätte er uns zunächst geraten, rationale Entscheidungen zu treffen, dabei aber immer über die Rolle der Intuitionen und Emotionen Rechenschaft abzulegen. Als unabhängiger Vermögensverwalter sind wir bisher mit der „Ratio vor Emotion“-Strategie gut gefahren.
Sind Börsen rational oder emotional?
Konrad: Kurzfristig können die Börsen sehr emotional sein. Das haben wir beispielsweise beim Ausbruch der Corona-Pandemie oder zu Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine erlebt. Langfristig orientieren sich die Finanzmärkte aber an „handfesten“ Daten wie dem Wirtschaftswachstum, den Unternehmensgewinnen sowie am allgemeinen Zinsniveau, sind also rational zu erfassen. Daher ist es so wichtig, sich mit den Ursachen des Wirtschaftswachstums zu befassen. Kapitalmärkte sind außerdem relativ effizient bei dem „Einpreisen“ von aktuellen Entwicklungen.
Was sind denn die Ursachen des Wirtschaftswachstums?
Konrad: Der Ökonom Joseph Schumpeter beschreibt in seinem Werk „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ den Unternehmer als dynamischen Akteur, der Innovationen vorantreibt und den Prozess der schöpferischen Zerstörung initiiert. Unternehmen, die den Wandel nicht annehmen, laufen Gefahr, von einem Herausforderer aus dem Markt verdrängt zu werden. Das Schumpeter-Prinzip bildet nicht ohne Grund den Dreh- und Angelpunkt unseres aktiven Anlageansatzes.
Was bedeutet das Schumpeter-Prinzip im aktiven Management?
Konrad: Schumpeter unterschied zwischen Monopolisten (sowie Oligopolisten) und Herausforderern. Beide spielen in der Marktwirtschaft eine wichtige Rolle. Monopolisten sind etablierte Unternehmen, die in einer Branche dominieren und Überrenditen erwirtschaften können. Herausforderer dagegen sind innovative Unternehmen, deren Erfolg auf neuen und kreativen Ideen und Geschäftsmodellen basiert. Schumpeter betrachtete die Herausforderer als die Hauptmotoren wirtschaftlicher Entwicklung. Sie sorgen für Wettbewerb, indem sie durch ihre Innovationen den etablierten Monopolisten Beine machen. Im aktiven Management bedeutet das, dass bei uns in der Aktienselektion die Kriterien Marktstellung und Innovationsfähigkeit eine überragende Rolle spielen.
Den Löwenanteil investieren institutionelle Anleger in Deutschland jedoch in Zinspapiere…
von Wallwitz: … und nach jahrelanger Abstinenz auch wieder mit positiver Realrendite. Mit der Bekämpfung der gestiegenen Inflation in 2022 initiierten die Zentralbanken eine Kehrtwende in der Geldpolitik. Die nun positiven Realrenditen sprechen wieder für eine höhere Allokation in Staats- als auch in Unternehmensanleihen. Aktuell sind die Zinsen wieder eher auf dem Niveau von vor der Finanzkrise, die Risikoprämien dagegen eher auf unterdurchschnittlichem Niveau. Nachdem wir zu Beginn des letzten Jahres noch überdurchschnittlich in High Yield-Anleihen allokiert hatten, nutzen wir in unseren Fonds und Mandaten nun verstärkt das gesamte Spektrum der globalen Anleihemärkte.
Wie wählen Sie Anleihen aus?
Konrad: Auf der Anleihenseite nutzen wir unseren Kairos-Ansatz. In der griechischen Mythologie verkörpert Kairos den Gott des richtigen Augenblicks. Kairos als Namensgeber für unseren Anleihefonds Phaidros Funds Kairos Anleihen steht somit für die besondere Gelegenheit, die es zu erkennen und zu ergreifen gilt. Mit dem Ansatz investieren wir an den globalen Anleihemärkten antizyklisch in Ertrags- und Stabilitätsquellen. Das bedeutet, dass wir in einem guten Marktumfeld mit auskömmlichen Zinsen und vergleichsweise niedrigeren Risikoprämien die Allokation in High Yield-Anleihen reduzieren und mit Anleihen besserer Bonität für eine höhere Stabilität sorgen. Im Umkehrschluss setzen wir in einem schwierigeren Marktumfeld und bei niedrigen Zinsen aktiv auf dann gestiegene und wieder attraktive Risikoprämien.
Und in Ihrem Phaidros Funds Balanced kombinieren Sie die beiden Ansätze?
Konrad: Genau. Aufgrund der hohen Korrelation von High-Yield-Anleihen zu Aktien setzen wir in unserem ausgewogenen Mischfonds auf der Anleihenseite neben Unternehmensanleihen verstärkt auch stabilisierende Staatsanleihen ein. Die Rolle der Ertragsquellen übernehmen im Fonds weitgehend die Aktien. Typischerweise liegt daher in unserem 1,7 Mrd. großen Flaggschifffonds die Aktienquote tendenziell näher an der Maximalquote von 75% als an der Minimalquote von 25%. Als Investor benötigen Sie auch einen optimistischen Blick auf die Dinge.
Welche Rolle spielen ESG-Kriterien in Ihrer Anlagestrategie?
von Wallwitz: Die Integration von ESG-Kriterien ist ein zentraler Bestandteil unserer Anlagestrategie. Bereits seit 2012 haben wir uns den UN-Prinzipien für verantwortungsbewusstes Investment verpflichtet, da es uns wichtig ist, ethische Verantwortung mit finanziellen Zielen zu vereinen. Unsere Erfahrung zeigt, dass verantwortungsvolles Investieren häufig nicht nur besser den individuellen Anlagezielen entspricht, sondern auch langfristig stabile Erträge sichert.
Abschließend gefragt, welchen Tipp würden sie langfristigen Anlegern wie Stiftungen für die kommenden Jahre geben?
Konrad: Generell gilt: Die optimale Asset Allokation ist regimeabhängig. Das bedeutet, sie muss dem makroökonomischen Umfeld entsprechen – und somit auch angepasst werden, wenn sich dieses Umfeld ändert. Der richtige Mix aus Portfoliostabilisatoren und Performancegeneratoren ist entscheidend. Wie genau dieser Mix dann aussieht, ist abhängig vom Marktumfeld, dem Anlageziel, der Risikobereitschaft, dem Anlagehorizont und anderen individuellen Faktoren.
Gerade in Zeiten der Unsicherheit ist auch eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit von größter Bedeutung. Stiftungen benötigen weitsichtige Asset- und Risikomanager als verlässliche Partner, um ihren Auftrag optimal zu erfüllen und ihnen auch mal das aktuelle Marktgeschehen in Ruhe einzuordnen. Dabei ist die Zusammenarbeit wichtiger als jede einzelne Anlageentscheidung.